Generationswechsel: Wie der FC Bayern nach Hoeneß und Rummenigge aussehen könnte

Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge sind zurück beim FC Bayern – vor allem aufgrund einer Fähigkeit, an der Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic noch scheiterten. Doch wie sieht die Zeit danach aus?
von  Victor Catalina
Beim FC Bayern wieder am Steuer: Karl-Heinz Rummenigge (l.) und Uli Hoeneß.
Beim FC Bayern wieder am Steuer: Karl-Heinz Rummenigge (l.) und Uli Hoeneß. © imago/Revierfoto

München - Es schien alles vorbereitet. Oliver Kahn löste im Sommer 2021 Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern ab. Bereits zwei Jahre zuvor übernahm Herbert Hainer, eng mit Uli Hoeneß befreundet, dessen Posten als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender.

"Auch im Anzug die Champions League gewinnen": Salihamidzic über Hoeneß' FC-Bayern-Philosophie

Zusammen mit Hasan Salihamidzic, einem weiteren Ex-Spieler und absoluten Fan-Liebling, sollten sie die Zukunft des deutschen Rekordmeisters gestalten. "Wir haben im Trikot die Champions League gewonnen (2001, d. Red.) und wollen – wenn es möglich ist – auch im Anzug zusammen die Champions League gewinnen", hielt Salihamidzic bereits im Januar 2020 fest. Kahn war damals bereits Teil des Vorstands und wurde von Rummenigge langsam an den Posten des CEO herangeführt.

Genau jene Aussage von Salihamidzic bringt die ewige Philosophie von Uli Hoeneß auf den Punkt. Der Verein soll nicht von irgendwem geführt werden, sondern von Menschen, die ihn und seine Philosophie verstehen und leben. Diese geben ihr Wissen irgendwann an die nächste Generation Ex-Spieler weiter.

Die neue Führung, in Person von Salihamidzic und Kahn, stand im Sommer 2021 gleich vor der ersten großen Prüfung, als Triple-Trainer Hansi Flick, nach dem 3:2-Sieg in Wolfsburg am 29. Spieltag, einen Soloflug wagte und, trotz gegenteiliger Absprache, seinen Rücktritt zum Saisonende bekanntgab. Es brauchte erstens wieder Ruhe und zweitens kurzfristig einen Nachfolger.

Ersteres erledigte man mit einem öffentlichen Rüffel an den Trainer: "Der FC Bayern missbilligt die nun erfolgte einseitige Kommunikation durch Hansi Flick und wird die Gespräche wie vereinbart nach dem Spiel in Mainz fortsetzen", hieß es in einer Stellungnahme des Vorstands.

Nach Nagelsmann-Coup: Der FC Bayern schien für die Zukunft gerüstet

Der Nachfolger sollte Julian Nagelsmann werden. Bereits 2017, zu seiner Anfangszeit bei der TSG Hoffenheim, sagte der damals noch 30-jährige Coach: "Ich bin sehr, sehr glücklich in meinem Leben. Der FC Bayern würde mich noch ein Stück glücklicher machen."

Einer der vielversprechendsten jungen Trainer in Europa, dazu noch Bayern-Fan – und hinter ihm zwei ehemalige Publikumslieblinge. Der Verein schien bestens für die Zukunft gerüstet.

Woran Kahn und Salihamidzic beim FC Bayern scheiterten

Allein die Sache mit dem Schein ist, dass er trügt. Wenige Monate waren die beiden Vorstände Kahn und Salihamidzic im Amt, da standen die nächsten Probleme an: Katar-Deal, wütende Fans auf der Jahreshauptversammlung, die Diskussion um Joshua Kimmichs (nicht erfolgte) Corona-Impfung.

Alles kam auf einmal. Zeitweise musste der eloquente und kommunikationsstarke Nagelsmann die Themen moderieren, obwohl sie weit über seinen Tätigkeitsbereich als Trainer hinausgingen.

Welche Worte sind die richtigen? Hasan Salihamidzic (l.) im Gespräch mit Julian Nagelsmann (r.).
Welche Worte sind die richtigen? Hasan Salihamidzic (l.) im Gespräch mit Julian Nagelsmann (r.). © imago/MIS

Genau dabei zeigte sich die große Schwäche des neuen Vorstands: die Kommunikation. Ein Jahr später galt es, zwischen Manuel Neuers Torwarttrainer Toni Tapalovic und Julian Nagelsmann zu schlichten.

Nicht smart, sondern zu hart: Mit der Tapalovic-Entlassung bröckelt das Bayern-Gebilde

Es endete mit der Entlassung von Tapalovic und einem wütenden wie tief enttäuschten Bayern-Kapitän und damit auch einem großen Einschnitt in der Kabine. "Mein Motto war immer: Smart, aber – wenn es sein muss – hart. In diesem Fall hätte man meiner Meinung nach smart sein können", sagte Uli Hoeneß im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" damals zum Vorfall.

