Ex-FC-Bayern-Spielerin Marina Hegering im AZ-Interview: "Immer noch genügend Spielerinnen, die nebenher arbeiten müssen"

AZ: Sie sind mit Achillessehnenproblemen von der Nationalmannschaft abgereist. Wie geht es Ihnen?
MARINA HEGERING: Mir geht es gut, es ist Ruhe eingekehrt, von daher freue ich mich auf die Trainingseinheiten, die noch anstehen. Aber wir müssen schauen, wie es bis Sonntag geht.
Wie haben Sie die Tage mit der Nationalmannschaft erlebt?
Grundsätzlich ist Horst Hrubesch ein super Typ, ist lustig, aber auch fordernd. Das haben wir schon nach den ersten Ansagen gemerkt. Er ist klar strukturiert, aber hat auch eine gewisse Leichtigkeit, weil er vieles mit Humor untermauert. Wir haben sechs Punkte aus den zwei Spielen geholt, also das Maximale herausgeholt, was wir herausholen konnten.
Mit wie viel Zuversicht schaut die Mannschaft auf das Ziel Olympia-Teilnahme?
Es ist absolut erklärtes Ziel. Mit den sechs Punkten sind wir gut dran, haben die Basis gelegt, dass wir gegen Dänemark ein richtiges Endspiel haben. Das wird über die Zukunft entscheiden, aber das ist ja noch ein paar Wochen hin.
Vorher steht das Topspiel gegen den FC Bayern an. Welche Verbindung haben Sie noch nach München?
Ein paar Spielerinnen spielen noch dort, von daher gibt es noch Verbindungen. Aber ich glaube, ich habe inzwischen bei fast jedem Verein Verbindungen (lacht). Das ist das normale Geschäft. Am Sonntag auf dem Platz gibt es keine Freundschaften, wie man so schön sagt, aber darüber hinaus habe ich noch gute Erinnerungen an München.
Der FC Bayern und Wolfsburg sind seit Jahren die Topteams, dazu gibt es noch einen erweiterten Kreis an guten Mannschaften. Wie schätzen Sie das Niveau der Liga ein?
Das Niveau ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Es ist möglich, die großen Mannschaften zu schlagen, das ist kein Selbstläufer mehr für Wolfsburg und Bayern. Nichtsdestotrotz bin ich mit dem Saisonstart unserer Mannschaft weitgehend zufrieden.
Wen zählen Sie zu den Teams, die Wolfsburg und Bayern schlagen können? Freiburg hatte Bayern ein Unentschieden abgerungen, Hoffenheim Wolfsburg…
Freiburg hat im ersten Spiel gegen Bayern unentschieden gespielt und danach eher unglücklich ausgesehen. Das ist eine junge Mannschaft, mit der viel passieren kann im Laufe einer Saison. Ich zähle Hoffenheim und Frankfurt zu den Anschlussmannschaften, die an Wolfsburg und Bayern aufschließen wollen. Frankfurt hat die Champions-League-Qualifikation geschafft, da wird man sehen, wie sie mit der Dreifachbelastung umgehen. Das ist sicher eine neue Situation für sie. Es wird auf jeden Fall spannend.
Wolfsburg hat die Champions-League-Qualifikation nicht geschafft. Ein Vorteil für euch in der Bundesliga?
Wir sind natürlich nicht glücklich darüber, aber ich glaube, wir haben beim 2:2 gegen Hoffenheim eine Antwort gegeben. Wir haben mehr Zeit, um uns auf die Liga und den Pokal zu konzentrieren als Bayern und Frankfurt. Trotzdem bleibt es ein offener Wettkampf, abgerechnet wird am Ende.
Was hat Wolfsburg dem FC Bayern voraus?
Aktuell zwei Punkte.
Das Interesse an der Frauen-Bundesliga ist gestiegen, mit dem neuen TV-Vertrag schauen noch mehr Menschen zu, es fanden wieder Spiele in großen Stadien statt. Wie nehmt ihr das Interesse wahr?
Die TV-Zuschauer nehmen wir auf dem Platz nicht wahr (lacht). In den Stadien sind die Zuschauer schon merklich mehr geworden. Ich glaube aber nicht, dass das am TV-Vertrag liegt, sondern, dass es immer noch die Folgen der Euro vom letzten Jahr sind. Wir haben seit letztem Jahr gemerkt, dass der Zuschauerandrang insgesamt viel größer war, die Autogrammwünsche nach den Spielen sind mehr geworden. Das ist spürbar und wird uns helfen, den Frauenfußball im Gespräch zu halten.
Was würden Sie sich noch wünschen bei der Entwicklung im Frauenfußball?
Grundsätzlich bewegen wir uns schon gut vorwärts. Der TV-Vertrag kommt uns zugute. Die Anstoßzeiten der Nationalmannschaft liegen uns einfach viel besser, weil nicht unter der Woche um 14 oder 16 Uhr angepfiffen wird, wenn ganz Deutschland noch arbeitet. Wir hoffen, dass durch die gestiegene Aufmerksamkeit noch immer mehr Sponsoren aufmerksam werden, dass mehr Gelder verfügbar sind, dass die Gelder in den Vereinen ankommen, sodass die Spielerinnen der Erstliga-Mannschaften professionelle Spielerinnen sein können. Es gibt immer noch genügend Spielerinnen, die nebenher arbeiten gehen müssen.
Sie spielen seit 16 Jahren in der Bundesliga. Hatten Sie damals eine Vorstellung davon, wie sich der Frauenfußball in Deutschland entwickeln könnte?
Früher war es einfach so, dass man zur Schule gegangen ist, studiert oder gearbeitet hat. Damit ist man groß geworden und hat gar nicht darüber nachgedacht, dass es auch anders sein kann. Von daher haben sich die Bedingungen positiv entwickelt.
Wer gewinnt das Topspiel am Sonntag?
Natürlich wir.
Und wer wird Meister?
Auch wir. Das ist unser klares Ziel