Serie

Gerd Müller privat: "Ein sensationell guter Mensch"

Letzter Teil der AZ-Serie: Schleichend raubt die Demenz dem Bomber immer mehr seiner selbst. Bis zum Schluss bei ihm - seine Gattin Uschi, in die er sich einst bei einem John-Wayne-Western verknallte.
Patrick Strasser |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
3  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Die Familie war immer sein Ein und Alles: Gerd Müller mit seiner Uschi und Tochter Nicole während der Jahre in Fort Lauderdale/Florida.
Die Familie war immer sein Ein und Alles: Gerd Müller mit seiner Uschi und Tochter Nicole während der Jahre in Fort Lauderdale/Florida. © imago

Wenn etwas Gerd Müller (†75) zeitlebens immer geärgert hat, waren das die Benzinpreise. "Mein allergrößter Feind ist das Tanken", sagte der Bomber der Nation einmal, "da hatte ich schon immer einen Schlag." Ansonsten war der beste deutsche Mittelstürmer aller Zeiten bekannt für seine Liebenswürdigkeit und Generosität.

Hermann Gerland erinnert sich an Gerd Müller

"Wenn wir in den Trainingslagern ein Eis essen waren, hat immer Gerd bezahlen wollen", erinnert sich Hermann Gerland, sein langjähriger Chefcoach bei den Amateuren der Bayern, und sagt in der Müller-Biografie "Der Bomber der Nation" von Udo Muras und AZ-Autor Patrick Strasser (erschienen 2015 im Riva-Verlag): "Ich sagte: ,Bomber, ich hab' auch Geld, lass mich zahlen.' Keine Chance. Ich kam einfach nicht dran." Dennoch: schöne, glückliche Momente.

Lesen Sie auch

Von der zweiten Saisonhälfte 2012/13 an fiel es Müller immer schwerer, seinen Aufgaben als Assistenztrainer der zweiten Mannschaft des FC Bayern nachzukommen. Dennoch kam er weiter an die Säbener Straße, um sich auf dem Ergometer ein wenig sportlich zu betätigen, in die Sauna zu gehen und sich bei der Massage zu entspannen. Die Spieler behandelten ihn weiterhin respektvoll, Müller blieb einfach Teil der Bayern-Familie.

Gerd Müller litt an Alzheimer

Bei den Heimspielen saß er auf der Trainerbank, an den Besprechungen in der Kabine nahm er jedoch nicht mehr teil. Müller hatte man inzwischen einen eigenen Fahrer zur Seite gestellt, er reiste nicht mehr mit dem Mannschaftsbus. Wenn er aus seinem vertrauten Umfeld gerissen wurde, begannen allerdings die Schwierigkeiten.

Gerd Müller (Fort Lauderdale Strikers) mit seiner Frau Uschi und Tochter Nicole am Strand der neuen Heimat Gerd Mueller Progress Lauderdale Strikers with his Woman Uschi and Daughter Nicole at Beach the new Home
Gerd Müller (Fort Lauderdale Strikers) mit seiner Frau Uschi und Tochter Nicole am Strand der neuen Heimat Gerd Mueller Progress Lauderdale Strikers with his Woman Uschi and Daughter Nicole at Beach the new Home © imago

Alzheimer, dieses grauenhafte Schicksal, das den Patienten erst die Erinnerungen, dann die Sprache, die Gedanken und am Ende das ganze Selbst raubt, hatte den Bomber der Nation ereilt. Die Demenz infolge der Alzheimer-Erkrankung nahm Müller seit Herbst 2014 mehr und mehr in Besitz, griff seinen Geist an und beeinträchtigte seine Motorik. Vergangenen Sonntag verstarb der größte deutsche Torjäger mit 75 Jahren in einem Pflegeheim außerhalb Münchens.

Gerd Müller: "Ein sensationell guter Mensch"

Was war Müller für ein Mensch? "Ein sensationell guter Mensch", hatte der heutige Bayern-Star Thomas Müller nach dem Tod der Legende bei Instagram geschrieben und sich dafür bedankt, von ihm als Stürmertrainer in den Anfangsjahren der eigenen Karriere so viel gelernt zu haben.