Sein Vorschlag: "Wenn ein neuer und offenbar sehr guter Torwarttrainer kommen soll, dann kann man das schon machen, aber man könnte den Vertrauten von Manuel Neuer trotzdem halten. Dann holt man alle zusammen an einen Tisch und findet eine Lösung. Man hätte Tapalovic zum Beispiel zum Trainer für Manuel Neuers Reha machen können. So hat es aber unnötig Unruhe in den Verein gebracht."

Auch in die Phase kurz vor der 1:2-Niederlage in Leverkusen verpassten es die Bosse, den Verein zusammenzuhalten und mussten, erneut, zum letzten Mittel greifen.

"Ihr müsst darauf achten, dass das sauber abläuft" – Hoeneß' Vorahnung bestätigt sich 

Hoeneß erinnert sich an das Gespräch mit Salihamidzic kurz vor Nagelsmanns Entlassung. Er habe "zwei Dinge gesagt: Erstens, ich denke auch, dass wir kritisch über Julian Nagelsmanns Zukunft reden müssen, aber ich halte den Zeitpunkt zehn Tage vor dem Dortmund-Spiel für falsch. Zweitens: Wenn ihr das partout machen wollt – er sagte: Ja, das wollen wir –, dann müsst ihr darauf achten, dass alles sauber abläuft."

Das war eben nicht der Fall: Nagelsmann bekam sein Aus über die Medien mit. Präsident Hainer, der dem Trainer wenige Tage zuvor noch volle Rückendeckung gab, soll laut Hoeneß überhaupt nicht informiert worden sein. Auf Thomas Tuchels Antrittspressekonferenz wiederholte Salihamidzic mehrmals, dass die Konstellation zwischen Mannschaft und Trainer nicht stimmte, was von zahlreichen Führungsspielern wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Matthijs de Ligt verneint wurde. Auch Yann Sommer sprach sich für Nagelsmann aus. Andere Spieler, wie Jamal Musiala oder Thomas Müller verabschiedeten Nagelsmann via Instagram. Es zeigte sich: So schlecht schien das Verhältnis zwischen geschasstem Trainer und Mannschaft also doch nicht zu sein.

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Als Sky-Experte Lothar Matthäus Oliver Kahn vor dem Spiel gegen Borussia Dortmund (4:2) bezüglich Nagelsmanns Entlassung und vor allem der Art und Weise zur Rede stellte, kam Bayerns Vorstandsvorsitzender gewaltig ins Schlingern und wusste sich nur mit Autorität und einer handfesten verbalen Auseinandersetzung zu helfen.

Laut AZ-Informationen soll das Arbeitsklima unter Kahn so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht, die Stimmung distanziert und abgekühlt gewesen sein. Kahn habe sich größtenteils mit seinen Beratern umgeben und sich vom Großteil der Angestellten abgekapselt. 

Kahn und Salihamidzic machten beim FC Bayern nicht alles verkehrt

Genau hier zeigt sich der Unterschied zu Rummenigge und Hoeneß. Wie der neue CEO Jan-Christian Dreesen hatten sie ihr Bayern-Kapitel bereits geschlossen, mussten nun aber doch einspringen, weil sie die Fähigkeit an Menschenkenntnis und interner wie externer Kommunikation nahezu im Übermaß mitbringen, was sich beispielsweise gleich in Hoeneß' Interview mit der SZ zeigte.

Es ist nicht, als hätten Kahn und Salihamidzic grundsätzlich schlechte Arbeit geleistet. Kahns Strategie "FC Bayern Ahead" beinhaltete viele positive Punkte, wie das Joint Venture "Red&Gold Football" mit dem Los Angeles Football Club, um Talente aus der MLS frühzeitig aufzuspüren.

Salihamidzics Transfers von Alphonso Davies, Jamal Musiala, Mathys Tel, Dayot Upamecano oder Matthijs de Ligt waren absolute Volltreffer, von denen der Verein noch weit über ein Jahrzehnt profitieren kann. Zusammen mit der Neuausrichtung des Campus hat er den FC Bayern bestens für die Zukunft aufgestellt. Es war die Präsentation ihrer Arbeit, an der Kahn und Salihamidzic letztendlich gescheitert sind.

Die Zeit von Hasan Salihamidzic (l.) und Oliver Kahn ist bereits nach wenigen Jahren schon wieder vorbei.
Die Zeit von Hasan Salihamidzic (l.) und Oliver Kahn ist bereits nach wenigen Jahren schon wieder vorbei. © imago/Eibner

Neppe, Lahm, Müller: Wie der FC Bayern seine Zukunft erfolgreich strukturieren könnte

Was sicher ist: Rummenigge, Hoeneß – und auch Dreesen – werden nicht auf ewig ihre Führungspositionen beim Rekordmeister innehaben. Wie also könnte die Zukunft des FC Bayern aussehen? Eine wichtige Personalie könnte Marco Neppe werden. Zusammen mit seinem einstigen Förderer Michael Reschke kam er aus Leverkusen. Trotz des Vorstands-Chaos ist er noch als Ansprechstation für Berater im Verein und soll Vertragsgespräche für Verlängerungen oder Neuzugänge weiter fortführen.

