Gefangen im Kampf der Kulturen
Jürgen Klinsmann tritt bei seinem ersten Job als Vereinstrainer auch gegen die alten Werte des FC Bayern an. Wird er daran aufgerieben?
MÜNCHEN In dem Punkt waren sie sich einig. Eine übereinstimmende Schuldzuweisung schweißt ja zusammen. Also immer feste drauf, gemeinsam sind wir fies. Auf den Linienrichter mit Gebrüll. Tatsächlich hatten beide Seiten recht, sowohl Trainer Jürgen Klinsmann als auch das Vorstandsduo Rummenigge/Hoeneß. Es ging um das korrekt erzielte, aber fälschlicherweise aberkannte Tor von Miroslav Klose (13.). Oddos Flanke hatte Kölns Verteidiger McKenna verlängert, nicht Lukas Podolski, der wäre dazu wohl ohnehin nicht in der Lage gewesen. Klose traf im Tiefflug, der Schiedsrichter-Assistent war im Tiefschlaf.
„Arg ärgerlich“, sagte Klinsmann, „das waren fatale Fehler“. „Wir kriegen zum zweiten Mal ein klares Tor nicht“, meckerte Hoeneß und spielte auf das Toni-Tor beim 0:1 in Hamburg an. Schön, so ein gemeinsamer Feind – wenn man ansonsten nicht mehr viele Gemeinsamkeiten hat?
Das 1:2 gegen Köln war für Klinsmann die Krönung einer merkwürdigen, womöglich bald als denkwürdig einzuschätzenden Woche. Ohne Not, aber wohl doch mit Hintersinn, hatte Karl-Heinz Rummenigge den von Klinsmann durchgedrückten Landon Donovan vorzeitig verabschiedet, und das auf der vereinseigenen Homepage. Mehr als ein Leihgeschäft käme mit dem Wunschspieler, den Klinsmann schon bei seinem Amtsantritt im Juli 2008 haben wollte, nicht zustande. Zu teuer – bye, bye.
Womit erstens Testkicker Donovan bis zum 8. März jegliche Motivation fehlen dürfte und zweitens, viel schwerwiegender, ins Klinsmanns Kernkompetenz eingegriffen wurde. Woher die Unstimmigkeiten? Klinsmann betonte am Sonntag im „DSF“: „Das ist eine komplette Fehleinschätzung. Es ist alles abgesprochen gewesen.“ Dennoch: Der Coach wollte Donovan Zeit geben, weitere Chancen. Der Vorstandsboss wollte dem Coach ein Signal geben: Mit uns nicht! Hier entscheiden schon noch wir, der alte FC Bayern. Der FC Hoeneß/Rummenigge. Ein Duo, das den Verein seit Jahren prägt und führt.
Sie sind Bayern. Auch wenn sie nicht immer auf einer Linie sind, schon gar nicht auf einer Wellenlänge sind, dennoch stehen sie für ihre Werte ein. So ist Klinsmann gefangen im Kampf der Kulturen.
Begeistert waren sie von Klinsmann, dem Trainer der Moderne, der alles umkrempelte. Das Leistungszentrum, das Training, das Spielsystem, am wichtigsten: Die Denke. Rummenigge feierte sich für seine – an Weihnachten 2007 völlig überraschende Idee – den Wahl-Kalifornier zu einem zweiten Engagement an der Säbener Straße zu überreden.
Im Herbst war es der eher skeptische Hoeneß, der Klinsmann ganz väterlich zu mehr Schlaf und Entspannung riet, dem Coach nebenbei in Sachen Personal etwas auf die Sprünge half. Nun aber ist es Rummenigge, der Klinsmann trotz eines Zweijahresvertrages bis 2010 ganz deutlich zu verstehen gab: Abgerechnet wird bereits 2009. „Entscheidend ist immer das Sommerzeugnis“, sagte Rummenigge. Das war vor dem 1:2 gegen Köln. Hinter meinte er: „Ich hoffe, dass wir unsere Ziele mit Jürgen erreichen. Das wäre schön.“
Ende 2009 will Hoeneß seinen Job als Manager aufgeben, in den Aufsichtsrat wechseln, der Verein sortiert sich neu, auch die Kompetenzen. Darin könnte sich Klinsmann aufreiben – oder aufgerieben werden. Befürchtet er Schlimmstes? Klinsmanns Antwort: „Ich habe in keinster Weise Angst um meine Position.“
Patrick Strasser