Gerd über Thomas Müller: "Aus nix macht der auch ein Tor"
MÜNCHEN - Gerd Müller, 63, über Thomas Müller, 19, der gegen Lissabon ein prima Debut in der Champions League gab. "Wichtig ist, dass er nicht abhebt".
Der Morgen danach? Ernüchternd. Nach dem 7:1 hätte man als Champions-League-Debütant schon gern ein wenig von den Gegnern aus der großen weiten Fußballwelt geträumt, wo Milch, Honig und viel Geld fließt. Stattdessen: dichtes Schneetreiben, Training auf Kunstrasen, mit dem FCB II. Zwölf Stunden nach dem ersten Champions-League-Treffer rufen einen die Regionalligakollegen immer noch schlicht und ergreifend „Müller". Morgens um zehn stand Thomas Müller auf dem Platz. Die Profis fingen erst zwei Stunden später an.
Eigentlich ist er ja auch Profi. Fast die gesamte Saisonvorbereitung hat er bei Klinsmann mitgemacht, am ersten Spieltag gegen den HSV gleich Bundesliga gespielt. Vor ein paar Wochen hat er wie Holger Badstuber einen Profi-Vertrag unterschrieben, gültig bis 2011. Und warme Worte vom Vorstandschef bekommen: „Das sind zwei Spieler, die sich sehr gut entwickelt haben", sagte Karl-Heinz Rummenigge. Doch so richtig rumgesprochen hat sich der neue Status des 19-Jährigen noch nicht: Weder auf der Homepage des FC Bayern noch bei den sehr genauen Kollegen vom „kicker“ findet sich ein Profi namens Müller.
Küsschen nach dem Schlusspfiff
Der junge Mann stammt aus Oberbayern, hat beim TSV Pähl in der Nähe von Weilheim Kicken gelernt und in den letzten neun Jahren sämtliche Jugendteams der Bayern durchlaufen. Sieben U16- und ein U19-Länderspiel stehen in der Statistik, 2007 wurde er Vizemeister mit der A-Jugend. Abitur hat er, verlobt ist er auch schon: Freundin Lisa bekam gleich nach dem Schluspfiff in der Allianz Arena ein Küsschen.
Seit vergangenen Sommer hat ihn Hermann Gerland unter seinen Fittichen. Er hält viel von dem langen, dürren (1,86m, 74 kg) Mittelfeldspieler. „Torgefährlich, schnell, gute Ausdauer, kann Kopfball, hat beide Beine in Ordnung, kurzum: ein großes Talent. Aber er muss von der Bereitschaft her zulegen. Es fällt ihm alles sehr leicht, er muss noch lernen zu arbeiten. Er ist noch nicht fertig."
Streng ist Gerland natürlich, aber manchmal gerät er ins Schwärmen: „Müller ist ein Juwel. Der hat überragende Fähigkeiten. Gegen Dresden hat er einen Pass gespielt, den können in der Bundesliga nur zwei Spieler." Auch Co-Trainer Gerd Müller, der legendäre Bomber, ist angetan vom Namensvetter: „Aus nix macht der auch ein Tor.“ Und damit kennt sich niemand besser aus als der Müller Gerd, der aus allem ein Tor gemacht hat (sogar mit dem Hinterteil) und mit 365 Bundesliga-Toren den Rekord hält. „Uns wird er natürlich fehlen“, sagt Gerd Müller, „aber das Wichtigste ist erst mal, dass er nicht abhebt, wenn er wieder bei uns in der Regionalliga spielt."
Zum nächsten Bundesligaspiel in Bochum werden sie ihn dem Kollegen Klinsmann überlassen müssen. „Ich denke, dass es ihm gut tut, nach wie vor bei uns zu spielen", sagt Gerland, „aber wenn einer aus unserem Team aushelfen darf, ist das eine Auszeichnung für die Jugendarbeit." Neun Tore hat Müller in der Regionalliga schon erzielt, zuletzt eins beim 2:0 gegen Jena, im Ernst-Abbe-Sportfeld, vor 2000 Zuschauern. Gut möglich, dass der junge Mann demnächst mehr Publikum hat.
Thomas Becker