Gereift und "Mann geworden": Der Herr Schweinsteiger
MÜNCHEN - In dieser Saison – und in neuer Rolle – ist der Mittelfeldstratege Bastian Schweinsteiger vielleicht wichtiger für den FC Bayern München als jemals zuvor.
Beim Fußball-Leckerbissen gegen den Titel- Anwärter musste der gelb-gesperrte Bastian Schweinsteiger schon mit einer gehörigen Portion Wehmut die ungeliebte Zuschauerrolle einnehmen. „Es gibt nichts Schöneres als in der Champions League zu spielen gegen Manchester United vor eigenem Publikum“, sagte der 25- Jährige, der vor dem Viertelfinal-Hinspiel am Dienstag schmerzlich wurde. In dieser Saison – und in neuer Rolle – ist der Mittelfeldstratege vielleicht wichtiger für den FC Bayern München als jemals zuvor. Der Fußball-Nationalspieler ist gereift. Für Trainer Louis van Gaal ist der dritte Kapitän ein „Führungsspieler“, und Präsident Uli Hoeneß lobte den oft gescholtenen Vollblutkicker unlängst über die Maßen. „Er spielt eine Super-Saison. Der heißt für mich nicht mehr Schweini, der heißt Bastian. Er ist ein Mann geworden“, sagte Hoeneß.
„Schweini“, das war neben „Poldi“ einmal beim Sommermärchen 2006. „Die Zeit ist vorbei. Jeder Mensch entwickelt sich weiter und so ist es auch bei mir der Fall“, sagte Schweinsteiger, der schon länger am anderen Image arbeitete. Die jüngsten Hoeneß'schen Worte erfreuten das Bayern-Eigengewächs daher besonders. „Das ist schön zu hören, dass es angekommen ist“, sagte der dienstälteste Bayern-Profi noch am Montagabend im „Bayerischen Fernsehen“. „Lieber höre ich den ganzen Nachnamen als die Abkürzung.“
Alle reden von Robben und Ribéry, dabei ist auch die Rolle des Eigengewächses unter van Gaal enorm wichtig. Denn seit dem „Wunder von Turin“, dem 4:1 bei Juventus Anfang Dezember, wirkt Schweinsteiger im zentralen Mittelfeld Seite an Seite von Kapitän Mark van Bommel – und die Bayern fanden ihren Schwung. „Bastian ist ein Top-Spieler in Deutschland. Er kann es und zeigt es jetzt“, lobte der Niederländer seinen bis zum 30. Juni 2012 unter Vertrag stehenden Nebenmann. Bei Robbens Traumtor zum 1:0 im DFB-Pokal-Halbfinale bei Schalke 04 rannte der 25-Jährige so lange, bis er mit Krämpfen in beiden Beinen nicht einmal mehr zum Jubeln in die Kurve konnte.
Schweinsteiger rennt und grätscht, als Techniker wurde er eh schon immer gerühmt. „In dieser Saison hat er den großen Sprung geschafft von einem flippigen jungen Mann, der keine Orientierung hatte im Leben, zu einem sehr verantwortungsbewussten Spieler, der strategisch bei uns arbeitet, der körperlich defensiv sehr stark arbeitet“, sagte Hoeneß. Mehrfach war Hoeneß in der Vergangenheit aber auch erzieherisch tätig gewesen. „Ich habe ihm oft in den Hintern getreten, aber er hat immer gut reagiert. Er hat nie gesagt, ach dieser Idiot. Er hat immer gesagt, ich weiß, dass Uli Hoeneß das ehrlich mit mir meint.“
Die Worte vom Mitläufer oder ewigem Talent machten zeitweise schon die Runde, aber wer als im Nationalteam gesetzter Profi schon 73 Länderspiele (19 Tore) auf dem Buckel hat, der muss schon besondere Qualitäten haben. Und die will Schweinsteiger künftig auch im zentralen, defensiven Mittelfeld als Nebenmann von Chef Michael Ballack bei der DFB-Auswahl einbringen. „Schweinsteiger und Ballack können schon zusammen spielen. Es hängt viel von der WM-Vorbereitung ab, da muss einiges eingespielt werden mit den drei Zentralen Schweinsteiger, Özil und Ballack“, sagte Joachim Löw nach dem Auftritt gegen Argentinien (0:1).
Dem Bundestrainer dürfte der Positionswechsel des bislang meist auf dem Flügel gebrachten Schweinsteiger, der selbst den Posten in der Mitte wollte, gelegen kommen. Denn nach den Verletzungen des Stuttgarters Sami Khedira und des Leverkuseners Simon Rolfes ist angesichts des Formtiefs von Thomas Hitzlsperger (Lazio Rom) die Auswahl für die Zentrale nicht sonderlich groß.
In Südafrika gelte es erst einmal die Vorrunden-Gruppe zu überstehen, meinte Schweinsteiger, der es als „größten Erfolg“ sehen würde, „wenn ich dann im Fernsehen wieder die Fans in Deutschland auf den Straßen feiern sehe“. Und dann, darauf müsste sich der Profi wohl doch gefasst machen, werden sie vermutlich trotzdem wieder häufiger „Schweini“ als „Schweinsteiger“ rufen.
dpa