Franck Ribéry und die Sehnsucht nach Ottmar Hitzfeld
Nach seinen beiden Treffern schwärmt der Franzose vom Trainer. Allerdings von seinem früheren. Und während er mit van Gaal weiter über Kreuz liegt, sagt der Ex: „Franck braucht Streicheleinheiten."
MÜNCHEN Nach Roggenburg, kurz vor Neu-Ulm, muss Franck Ribéry am Sonntag, zum Fanklub „Schießmer Red White Dynamite ’96 e.V“ – sein Part des jährlichen Adventsbesuchs der Bayern-Profis. Er lacht, sagt: „Ist schwer, aber immer viel Spaß.“
Sie werden einen anderen Ribéry erleben als den Lausbuben von einst, der 2007 nach München kam, der als Filou mit Kumpel Luca Toni die Liga rockte, der an jedem Gegenspieler und keinem noch so kindischen Scherz vorbeikam. Heute, mit 27 Jahren, ist Ribéry ein anderer. Er lässt manchen Streich aus.
Er ist ein Suchender. Nach seiner Top-Form, nach der Freude und Leichtigkeit, die Voraussetzung für sein Spiel sind. Ribéry ist ernsthafter geworden, nachdenklicher. Er hat Deutsch gelernt im vergangenen Jahr und die Schattenseiten des Geschäfts erfahren. Beim 3:0 gegen Basel hat er seine ersten beiden Saisontore erzielt – kurz vor Weihnachten. Es war seine Libération, den zweiten Treffer widmete er seinem Cousin Matthieu, der momentan bei ihm wohnt. „Ich bin mit ihm aufgewachsen, es ist eine schwere Zeit für ihn.“ Seine Mutter verstarb Ende Oktober, zuvor verlor er bereits Bruder und Vater. Franck nimmt das sehr mit, innig drückte er Matthieu am Zaun der Haupttribüne.
Ribéry ist ein Stimmungsspieler. Er braucht den Applaus, die Liebe der Fans, die Liebe eines Trainers. Louis van Gaal sagte: „Ich Freude mich für ihn.“
Stimmungsspieler ist ein Wort von Ottmar Hitzfeld. Der 61-Jährige war gegen Basel als TV-Experte in der Allianz Arena, Ribéry und er begegneten sich nicht. „Ich habe ihn im Fernsehen gesehen“, sagte der Franzose und sein Gesicht hellte sich auf, als spräche ein Kind vom Weihnachtsmann. „Wir haben guten Kontakt, viel Spaß“, erzählt Ribéry. 2007 trainierte er unter Hitzfeld. Man schätzte sich, Hitzfeld schützte ihn. „Ribéry ist ein großartiger Künstler, ein Genie. Und er ist einer, der alles sehr ernst nimmt und der Gefühlsausbrüche hat“, sagte Hitzfeld bei „sky“. „Aber er braucht auch Streicheleinheiten.“
Hitzfeld redete viel mit ihm, – mal Französisch, mal Englisch, mal Deutsch. Den Part übernimmt jetzt Uli Hoeneß, an des Präsidenten Schulter lehnt Ribéry sich gerne an.
Hitzfeld ist weg, geblieben ist die Sehnsucht. „Mit diesem Trainer habe ich nicht nur über Fußball geredet, 20, 30 Minuten auf seinem Zimmer, über alles, über die Familie. Das brauche ich, dann spiele ich auch für diesen Trainer." Für Hitzfeld. Und für van Gaal? „Wir haben geredet, jetzt ist es okay.“ Punkt.
Gesprächsbedarf besteht weiter. In Sachen Taktik. „Ich brauche immer den Ball. Ich kann nicht links vorne – wie auf Schalke – sieben, acht Minuten warten. Das ist nicht gut.“ Van Gaal setzt ihn als Linksaußen am Strafraum des Gegners ein, Ribéry ist das zu passiv: „Jeder Trainer hat seine Philosophie, aber ich brauche ein bisschen Freiheit wie unter Hitzfeld und Klinsmann. Ich kann laufen, viele Sprints machen, aber wenn der Ball nicht kommt und ich warten muss, ist das schlecht für mich und fürs Team.“
Mit Andries Jonker, dem Co-Trainer, habe er darüber gesprochen. Warum nicht mit van Gaal? Ribérys Antwort: „Weiß nicht.“ Eine Notlüge. Sonst war er im Gespräch ausgesprochen ehrlich. Vielleicht zu ehrlich.
Patrick Strasser