Fifa-Schiedsrichterin Franziska Wildfeuer im AZ-Interview: "Mir egal, ob ich ein Frauen- oder Männerspiel pfeife"

Fifa-Schiedsrichterin Franziska Wildfeuer spricht in der AZ über die Qualität der deutschen Schiedsrichterinnen.
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Franziska Wildfeuer bei einem Spiel des SC Verl gegen die SV Elversberg.
Franziska Wildfeuer bei einem Spiel des SC Verl gegen die SV Elversberg. © imago/Dünhölter SportPresseFoto

Männliche Schiedsrichter für die Frauen-Bundesliga? Die Forderung kam erst vor ein paar Tagen vom Sportlichen Leiter der Nürnberg-Frauen, Osman Cankaya. „Wir sind an einem Punkt, an dem die jetzige Situation im Schiedsrichterinnen-Bereich der Google Pixel Frauen-Bundesliga nicht mehr hinzunehmen ist“, sagte er in einem Statement. Auch Bianca Rech, Leiterin Frauenfußball beim FC Bayern, stellte kürzlich im "kicker" die Forderung nach männlichen Unparteiischen in der Frauen-Bundesliga.

Die Niederbayerin Franziska Wildfeuer (30) pfeift seit sechs Jahren in der Frauen-Bundesliga und ist seit drei Jahren Fifa-Referee. In der AZ spricht sie über die Qualität im deutschen Schiedsrichterwesen und darüber, was man verbessern könnte.

Frau Wildfeuer, auch in der laufenden Saison der Frauen-Bundesliga gibt es Diskussionen über Fehlentscheidungen von Schiedsrichterinnen. Wieviel bekommt man von falschen Entscheidungen der Kolleginnen mit?

Natürlich bekommt man das mit, da über Fehlentscheidungen natürlich berichtet wird.  Strafstöße, Rote Karten und Fouls im Zusammenhang mit einem Tor stehen häufig im Fokus. Wir Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter stehen im ständigen Austausch untereinander und lernen an den positiven wie negativen Beispielen und Entscheidungen. Wir reflektieren: Woran lag es? War die Entscheidung wirklich falsch? Natürlich kommunizieren wir und haben Online-Kurse, in denen Entscheidungen dargelegt und besprochen werden. Klar geht es darum, wie wir solche Fehler vermeiden können. Wir müssen in jedem Spiel so viele Entscheidungen treffen und manchmal haben wir nur Millisekunden Zeit. Aber jeder Mensch macht Fehler. Jeder Schiedsrichter und jede Schiedsrichterin hat den Anspruch, keine Fehler zu machen.

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Wie bilanzieren Sie die Schiedsrichter-Leistungen in der bisherigen Saison?

Wir hatten kürzlich unseren Winter-Lehrgang und haben darin resümiert, dass wir grundsätzlich mit den Spielleitungen zufrieden sind. Das wurde uns auch widergespiegelt. Aber natürlich gab es auch bei mir ein, zwei Situationen, bei denen ich sage, ich hätte im Nachhinein besser anders entschieden. Dadurch, dass der Frauenfußball immer größer wird, steigt auch das mediale Interesse und über Fehlentscheidungen wird häufiger berichtet. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass unsere Leistung besser wird. Wir sind athletischer und die Qualität der Entscheidungen steigt.

Warum gibt es eine Qualitätsdiskussion?

Auch die Vereine arbeiten inzwischen mit Videoscouts und setzen sich noch mehr mit der Schiedsrichterinnenleistung auseinander. Das ist wichtig. Denn wir sollten doch beide sagen: Wir machen den Fußball besser. Wenn es unterschiedliche Ansichten gibt, müssen die Vereine mit uns Schiedsrichterinnen sprechen. Letztes Jahr hatten wir einen Vortrag von Britta Carlson, der Co-Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft, die uns ihre Sicht auf die Schiris gezeigt hat. Wir kamen in einen super Austausch, von dem wir lernen konnten und in dem wir auch ihr Dinge erklären konnten.

Über welche Themen sollten sich Schiedsrichter und Vereine austauschen?

Ich hatte zum Beispiel mal einen super Austausch mit Kim Kulig, damals noch beim VfL Wolfsburg, über unser Stellungsspiel und das Wolfsburger Spiel bei einer Ecke.  Wenn der Trainer vor dem Spiel zu uns kommt und uns taktisch etwas zum Spiel sagt, können wir uns darauf vorbereiten.

"Wunsch wäre, dass sich Liga- und Vereinsverantwortliche und Schiris austauschen"

Also sollten Vereine und Schiedsrichter mehr miteinander kommunizieren, um sich in den jeweils hinein versetzen zu können?

Mein Wunsch wäre, dass sich Liga- und Vereinsverantwortliche und Schiris austauschen, vor allem über Themen, die unter den Nägeln brennen. Es sind ja nicht nur die Fehlentscheidungen, sondern auch andere Dinge, die man verbessern kann. Aus den Beispielen, die ich genannt habe, konnte ich viel mitnehmen. Dass wir etwa auch beim Aufwärmen beobachtet werden oder dass es wichtig ist, wo und wie der Einwurf ausgeführt wird.

Wie sieht der Austausch aus – mit den Beobachtern, aber auch mit Vereinsverantwortlichen?

Wir tauschen uns sehr viel untereinander aus: unter den Schiedsrichterinnen, den Schiri-Verantwortlichen im Kompetenzteam und mit den Schiri-Beobachtern. Da sprechen wir über getroffene Entscheidungen und die Regeln dazu und diskutieren, was richtig und falsch ist und was man besser machen kann. Einen Austausch mit den Vereinen nehme ich wenig wahr. Das passiert situativ, aber selten, dass man nach dem Spiel nochmal über einzelne Situationen spricht. Es gibt Ausnahmefälle, in denen ein Trainer kommt und mich anspricht. Aber das würde ich mir mehr wünschen. Denn als Trainer oder Vereinsverantwortlicher hat man doch auch manchmal eine andere Perspektive.

Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, zuletzt von Bianca Rech, warum nicht auch Männer in der Frauen-Bundesliga pfeifen. Umgekehrt pfeifen Sie ja auch Spiele bei den Männern. Wie finden Sie den Vorschlag? 

Die Schiris müssen dem jeweiligen Kader der Liga angehören. Das ist für mich das oberste Ziel, dass ich als Schiedsrichterin der Frauen-Bundesliga nominiert bin. In der Women’s Champions League pfeifen beispielsweise auch nur Frauen. Ich als aktive Schiedsrichterin der Frauen-Bundesliga konzentriere mich auf meine Leistung und bin sehr froh, dass ich in der höchsten Spielklasse der Frauen pfeifen darf.

Frauen- oder Männerfußball: "Rein vom Pfeifen gibt es keine Unterschiede"

Sie dürfen bei den Frauen und bei den Männern pfeifen. Gibt es Unterschiede dabei? Wo pfeifen Sie lieber?

Es ist mir egal, ob ich ein Frauen- oder Männerspiel pfeife, da ich erst einmal sehr gern Schiedsrichterin bin. Es gibt ja offensichtlich körperliche Unterschiede zwischen Mann und Frau, die sich in der Spielgeschwindigkeit äußern. Rein vom Pfeifen gibt es keine Unterschiede. Ich mag es gern, Teil des Spiels zu sein, egal, ob Männer oder Frauen auf dem Platz stehen.

Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter müssen neben dem Fachwissen Eignungstests bestehen, die ihnen bescheinigen, dass sie körperlich mithalten können mit den Spielerinnen und Spielern. Welche Rolle spielen diese Tests, wenn es um die Qualität geht?

Die Tests sehe ich nicht als Problem. Im Gegenteil: Mit Athletiktrainern arbeiten wir stetig daran, dass die Tests dem entsprechen, was wir auf dem Platz abrufen müssen. Es geht um Professionalisierung im Frauenfußball. Im Schiedsrichterinnenwesen ist das ein mittel- und langfristiger Prozess. Es geht um Fragen wie: Wie viel verdienen wir pro Spiel? Die meisten von uns arbeiten in Vollzeit neben der Schiedsrichterei, sind Mütter. Das ist das Ziel des DFB, dass mehr Frauen im Fußball tätig sind. So wollen auch wir uns die Schiedsrichterei zum Beruf machen.

Also müssten die Bedingungen verbessert werden für die Schiedsrichterinnen?

Je mehr Zeit man in etwas stecken kann, desto besser wird man. Das ist für mich und meine Kolleginnen eine Herausforderung, alles unter einen Hut zu bekommen. Je höher die Aufwandsentschädigung, desto mehr kann man seinen Hauptberuf reduzieren und sich weiterbilden, man kann noch mehr trainieren, sich noch mehr vorbereiten.

"Wollen alle, dass der Frauenfußball attraktiver wird"

Auch Sie haben einen sehr vollen Alltag. Haben sich die Bedingungen in den vergangenen Jahren denn schon verbessert?

Der Aufwand, den wir aktuell betreiben, ist mehr als vor sechs Jahren, als ich als Frauen-Bundesliga-Schiedsrichterin angefangen habe. Damals hatte ich noch nicht meine Puls-Uhr und meine Trainingsdaten, die ich in eine App hochlade oder Trainingspläne, die ich versuche, jeden Tag zu absolvieren. Da hat sich viel verändert, auch im Gleichschritt mit dem Frauenfußball. Wir wollen alle, dass der Frauenfußball attraktiver wird, und wir sind alle ein Teil dessen. Wir sind nicht das Team Schiedsrichterin, sondern wir sind Teil des gesamten Prozesses.

Der Wunsch, den Video Assistant Referee (VAR) auch im Frauenfußball einzusetzen, wird immer wieder laut. Würden Sie das begrüßen?

Es ist kein Geheimnis, dass der VAR in der Frauen-Bundesliga im Gespräch ist und dass geprüft wird, ob man den VAR realisieren kann. Ich denke, das ist ein mittel- oder langfristiges Ziel. Bei manchen Vereinen ist die Voraussetzung schon gegeben, bei anderen müssten die Strukturen angepasst werden. Im internationalen Frauenfußball gibt es den VAR schon, deshalb beleuchten wir das Thema immer wieder.

Es ist immer wieder die Rede davon, dass es keine deutsche Spitzenschiedsrichterin mehr gibt. Auf welchem Niveau sehen Sie die deutschen Schiedsrichterinnen?

In den vergangenen Jahren hat sich schon sehr viel verbessert, vor allem die Rahmenbedingungen und die Aufwandsentschädigung. Im Vergleich mit anderen Ländern sehe ich uns auf einem sehr guten Weg. Nichtsdestotrotz gibt es Stellschrauben, an denen man drehen kann. Wenn dann noch ein paar Dinge dazukommen, wie ein Austausch mit den Vereinen, dann sind wir sehr gut aufgestellt.

Ist also der Austausch die wichtigste Stellschraube?

Nein, es ist ein Zahnrädchen, das andere Prozesse in Gang setzen kann. Das ist keine Einbahnstraße, von der nur die Schiedsrichterinnen profitieren, auch die Vereine und Spielerinnen können davon vieles mitnehmen.

Was gehört sonst noch dazu?

Die Vereine und Schiedsrichterinnen sollten im ständigen Austausch bleiben, noch enger zusammenarbeiten und auch auf andere Länder schauen. Auch das Thema VAR wird uns sicher nach vorn bringen.

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