Geheimtraining hinter Hecken

Wie Oliver Kahn als Bub sonntags den Papa im Schlosspark quälte. Rolf Kahn musste sonntags raus, Bälle aufs Tor hämmern, weil „Oliver vorwärts kommen" wollte.
von  Abendzeitung
Auf diesem Bild von 1978, es zeigt die E1-Jugend des Karlsruher SC, istOliver Kahn neun Jahre alt - und gerade Meister geworden. Wie später so oft.
Auf diesem Bild von 1978, es zeigt die E1-Jugend des Karlsruher SC, istOliver Kahn neun Jahre alt - und gerade Meister geworden. Wie später so oft. © GES/Augenklick

Wie Oliver Kahn als Bub sonntags den Papa im Schlosspark quälte. Rolf Kahn musste sonntags raus, Bälle aufs Tor hämmern, weil „Oliver vorwärts kommen" wollte.

KARLSRUHE In der Waldstrasse gibt es keine Ruhe. Die Waldstrasse mündet in die Einkaufsmeile Kaiserstraße. 30 Meter davon liegt das Büro von Rolf Kahn. Der Vater von Oliver Kahn kann rüberschauen zu Kunsthalle und Bundesverfassungsericht. Und Rolf Kahn kann rüber zum Schlossgarten schauen, wo alles anfing und der junge Oliver Kahn sein geheimes Training abhielt.

Mit ihm. Er musste sonntags raus, Bälle aufs Tor hämmern, weil „Oliver vorwärts kommen" wollte. Heute, ein paar Tage vor dem Bundesligaabschied, ist es wieder vorbei mit der Ruhe. Alle wollen wissen, wie es anfing. Es scheint nie aufzuhören in diesen Tagen. Keiner scheint zu fragen, wie man mit solch schweren Abschieden umgeht, die tief im Innern die Gefühle toben lassen.

Man nimmt als Vater eines Fußball-Stars wie Oliver Kahn immer mit Abschied. Die ganze Familie. Oliver, der Jüngste, geboren am 15. Juni 1969. Elf Mal spielte Vater Rolf für den KSC, fünf Mal Axel und Oliver 128 Mal. Jemand sagte, es sei der SC Kahn. Da gibt es viele Erinnerungen. Oft sind es die Augenblicke der Anfänge und die aus dem Schlossgarten oder Fasanengarten, der zum Geländer der Uni gehört, gleich hinterm Wildparkstadion, in dem der Karslruher SC zuhause ist, die ins Gedächtnis kommen. Dort spielte Oliver Kahn seit der F-Jugend. Für die wird man mit sechs angemeldet. 1984 reichte dem ehrgeizigen Oliver das Training im Klub nicht mehr.

In der Seminarstrasse wohnten die Kahns damals. Der Fußballvater und die Söhne. Man stieg aufs Rad, oder ging gleich zu Fuß quer durch den Schlossgarten. Bis kurz vor das KSC-Stadion, zu diesem einen Fußballplatz, einem Teil der Parkanlagen rund ums Schloss. „Er wollte, nicht ich", erzählt Rolf Kahn. Papa Kahn hatte wenig Lust, sonntags aufzustehen. Er hatte mit Sepp Maier und Reinhard Libuda einst im DFB-Juniorenteam gespielt, bis zum Muskelriss, der das Ende der Karriere bedeutete.

Das Geheimtraining

Aber Oliver wollte. Geheimtraining, hinter der hohen Mauer. Am Ende eine Buchenhecke. Mehr als zwei Meter hoch. Ein idealer Platz. Es sollte keiner wissen, was sie da treiben, es sollte sich keiner daran stören. Auch Fußballtrainer beim KSC brauchen Pause. Deshalb musste der Vater ran. „Vorsicht eingeschränkter Winterdienst", steht auf dem rostigen Schild neben dem Kahnschen Trainingsplatz. Und: „Privatweg. Frei für Forstbetrieb und Radfahrer." Es war sein Weg. Vom Stadion nur ein Katzensprung, ebenso von der Waldstraße aus. Dem Parkweg hinter dem Schloss folgen, leichte Biegung, gleich danach sieht man die Mauer. Links durchs Gittertor, dann rechts halten. Ein Teil des Unigeländes.

1984. Politisch eine turbulente Zeit. In Stammheim begannen der RAF-Terroristen-Prozesse. Karlsruhe mit seinen hohenn Bundesgerichten spielte immer eine Rolle. Deutscher Meister wurde der VfB Stuttgart, und der 15 Jahre alte Oliver bekam vom Großvater eine Torwartausrüstung. „Kollektion Sepp Maier“, dem Nationaltorwart. Kahn junior wollte das auch einmal werden.

Training mit Überraschungsmomenten

Bald an diesen Sonntagen war auch Vater Kahn wach. Die Luft war noch klar, sie waren angekommen per Rad oder zu Fuß. Dehnen, leichte Bälle. Sie sprachen oft über das, was sein könnte. Ein Investment in die Zukunft. „Training mit Überraschungsmomenten", nennt es Vater Rolf. Ein bis zwei Stunden dauerte es. Fast jedes Mal. Freistöße, Ecken, Flanken. „Sechsmal typisch und einmal anders. Oliver wusste nie, wann das war“, erinnert sich der Vater, der mit seinen Söhnen oft im Urlaub am Lagerfeuer stundenlange Diskussionen um Fußball und das Spielerdasein führte.

So trainierten sie für die große weite Fußballwelt ; vor allem im Kopf. Wie es ist, vor 2000 Menschen zu spielen, vor 20 000 oder 100 000. Es war Training gegen die Bequemlichkeit, eine wichtige mentale Vorbereitung. Das lief so ab: Vater Kahn sagt Sohn Kahn, es gibt keine Ausreden im Tor. Unhaltbare Bälle gibt es nicht. Sie hatten Streit manchmal, weil der Sohn nicht akzeptierte, was der Vater riet. Bequeme Torhüter seien Torhüter, die nicht weit kommen, meinte der „Alte“ zum "Jungen". Oliver Kahn hat dabei besonders gut zugehört.

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