Genießer Hitzfeld
MÜNCHEN - Es läuft für Ottmar Hitzfeld in diesen Wochen beim FC Bayern. Es läuft auf das historisch einmalige Triple zum Abschied hinaus. Und der einst so angespannt wirkende Hitzfeld ist dieser Tage entspannt wie selten zuvor.
Er ist zu bescheiden, um sich immer wieder in der Kurve von den begeisterten Fans feiern zu lassen. Nicht einmal nach einer traumhaften Vorstellung wie dem 5:0 seiner Bayern am Sonntagabend gegen Dortmund, stellt sich Ottmar Hitzfeld in den Mittelpunkt. Und doch: Wenn die Bayern-Anhänger – was diese Saison oft passiert ist – nach 15 oder 20 Minuten großartigem Fußball das Lied „Ottmar Hitzfeld, Du bist der beste Mann“ anstimmen, bedankt er sich manchmal mit einem dezenten Winken. Es kann sogar passieren, dass ein Lächeln über sein Gesicht huscht.
Zum Abschied läuft es für Hitzfeld auf das historisch einmalige Triple aus Meisterschaft, Pokalsieg und Uefa-Cup-Triumph hinaus. Und der einst so angespannt wirkende Trainer ist dieser Tage entspannt wie selten zuvor. Genießer Hitzfeld.
Endlich die Freiheit
„Natürlich verspüre ich Druck“, erklärt der 59-Jährige, „aber in der Gewissheit, dass es nach dieser Saison beim FC Bayern vorbei ist, ist das natürlich anders als in den Jahren zuvor.“ Der erfahrene Fußballlehrer mit seiner imposanten Titelsammlung – zweimal Weltpokalsieger, zweimal Champions-League-Sieger, sechsmal Deutscher Meister, zweimal DFB-Pokal-Sieger – genießt nun endlich die Freiheit, über seine Zukunft selbst zu entscheiden. Bestes Beispiel hierfür war sein Entschluss, ab Sommer Nationaltrainer der Schweiz zu werden. Auch wenn er die Klubführung bereits zwei Tage vorab informiert hatte, so erstaunte es doch, dass er sich direkt nach dem Uefa-Pokal-Triumph kurz vor Weihnachten gegen Saloniki (6:0) erklärte. Denn in der Öffentlichkeit lief bis dahin noch die Debatte, ob er weitermacht oder nicht. Hitzfeld beendete sie selbst. „Ich weiß schon was ich mache“, hatte er erklärt, „generell geht's darum, was ich in meinem Leben erreichen möchte und was mir Spass macht." Spaß macht dem Genießer Hitzfeld, ab Sommer die „Nati“ zur WM zu führen.
Nicht einmal die harsche Kritik von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge („Fußball ist keine Mathematik“) schien den früher so empfindsamen Trainer zu belasten. Im Gegenteil. Hitzfelds Konter geriet ungewohnt amüsant. „Ich hoffe, dass ich das Fußball-Einmaleins kann“, hatte der studierte Mathematiklehrer seinen obersten Chef wissen lassen, „und ich versuche, es auch so anzuwenden.“ Hitzfeld rotierte zunächst weiter – nach eigenem Belieben und nach der jeweiligen Erfordernis. Mittlerweile setzt er auf eine Stammelf. Ausgetauscht werden Akteure fast nur noch im Falle einer Verletzung.
Der Genuss-Thriller
Und Hitzfelds Rechnung geht perfekt auf: Seine Stammelf hat im Saisonfinale jene Kraft, um in Getafe auch noch in Minute 120 das Wunder zu schaffen. Sogar dieser Thriller im Vorort Madrids geriet für Hitzfeld zum Genuss. Zu Keeper Oliver Kahn sagte er danach: „Dass wir in unserem Alter sowas noch erleben dürfen.“ Hitzfeld im Rausch der Emotionen. Und der nächste Höhepunkt folgte bereits drei Tage später, das 5:0 bei der Generalprobe fürs Pokalfinale gegen seinen Ex-Klub Borussia Dortmund. „Es gibt so Spiele, da klappt einfach alles“, meinte Hitzfeld nach dem grandiosen Auftritt von Luca Toni, Zé Roberto und Co. – und dann lächelte er wieder, der Genießer Hitzfeld.
Das Ergebnis von Hitzfelds Rechenübungen? Es könnten diese Saison drei Pokale in die Vitrine wandern, die übrigens im Aufgang an der Säbener Straße direkt vor dem Eingang zu Karl-Heinz Rummenigges Büro steht. Er wird es genießen.
Jochen Schlosser