Lea Schüller im AZ-Interview: "Mit Bayern sind immer alle Träume möglich"
AZ-Interview mit Lea Schüller: Die deutsche Nationalspielerin ist seit 2020 beim FC Bayern aktiv. Am Mittwoch geht es in der Champions League gegen Barcelona.
AZ: Frau Schüller, der FC Bayern steckt mitten in englischen Wochen mit einigen Auswärtsspielen, dem Highlight gegen den FC Barcelona. Wie nehmen Sie die Zeit wahr?
LEA SCHÜLLER: Barcelona war ein Highlight-Spiel, da nimmt man schöne Erinnerungen und wertvolle Erfahrungen mit: Aus dem 0:3 werden wir die richtigen Schlüsse für das Spiel in die Allianz Arena ziehen. Das war lehrreich für unsere Entwicklung. Danach hatten wir zwei Tage frei, dann ging es weiter. Vor allem mit unserer Verletzungshistorie ist es gerade ein forderndes Programm. Aber ein Ende ist mit der Winterpause in Sicht - und die Rekordkulisse in der Allianz Arena wird uns noch einmal einen Schub geben, für Barcelona und den Jahresausklang insgesamt.
"Für mich ist Barcelona die beste Mannschaft Europas"
Bis dahin sind es noch vollgepackte, kalte Wochen für den FC Bayern.
Ich hoffe, dass die Kälte im Spiel gegen Barcelona für uns spricht. Das sind die Spanierinnen nicht gewöhnt. Wir haben in Barcelona bei knapp 20 Grad gespielt!
In Barcelona war die erste Hälfte richtig gut. In der zweiten fielen in 20 Minuten drei Tore. Was hat Barça besser gemacht als Bayern?
In der ersten Halbzeit haben wir weniger Fehler gemacht als in der zweiten, in der wir gnadenlos bestraft wurden. Beim dritten Tor zum Beispiel waren wir vorn im Pressing, hatten sie an der Eckfahne und haben sie rauskommen lassen. Für mich ist Barcelona die beste Mannschaft Europas.
"Aber auch wir entwickeln uns ständig weiter"
Was fehlt dem FC Bayern noch bis dahin?
Barcelona spielt mit einer unfassbaren Ruhe, und sie haben immer Überzahl auf dem Feld, defensiv und offensiv. Offensiv gibt es immer jemanden zum Anspielen. Sie spielen viel zwischen den Reihen und sind beim Gegenpressing sofort da. So können sie leicht den Ball zurückerobern. Barcelona ist eine spielstarke Mannschaft, von der man sich einiges abschauen kann. Aber auch wir entwickeln uns ständig weiter - und im Sommer haben wir sie auch schon 2:1 geschlagen. . .
"Wir sind noch in jedem Wettbewerb dabei...alles andere kommt mit der Zeit"
Trainer Alexander Straus beklagt, dass man die Chancen nicht effizient nutzt.
Wir sind leider noch zu oft ineffizient, das stimmt. Man hat das auch gegen Essen gesehen. Wir hätten mehr Tore erzielen müssen, unser 2:0-Sieg sagt zu wenig über unsere Dominanz aus.
Letzte Saison waren Sie Torschützenkönigin. Aktuell treffen Sie nicht so häufig. Was ist dieses Jahr anders?
Ich komme aktuell zu selten überhaupt in die Situation, ein Tor zu machen. Aber ich stresse mich da jetzt nicht. Die vergangene Saison war zwar erfolgreich, aber ich persönlich war trotzdem nicht ganz mit mir zufrieden. Wir wollen uns alle noch weiter steigern, und wir sind noch in jedem Wettbewerb dabei. Das soll so bleiben. Alles andere kommt mit der Zeit.
"Ich habe das Gefühl, bei Bayern noch viel mehr erreichen zu können"
Sie haben kürzlich Ihren Vertrag verlängert. Warum weiter in München - und nicht ein europäischer Spitzenverein?
Der FC Bayern ist ein europäischer Topklub, zumindest schließen wir die Lücke kontinuierlich. Und die ersten beiden Jahre hier waren nicht einfach für mich. Ich habe das Gefühl, bei Bayern noch viel mehr erreichen zu können. Wir sind einmal Meister geworden, damit wollen wir uns nicht zufriedengeben. Ich fühle mich sehr wohl in München und mit der Mannschaft.
Bayern als Champions-League-Sieger?
Sie haben erzählt, die ersten beiden Jahre waren nicht ganz einfach. Möchten Sie erklären, warum?
Im ersten Jahr, dem Corona-Jahr, war ich körperlich nicht ganz fit und hatte einen kleinen Hänger. Das nächste Jahr war ein Auf und Ab. Ich habe zwar viele Tore gemacht, aber in wichtigen Spielen nicht oder auf einer anderen Position gespielt.
Wann ist es realistisch, dass Bayern die Champions League gewinnt?
Wenn wir es in dieser Saison schaffen würden, wäre das eine Überraschung. Aber wir arbeiten konzentriert - und mit dem FC Bayern sind immer alle Träume möglich.

"Dann wird einem bewusst, dass man für viele ein Vorbild ist"
Der EM-Hype äußert sich durch mehr Zuschauer in den Stadien. Bekommen Sie ihn auch anders mit?
Wir bekommen mehr Fanpost. Man wird öfter erkannt, vor allem direkt nach der EM war es sehr ausgeprägt. Aber es ist immer noch nicht so, dass mich jeder Zweite anspricht.
Finden Sie es denn cool, wenn Sie angesprochen werden?
Ich werde oft von Kindern angesprochen, das finde ich cool. Dann wird einem bewusst, dass man für viele ein Vorbild ist. Die Kinder freuen sich, mich zu sehen - und das freut mich dann gleichermaßen.
Schüller: "Am Ende muss jeder selbst entscheiden, ob er sich äußert oder nicht"
Bei der WM in Katar ging es viel um die One-Love-Binde. Sie haben gesagt, Sie hätten sich gefreut, wenn die deutschen Nationalspieler anders gehandelt hätten. Haben Sportler eine politische und gesellschaftliche Verantwortung?
Da wir Sportler Personen des öffentlichen Lebens sind, werden wir entsprechend wahrgenommen und gehört. Am Ende muss jeder selbst entscheiden, ob er sich äußert oder nicht.
Also hätten Sie auch nichts dagegen, das Sponsoring mit Katar zu kündigen, wie Leon Goretzka es gesagt hat?
Das habe nicht ich zu entscheiden.
"In diesem Punkt sind wir sicher ein ganzes Stück weiter"
Schauen Sie die WM?
Um ehrlich zu sein, nein. Ich habe kein großes Interesse daran.
Bei der Frauen-EM im Sommer waren politische und gesellschaftliche Themen wie Homosexualität oder Menstruationsbeschwerden nicht tabu. Sind die Frauen den Männern da voraus?
Der Umgang im Frauenfußball mit Homosexualität ist seit Jahren ein anderer, von daher sind wir in diesem Punkt sicher ein ganzes Stück weiter.
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