Flicks Masterplan gegen die Bayern-Krise

München - Rein äußerlich? Nichts, niente. Mimik? Rhetorik? Keine Auffälligkeiten. Die Bestandsaufnahme des Bayern-Trainers nach seinem ersten richtigen K.o.-Spiel im wahrsten Sinne des Wortes, nachdem er am Mittwoch im DFB-Pokal den ersten Titel in den Kieler Schneegestöber-Himmel davonfliegen sah, lautet: Hansi Flick ist Hansi Flick geblieben.
Schon mal gut. In der Kabine des FC Bayern bleibt der Fußball-Lehrer stets Mensch. Sachdienliche Hinweise auf ein eventuelles Ausflippen in den eigenen vier Wänden könnte nur seine Frau geben.
Der 55-Jährige gilt ohnehin nicht als extrovertierter Typ, ist keiner, der sein Ego über das der Mannschaft stellt. Kein Louis van Gaal.
"Ich denke, dass wir alle mit großen Bedenken auf die Zukunft schauen"
Und auch keiner, der die Schuld an einer Pleite außerhalb des eigenen Vereins, des eigenen Kosmos', sucht. Siehe Pep Guardiola. Es gab lediglich ein Thema, sprich eine Frage, bei der Flick am Freitagnachmittag plötzlich emotional wurde und einen kurzen Einblick in sein Seelenleben offenbarte: Corona.
"Ich denke, dass wir alle mit großen Bedenken auf die Zukunft schauen", sagte er und rutschte auf seinem Sitz umher. "Manchmal bin ich auch sprachlos, wenn ich einige Bilder sehe. Wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt."
Und das Leben in der Blase Säbener Straße? Zwei Niederlagen hintereinander musste Flick bereits kurz nach Beginn seiner Amtszeit verdauen: Ende November, Anfang Dezember 2019 als man erst gegen Bayer Leverkusen und dann bei Borussia Mönchengladbach (!) jeweils mit 1:2 verlor. Wie dieser Tage in Gladbach (2:3) und gegen Zweitligist Kiel.
Doch der Unterschied zu den Pleiten vor etwas mehr als einem Jahr ist: Damals waren es die Spiele fünf und sechs der als Überbrückung gewerteten Zwischen-Ära Flick, die für den ehemaligen Assistenten von Bundestrainer Joachim Löw keine Konsequenzen hatten.
Hat Flick an Autorität eingebüßt?
Im Gegenteil: Weil seine Bayern trotz drückender Überlegenheit absurd unglücklich verloren und Flick die restlichen vier Partien bis Jahresende erfolgreich coachte, wurde ihm bis Saisonende das Vertrauen ausgesprochen.
Der Rest ist bekannt, ist Geschichte - und Flick durch das Triple 2020, das er im Herbst mit zwei Supercup-Kirschen zum Sahne-Quintuple toppte, längst eine Vereinslegende. Will im Umkehrschluss sagen: Die Fallhöhe könnte höher nicht sein.
Als Triple-Champion und Vize-weltbester Trainer anno 2020 wiegen zwei Pleiten weitaus schwerer. "Die 1. Flick-Krise", titelte "Bild" bereits. Bröckelt die - imaginäre - Trainer-Statue des Erfolgscoaches etwa schon? Hat er an Autorität eingebüßt oder lassen Aufmerksamkeit, Spannung und Eigenmotivation der mental müden Spieler zu wünschen übrig?
"Aktuell stottert es etwas"
"Wir haben eine lange Sitzung gehabt und über die Dinge gesprochen. Ich denke, dass es allen klar ist", sagte Flick zum immergleichen Gegentor-Muster und gab zu: "Aktuell stottert es etwas." Er dreht die Probleme ins Positive: "Das Jahr 2020 war auch für den FC Bayern keine Normalität. Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass wir vorher schon einen kleinen Einbruch haben werden." Er entlastete seine hochbelasteten Stars, stellt sich vor die Mannschaft und betonte bei einer Nachfrage zum schwächelnden Niklas Süle: "Ich sträube mich dagegen, dass ich einzelne Spieler herauspicke."
Solche Sätze schaffen Vertrauen, stärken den Zusammenhalt. Andererseits will Flick dadurch eine Antwort seiner in Schutz genommenen Spieler provozieren. Für ihn. Das Quintuple-Jahr 2020 ist endgültig Geschichte, Schnee von vorgestern. Der Wucht des Dauererfolges hat Flick & die Seriensieger eingeholt. Sonntag gegen den SC Freiburg ( 15.30 Uhr, live auf Sky und im AZ-Liveticker) können sie eine neue Serie starten.