Kommentar

Gerd Müller: Der schüchterne Weltstar und das erdende Gefühl

Der Bayern-Reporter der AZ, Patrick Strasser, über den Tod von Gerd Müller.
Patrick Strasser |
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Nein, ich habe kein gemeinsames Foto mit Gerd Müller, kein Selfie. Und selbst wenn, würde ich es nicht in den sozialen Kanälen posten wie so manche Touristen des Totengedenkens, um unter dem Deckmantel der Trauer ihre eigene Rübe zu zeigen und damit ihrem Narzissmus Raum zu geben.

Ich bin schlicht froh, Gerd Müller noch gesprochen zu haben, ihn an der Säbener Straße oder bei anderen Anlässen kurz interviewt haben zu können, bevor bei ihm die schreckliche Alzheimer-Erkrankung diagnostiziert wurde. Bevor die zerstörerische Demenz begann, sein eigenes Ich langsam aber beständig aufzufressen.

In Ehrfurcht von Angesicht zu Angesicht

Daher denke ich gerne an kurze gemeinsame Momente zurück. An Momente, in denen ich als junger AZ-Reporter sauer auf "den Gerd" war, wie wir ihn alle nannten, aber von Angesicht zu Angesicht ehrfürchtig mit Herr Müller ansprachen. Sauer, weil er damals als Assistenztrainer der zweiten Mannschaft der Bayern nur dann über seine Mittelstürmer-Erben wie Miroslav Klose, Luca Toni oder Mario Gomez sprechen wollte, wenn man sich ihm tatsächlich physisch in den Weg stellte. Müller mochte keine große Bühne, mochte nicht viel reden, schon gar nicht über andere richten. Was sollte der größte Torjäger aller Zeiten auch über Angreifer sprechen, die ihm nicht das Wasser reichen konnten? Früher habe ich das nicht verstanden.

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Gerd Müller mochte nicht viel reden

Und doch brachte jede Begegnung mit dem schüchternen Weltstar das erdende Gefühl, dass es eben völlig okay ist, wenn man in der Bizeps-Branche mit so vielen Möchtegern-Stars und Dampfplauderern lieber schweigen möchte. Ein Wechsel des Blickwinkels macht aus einer vermeintlichen Schwäche eine Stärke. Ich war zu schwach und naiv, dies nicht zu erkennen.

Heute sage ich: Danke, Herr Müller. Ohne Sie, ohne Ihre Tore und die Erfolge, die Sie dem FC Bayern bescherten, hätte ich wohl nicht diesen wunderbaren Beruf, über Fußball & die Bayern schreiben zu dürfen. Womöglich würde sich heute kaum einer für den Verein mehr interessieren.

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4 Kommentare
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  • raptus am 18.08.2021 15:00 Uhr / Bewertung:

    Wie bescheiden Gerd Mueller war, zeigte auch, dass er sich in Strasslach ein ganz einfaches Fertighaus in einer kleinen Siedlung kaufte, also keine Protzvilla in Gruenwald.

  • Bayerncharly789 am 16.08.2021 19:27 Uhr / Bewertung:

    RUHE IN FRIEDEN LIEBER GERD. DER NAME GERD MÜLLER WIRD IMMER UND EWIG IN EINEM ATEMZUG MIT DEM FC BAYERN MÜNCHEN GENANNT WERDEN. ES GAB DAVOR UND DANACH KEINEN BESSEREN FUSSBALLER UND MENSCHEN ALS IHN.

  • Südstern7 am 15.08.2021 21:47 Uhr / Bewertung:

    Dies ist ein sehr guter, ein sehr einfühlsamer Kommentar, Danke Herr Strasser.

    Ich habe einige Bücher über Müller gelesen und sein Leben "aufgearbeitet", denn als er spielte war ich Kind, Jugendlicher, habe mir wenig Gedanken gemacht über mein Idol. Als er zum ersten Mal schwer erkrankte, in den 80ern habe ich mir viele Gedanken gemacht und war froh, dass er nochmal auf die Beine kam. Bei seiner zweiten Erkrankung war ich dann einfach nur traurig und ich habe mich bis heute ertappt, dass ich mir vorstellte wie er wohl denken würde über seine Jungs an der Säbener Straße, die seine Heimat war.

    Man kennt seine Tore durch Clips und kaum einer macht sich die Mühe das taktische Potential dieses intelligenten Spielers zu begutachten. Wer bei einem Videokanal mit Ypsilon sucht, der wird sehen, welch ein Stratege er außerhalb des Strafraums war. Wie er das Spiel oft im Mittelfeld ordnete. Ein Weltklassespieler! Nicht so elegant wie Cruyff, aber deutlich wertvoller und mannschaftsdienlicher.

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