Gomez, jetzt auch tiefenentspannt

MÜNCHEN Hat es jemals einen gelasseneren Mario Gomez gegeben als in diesen Tagen? Einen Gomez, der in sich ruht, der die Dinge in lässiger Selbstverständlichkeit angeht? Und das trotz seiner 14-wöchigen Verletzungspause? Und das, obwohl der Bayern-Stürmer seitdem erst ein Spiel von Beginn an gemacht hat, nur dreimal eingewechselt wurde? Der 27-Jährige wirkt entspannt und zufrieden vor dem letzten Gruppenspiel der Champions-League-Vorrunde gegen Bate Borissow (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht angepfiffen, d.Red.). Dabei könnte man meinen, dieses zurückliegende halbe Jahr sollte genau zum Gegenteil beigetragen haben.
Da war erst die EM in Polen und der Ukraine. Ein schnelles, großes Auf, danach folgte ein noch schnelleres, noch größeres Ab. In den Vorrundenspielen gegen Portugal (Siegtreffer zum 1:0) und gegen Holland (Doppelpack beim 2:1) hatte der Mittelstürmer drei Treffer erzielt und endlich seinen Frieden mit einer EM gefunden – vier Jahre nach dem persönlichen Pfosten-Latte-Trauma von Wien als er mehr Komiker denn Fußballer vor dem leeren Tor war. Bundestrainer Joachim Löw nahm ihn im Viertelfinale aus der Mannschaft, sein Ersatz Miroslav Klose überzeugte. Aus dem Rhythmus gebracht ging er im Halbfinale gegen Italien (0:2) mit unter. Seine drei Tore ebenso. In der Erinnerung der Leute blieb lediglich der böse Spruch von ARD-Experte und Bayern-II-Trainer Mehmet Scholl haften: „Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss.”
Gomez punktete damals mit süffisanten Kontern. Scholl sei ja Trainer jetzt, meinte er, „und von Trainern kann man viel lernen”. Und überhaupt: „Ein Trainer aus meinem Verein, mia san mia, eine große Familie.”
Damals konnte er aber noch nicht ahnen, was die neue Saison bringen würde. Mit dem EM-Aus sowie drei Vize-Erlebnissen mit dem FC Bayern auf den Schultern ging es in die Vorbereitung. Dann traf ihn Uli Hoeneß, mit voller Wucht. Der Präsident unkte, immer noch gepeinigt vom Drama dahoam gegen Chelsea: „Mario Gomez ist gut, aber nicht sehr gut.” Seine Schlussfolgerung: „Wäre er sehr gut, hätten wir die Champions League gewonnen.” Das traf ihn. Mehr noch als die Verletzung kurz darauf, die eine Operation am Sprunggelenk erforderte. Gomez sagte nun der „SZ”: „Da hat mir Uli Hoeneß natürlich einen schönen Stein hingeworfen mit seiner Aussage.” Und weiter: „Ich weiß schon, was er mir sagen wollte, aber das Problem war halt, dass die Message in der Öffentlichkeit anders ankam – vielleicht, weil man bei mir gerne was Dramatisches reinliest, vielleicht auch, weil Uli Hoeneß es etwas drastisch formuliert hat.” Seine Erkenntnis war: „Am Ende kam es so rüber, als sei ich schuld an der Niederlage (Chelsea, d.Red.), das fand ich sehr unglücklich, und das habe ich Herrn Hoeneß auch gesagt.” Die Sache ist ausgeräumt, in einem langen Gespräch.
Die Verletzung, seine erste mit dieser langen Reha-Zeit, die Verpflichtung der Konkurrenz-Stürmer Mario Mandzukic und Claudio Pizarro im Sommer, plus der Zwist mit Scholl und die Attacke von Hoeneß – das alles hat Gomez abgehärtet. Wohlwollend hat er registriert, wie sehr die Fans ihn bei seinem Comeback samt Blitz-Tor - ganze 27 Sekunden nach der Einwechslung – vor zehn Tagen gegen Hannover (5:0) gefeiert haben. Man spürte: der wahre Mario kehrt zurück. Für den anderen Mario, für Mandzukic, wird es schwer. Er hat keine Lobby, lediglich neun Tore auf dem Konto. „Ich muss nichts mehr beweisen”, sagte Gomez, „die Leute hier wissen ja, was ich kann.” Daher ist er so entspannt, der neue, alte Mario Gomez.