Franz: Ballbesitz - wie langweilig!
Weitschussverbot von Pep Guardiola? Franz Beckenbauer kritisiert die Spielweise des FC Bayern München: "Auf der Torlinie noch den Ball rückwärts spielen!" Guardiola reagiert gelassen.
München - Das Tor musste er machen. Fünf, sechs Meter vor dem Tor, Mittelstürmerposition. Bastian Schweinsteiger verlud Arsenal-Torwart Lukasz Fabianski und traf zum 1:0 gegen die Engländer. Draußen jubelte Pep Guardiola vor der Ersatzbank. Alles paletti.
Wenig später versuchte es Schweinsteiger, zur Erinnerung: kein Mittelstürmer, sondern Mittelfeldspieler, zwei Mal aus der Distanz. Doch auf dessen Weitschüsse reagierte sein Trainer an der Linie ziemlich pikiert, ja angefressen, und rief Belehrungen aufs Spielfeld.
Danach spielten die Bayern umständlich, das Publikum murrte, weil es den Anschein hatte, die Mittelfeldakrobaten wollten den Ball ins Tor tragen. Und Vizekapitän Schweinsteiger verkniff sich fortan Distanzschüsse.
Nach Ende der Partie, in der Schweinsteiger-Kumpel Lukas Podolski noch das 1:1 erzielt hatte, wurde Bayerns Mittelfeld-Chef in der Live-Schalte ins "Sky"-Studio auf ein eventuelles Weitschussverbot seitens Guardiola angesprochen.
Schweinsteiger überlegte lange, sprach davon, dass er auch hätte abspielen können und erklärte: "Im Spiel gibt es Situationen, da muss man tun, was man als Erstes in der Szene im Kopf hat."
Aber er habe sich eben entschieden, zu schießen. Schließlich ist es ja auch unwidersprochen so, wie es Schweinsteiger abschließend formulierte: "Wenn der Ball reingegangen wäre, wäre er (Guardiola, d. Red.) sicher auch zufrieden gewesen."
Unterm Strich: Weitschussverbot? Kein Ja, kein Nein. Im Anschluss an die Live-Schalte wurde Studiogast Franz Beckenbauer zur Causa gefragt.
Der Ehrenpräsident antwortete: "Also ich bin da anderer Auffassung. Wenn ich die Chance habe, aus der zweiten Reihe zu schießen, vor allem gegen eine massierte Abwehr, dann muss ich sie nutzen. Das ist ein probates Mittel. Ich gebe dem Spieler hundertprozentig Recht."
Und plötzlich wurde Beckenbauer dann noch grundsätzlich: "Ja, wenn das die Philosophie ist, dann werden wir noch unsere Freude haben. Dann werden sie wahrscheinlich irgendwann so spielen wie Barcelona, wo du nicht mehr hinschauen kannst, weil sie auch auf der Torlinie den Ball noch rückwärts spielen."
Nur Ironie oder sogar Häme für die Spielweise des FC Bayern? Seit Amtsantritt im Juni 2013 hat Pep Guardiola daran gearbeitet. Er will Ballbesitzfußball, die totale Spiel- und Gegnerkontrolle durch das Schaffen von Überzahlsituationen im Mittelfeld. Noch ein Pass und noch ein Pass und noch ein Pass. Bis die Lücke da ist und der Gegner mürbe gespielt.
Mit dieser Philosophie gewann Guardiola von 2008 bis 2012 sagenhafte 14 Titel mit dem FC Barcelona. Mit Bayern hatte Pep vor dem 1:1 gegen Arsenal 24 der letzten 25 Spiele gewonnen. Rekorde gehen mit innovativer Spielweise einher.
In der Bundesliga kurz vor der Ziellinie zur Meisterschaft mit 22 Siegen aus 24 Partien, im Pokal-Halbfinale sowie im Viertelfinale der Champions League – und doch umständlich, wie Beckenbauer meint?
"Wir haben sehr, sehr intelligent gespielt. Wir wollten die Spielkontrolle – und die hatten wir", sagte Guardiola und erklärte: "Wir haben in der ersten Halbzeit nur eine Chance für Arsenal zugelassen, sonst war da nichts. Gut, wir warten, aber die warten auch. So passiert nichts. Aber wir sind zufrieden, wir sind weitergekommen. Alles gut."
Doch so scharf hatte noch niemand den Bayern-Trainer samt seiner Philosophie angegangen. Guardiola wird gelassen auf die Beckenbauer-Sätze reagieren, routiniert nur erwähnen, dass der ja "eine Klub-Legende" sei. Geschickt.
"Die Mannschaft marschiert weiter", sagte Kapitän Philipp Lahm, und Thomas Müller fand: "Morgen interessiert das Wie keinen mehr." Eher der Viertelfinal-Gegner, der den Bayern am 21. März zugelost wird.
Da ist Beckenbauer sogar Barça, das Pep-Ideal, lieber als Real Madrid. "Sie sind individuell so stark. Sie haben Ronaldo, Benzema und und und. Sie sind die Einzigen, die – im Moment – die Bayern gefährden können."