Auf und außerhalb des Platzes bestach der "Bomber der Nation" durch Bescheidenheit und Bodenständigkeit. Kurz: Müller war eine ehrliche Haut, demütig, niemals falsch oder berechnend. Und warmherzig. Nein zu sagen fiel ihm schwer. Im Frühjahr 1967 sprang er - während seiner zweiten Bundesliga-Saison - kurzfristig als Trainer beim Münchner B-Klassen-Verein Schwarz-Blau ein, der abgeschlagen am Tabellenende hing.

Müller zog immer den linken Schuh zu erst an

Flugangst war Zeit seines Lebens ein schlimmer Begleiter, doch der Aberglaube half ihm in allen Lebenslagen. Er zog immer erst den linken Schuh an, um den Hals trug er stets ein Amulett - auch bei den Spielen, das war damals noch erlaubt. Arroganz oder Überheblichkeit kannte der Weltstar nicht.

Lesen Sie auch

"Er hat das gegenüber Reservespielern nie zur Schau gestellt, sondern mit jedem geredet oder Karten gespielt", erinnert sich Weggefährte Katsche Schwarzenbeck, der legendäre Ausputzer der Bayern. "Dass ich berühmt geworden bin, ist mir eigentlich wurscht", sagte Müller, der sich am liebsten auf die heimische Couch zurückzog oder in den Wäldern am Stadtrand Münchens als Spaziergänge machte.

Mit Schäferhund Assia, Tochter Nicole und Frau Uschi, die er im Oktober 1965 bei einer Kaffeepause in einem Tchibo-Laden am Münchner Ostbahnhof kennenlernte. Damals arbeitete Müller nebenbei in einem Möbelhaus. Uschi ist erst 16, lässt sich auf ein Date mit dem jungen Fußballer im Kino ein: Beim Western "Rio Bravo" mit John Wayne verknallen sie sich, elf Monate später folgt die Verlobung. 1967 folgte die Hochzeit, Uschi war 18, Gerd 21. Sie blieben sich treu - bis zuletzt besuchte seine Frau ihren Gerd tagtäglich im Pflegeheim.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
3 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • FanM am 22.08.2021 21:39 Uhr / Bewertung:

    Müller war ein einfacher Mensch, ein Nur-Fußballer - und das war auch seine Tragik - mit Geschäften, Gesundheit, Wohlfahrt, Familie und Pflegeheim. Und niemand außer seiner Frau stand ihm bei.

  • Südstern7 am 24.08.2021 07:11 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von FanM

    Mit Demenz im Endstadium bist du allein, mein Freund.

    "Und niemand außer seiner Frau stand ihm bei", schreibst du.
    Bist du dir sicher, dass auch seine Familie, also auch seine Tochter Nicole ihm nicht auch "beistand", wie du so schön formulierst?

    Rainer Bohnhof, sein Ex-Mitspieler in der Nationalmannschaft, so führt Hoeneß nach einem gemeinsamen Besuch bei Müller im Pflegeheim aus, habe danach geweint. Weil er und andere hilflos zusehen mussten, wie der Mensch in seiner eigenen Welt lebt.

    Ich würde dir empfehlen sich umfassend über Demenz zu informieren. Wer, wie ich, von seinem eigenen Vater nur noch selten erkannt wird, kann jedenfalls pauschale Urteile nicht nachvollziehen.

  • Südstern7 am 21.08.2021 19:05 Uhr / Bewertung:

    Müller fühlte sich im Mannschaftskreis zu Hause. Ihm gefielen Treffen im kleinen Kreis, es zog ihn aber niemals ins Rampenlicht. Wenn er mit seinen Spezln zusammen saß, dann war er es, der die Runden schmiss. In den 60ern waren die Gehälter für Vertragsspieler nicht vergleichbar mit heutigen Profifußballern und der Gerd als Nationalspieler stand da schon finanziell besser da als andere im Team. Er übernahm das gerne, was natürlich auch manchmal ausgenutzt wurde.

    Was er gar nicht mochte war das Geschachere mit Schwan um Moneten, da musste die Uschi dann ran. In einem anderen Artikel zu Gerd war schon zu lesen, dass sein Berater nicht viel taugte. 1973 winkte Barcelona mit Vertrag und Kohle und sowohl der FC Bayern (Ablöse) als auch die Berater plädierten für einen Wechsel. Gerd hätte nachgegeben um es wieder allen recht zu machen, wenn der DFB nicht sein Veto eingelegt hätte (Sperrfrist 1 Jahr vor der WM). Am Ende war er doch ganz froh, dass er in seinem Umfeld bleiben konnte.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.