"Gehemmt": Wie Thomas Tuchel beim FC Bayern die Heimblockade lösen will

Ausgerechnet die Mia-san-Mia-Bayern wirkten zuletzt in der Allianz Arena häufig "gehemmt", wie Thomas Tuchel bemerkt hat. Wie der Trainer mit Hilfe von Harry Kane dieses Problem des FC Bayern lösen will.
von  Patrick Strasser
Harry Kanes Tore und Präsenz auf dem Platz sollen den Bayern gerade zuhause wieder das berühmte Mia-san-Mia-Selbstbewusstsein einimpfen.
Harry Kanes Tore und Präsenz auf dem Platz sollen den Bayern gerade zuhause wieder das berühmte Mia-san-Mia-Selbstbewusstsein einimpfen. © imago

München - Harry Kane hätte gerne sofort wieder gespielt, ob Montag oder Dienstag – egal. Der Brite kennt sie bestens, die englischen Wochen und außerdem bietet die bayerische Landeshauptstadt dem Neu-Münchner dieser Tage ein besonderes Schmankerl: Dauerregen. Wonderful!

"Seit ich hier bin, hatte es meist über 30 Grad und Sonne. Es war wirklich schön, mal ein wenig Regen abzubekommen. Das mag ich lieber", sagte der Mittelstürmer nach dem 3:1 im bayerischen Derby gegen den FC Augsburg und meinte mit Sonnenschein-Miene: "Ich habe mich wirklich wie Zuhause gefühlt." Da kommt einem Fritz Walter, der DFB-Kapitän der 54er-Weltmeister, in den Sinn, der ebenfalls Regen liebte. Bundestrainer Sepp Herberger frohlockte unterm Regenschirm stets voller Vorfreude: "S'isch dem Fritz sei' Wetter!"

Zwei Bundesliga-Spiele, drei Tore: Harry Kane startet stark beim FC Bayern

Dem "Harry sei' Wetter" machte Kane happy. Die Folge: Ein Doppelpack beim Heimdebüt, jetzt schon vier Torbeteiligungen in der Bundesliga. Und flugs ist der 30-Jährige erst der dritte Bayern-Spieler der Vereinshistorie, der in seinen ersten beiden Partien drei Mal traf – vor Kane gelang dies nur Gustav Jung (1967) und Adolfo Valencia, genannt "el tren", 1993.

Der letzte Spieler, der beim FC Bayern mit drei Toren in zwei Bundesliga-Spielen startete: Adolfo "El Tren" Valencia. Nun hat Harry Kane diesen Startrekord eingestellt.
Der letzte Spieler, der beim FC Bayern mit drei Toren in zwei Bundesliga-Spielen startete: Adolfo "El Tren" Valencia. Nun hat Harry Kane diesen Startrekord eingestellt. © IMAGO / MIS

"Verrückte Wochen mit speziellen Gefühlen" seien es gewesen, so Kane, der Anfang der Woche zum vierten Mal Vater geworden war. Er genieße "den Moment" und die Bayern genießen es, ihn nun in ihren Reihen zu haben. Der Kapitän der englischen Nationalelf könne "mit Druck umgehen und tut das, wofür wir ihn gekauft haben: die Bälle reinschießen", so Trainer Thomas Tuchel.

Frischer Wind lockert den FC Bayern auf

Für Mittelfeldspieler Leon Goretzka ist Kane ein "Weltklasse-Fußballer und großartiger Typ. Man merkt seine Aura in der Kabine. Er macht was her, überragend." Und kaum feierte der Ü-100-Millionen-Euro-Mann seine Startelf-Premiere in seinem neuen, so hübsch verregneten Zuhause Allianz Arena, da flutschte es bei den Bayern auch wieder in heimischen Gefilden. Ein Erfolg nach zwei Pleiten, jeweils gegen RB Leipzig. Im Mai, am 33. Spieltag, setzte es ein 1:3 und vor zwei Wochen im Supercup eine bittere 0:3-Lehrstunde.

Okay, keine Laufkundschaft, die beflügelten Sachsen. Vor jenen Niederlagen und dem Augsburg-Erfolg lautete die Tuchel-Arena-Bilanz: Sechs Heimspiele, nur drei Siege (darunter mit dem 4:2 über Dortmund, dem Tuchel-Debüt, ein überzeugender; die anderen Pflichtsiege gab es gegen die späteren Absteiger Hertha und Schalke), zwei Remis (gegen Hoffenheim und im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Manchester City) und eine Pleite, die wehtat. Jenes 1:2 gegen SC Freiburg bedeutete das jähe, wie unerwartete Aus im Pokal-Viertelfinale.

"Tun uns schwer": Thomas Tuchel zur "Heimspiel-Blockade" beim FC Bayern

"Es fällt uns schwer, in den Heimspielen so zu spielen, wie wir das eigentlich können", sagte Tuchel am Sonntagabend und verwies auf Auswärtsspiele wie dem 4:0 zum Liga-Start in Bremen oder so manches Testspiel in der Vorbereitung.

Außerdem sei das "tägliche Training top, auf einem sehr hohen Niveau". Wo liegt das Problem? Tuchel: "Wir tun uns schwer, es abzurufen. Es wirkt ein bisschen gehemmt. Wir überlegen zu lange, unser Spiel ist zu fehlerbehaftet, zu langsam. Wir können eigentlich freier, schneller, griffiger nach vorne spielen." Reine Kopfsache? Gar eine "Heimspiel-Blockade"? Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk verneinte Tuchel dies nicht.

Tuchel bleibt zuversichtlich: "Das wird eine gute Geschichte"

Der Erwartungsdruck der Fans scheint die Stars zu lähmen. Bei Rückschlägen, sprich Gegentoren, verlieren sie erst den Kopf, dann – wie im Frühjahr gegen Freiburg und Leipzig – die Führung, schließlich das Spiel. Gegen Augsburg konnte man mal wieder einen Vorsprung ins Ziel bringen.

Ist auch dank Matchwinner Kane die Heimspiel-Blockade nun gelöst? "Wir werden ihn noch mehr finden und mehr Automatismen finden. Dann wird das eine gute Geschichte", hofft der Trainer. Damit das "zarte Pflänzchen" Heimstärke weiter wachse – auch, wenn es mal nicht regnet.

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