Im Interview mit "Sport1" prognostizierte Reschke Neppe bereits 2021 eine große Zukunft: "Ich bin sicher, dass Marco über kurz oder lang die Position des Sportdirektors bei einem Bundesligisten einnehmen wird." Warum sollte dieser nicht FC Bayern heißen? Unter der Anleitung eines erfahrenen Mannes wie Markus Krösche oder Max Eberl könnte man den erst 36-Jährigen weiter behutsam aufbauen.

Neppe berichtet von erster Musiala-Sichtung

Das Auge für Talente hat er bereits. Weder Chelsea noch der DFB wollten beispielsweise so recht an einen Durchbruch von Jamal Musiala glauben. Neppe tat es – und hätte damit kaum richtiger liegen können.

"Ich kann von meiner ersten Live-Sichtung berichten. Die war im Jahr 2018, ein Turnier in Paris, was jährlich stattfindet, ein Länderturnier. Jamal spielte damals für die englische U16-Nationalmannschaft. Die Eindrücke nach dem Turnier sind relativ schnell zu reduzieren gewesen. Ich kann mich an fast kein Ergebnis mehr erinnern. Ich kann mich nur an zwei Spieler erinnern – und das sehr, sehr genau: Das war damals Jude Bellingham und Jamal Musiala, die in der U16-Nationalmannschaft der Engländer zusammengespielt haben und das war dementsprechend sehr spektakulär", erzählte Neppe in einer Sky-Dokumentation.

Auch in der Beraterszene genießt Neppe hohes Ansehen. Bei (Vertrags-)Gesprächen soll Salihamidzic den emotionalen Part übernommen und Neppe die Konzepte vorgestellt haben.

Ein herausragendes Auge für Talente – und viel Geschick im Gespräch mit Beratern: Der FC Bayern sollte Marco Neppe im Verein halten.
Ein herausragendes Auge für Talente – und viel Geschick im Gespräch mit Beratern: Der FC Bayern sollte Marco Neppe im Verein halten. © imago/Passion2Press

Ein vereinsinterner Kandidat für den Vorstandsposten wäre Philipp Lahm. In München geboren, Jugendspieler des FC Bayern und langjähriger Kapitän. Kommt der Klub irgendwann auf ihn zu, ist es nur schwer vorstellbar, dass er nicht zumindest gesprächsbereit ist.

Nach seinem Karriereende plante Lahm sein Leben als Privatier so langfristig und maßgenau, wie er früher Gegenspieler abgrätschte. Wüsste man nicht, dass er zu den größten Fußballern auf seiner Position gehörte, könnte man meinen, er hätte sein ganzes Leben im Anzug verbracht. Die Heim-EM im kommenden Jahr ist in erster Linie sein Projekt. Mit 39 Jahren ist Lahm nur knapp älter als Neppe und könnte dem Verein viele Jahre weiterhelfen.

Wenn es um Kommunikation geht, hält Thomas Müller sogar mit Hoeneß und Rummenigge mit

Der Dritte, um den sich der FC Bayern für die eigene Zukunft bemühen sollte, ist Thomas Müller. Geht es um Kommunikation, spielt er auf demselben Level, wie Hoeneß und Rummenigge. Müller hat bewiesen, sich in jeder Situation, egal ob tiefste Enttäuschung oder absolute Euphorie, immer wieder zu stellen und dabei auch stets die richtigen Worte zu finden. Selbst, wenn es gar keine sind.

Wie Lahm ist auch Müller ein Eigengewächs und vermittelt in jeder Aussage absolute Authentizität. Dazu hat er das Standing als Weltklassespieler, Weltmeister und mehrfacher Champions-League-Sieger.

Angesichts der Tatsache, dass er von Louis van Gaal, Jupp Heynckes, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti, Hansi Flick, Julian Nagelsmann oder Thomas Tuchel gelernt hat und wiederholt zum "spielenden Co-Trainer" gemacht wurde, wäre es durchaus interessant, Müller irgendwann selbst an der Seitenlinie zu sehen. Menschlich und fachlich bringt er jedenfalls schon jetzt vieles mit.

Der ehemalige Trainer des FC Bayern – mit dem zukünftigen? Thomas Müller (r.) bringt alles mit.
Der ehemalige Trainer des FC Bayern – mit dem zukünftigen? Thomas Müller (r.) bringt alles mit. © imago/Sven Simon

Es ist nicht so, als könnte der FC Bayern den Generationswechsel, weg von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, nicht bewältigen. Er ist ihn vielleicht nur etwas zu früh angegangen...

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