Was fehlt den Bayern-Frauen noch für ganz oben?

München - Wieder enteilt das Wolfsrudel. Wieder hat es für die Bayern nicht gereicht im Topspiel. Da stellt sich natürlich die Frage: Was machen die Mädels aus der Autostadt besser als der FC Bayern? Frag nach bei Verena Schweers. Die ehemalige Nationalspielerin war sechs Jahre in Wolfsburg aktiv und wechselte 2016 nach München, wo sie bis zu ihrem Karriereende vor zwei Jahren spielte.
In der AZ erklärt sie, was die Wölfinnen aktuell noch besser machen als die Konkurrenz aus München.
Das Personal
Wolfsburg glänzte beim 2:1-Heimerfolg im Bundesliga-Topspiel als Team und hatte zudem noch an diesem Tag die besseren Einzelspielerinnen. Für Schweers besonders entscheidend: Lena Lattwein und Lena Oberdorf. Beide Wölfinnen zeigten viel Tempo im Vorwärtsgang und waren zudem stets noch für eine kreative Idee nach vorn zu haben. Ebenfalls auf Schweers Hitliste: Alex Popp. Die Stürmerin spielte zwar nicht auf ihrer Lieblingsposition im Sturmzentrum, sondern auf dem linken Flügel, doch sie sei "immer gefährlich" gewesen.
Anders bei Bayern: Hier will die 43-malige DFB-Akteurin keine Spielerin hervorheben. Alle wüssten, dass sie nicht ihre beste Leistung gezeigt haben. Die aggressiv spielende Georgia Stanway, die nach einem harten Foul gegen Popp verwarnt wurde, fiel ebenso wenig spielerisch auf wie die zuletzt formstarke Linda Dallmann.
Hinzu kommt: "Wolfsburg hat aktuell den besseren Kader als der FC Bayern", sagt Schweers. "Gerade durch die Langzeitverletzungen von Gwinn und Glas haben sie eine bessere Kadertiefe."
Auch Sidney Lohmann, die den Bayern-Frauen kurzfristig fehlte, könne öfter den Unterschied mit ihren Aktionen machen. Im Hinblick auf die Dreifachbelastung aus Bundesliga, Champions League und Pokal ergibt sich eine echte Herausforderung für die Münchnerinnen.
Die Mentalitätsfrage
Ein Mentalitätsproblem habe der FC Bayern nicht, sagt Schweers. Die 33-Jährige erkennt ein anderes Dilemma: "Wenn es den Bayern öfter gelungen wäre, sich wie bei der Entstehung des Tores zielstrebig durchzukombinieren, hätte das Ergebnis knapper oder anders ausgehen können", sagt sie. "Diese Klarheit hat mir aber gefehlt." Übersetzt bedeutet das: Den Bayern-Frauen fehlte es an konkreten, zielgerichteten Aktionen im Spiel nach vorne. Für Schweers war es schlicht "zu wenig. Der Kraftakt kam zu spät."
Beim VfL Wolfsburg habe man hingegen gesehen, mit welch großem Selbstvertrauen sie in das Duell gegangen seien und dass sie eine klare Strategie für den Ligagipfel hatten. Gerade gegen die europäischen Topteams sei dies essenziell.
Der Saisonausblick
Wolfsburg hat fünf Punkte Vorsprung vor Bayern. Eintracht Frankfurt steht auf Rang zwei, Bayern ist Dritter. Für Schweers ist Wolfsburg weiterhin "erster Meisterkandidat". Die Qualität im Kader und auf dem Rasen mache den Unterschied, obwohl es der "Anspruch des FC Bayern" sei, oben mitzuspielen. Die Mannschaft von Alexander Straus sieht Schweers in der aktuellen Saison (noch) hinter den Wölfinnen. Mit dem neuen Trainer müsse sich das Team erst einspielen, Mechanismen müssten sich in der Zusammenarbeit mit dem Norweger erst herausbilden.
Um noch eine Chance auf den Titel zu haben, muss Bayern auf Ausrutscher des VfL hoffen. Die mittelfristige Zukunftsprognose von Schweers für die Münchnerinnen ist dennoch bestens: "Ich bin mir sicher, dass der FC Bayern in den nächsten Jahren erfolgreich sein wird."