FC Bissig! Doch wo ist der Boss?
MÜNCHEN - "Wir spielen mit Herz" - aber ohne Lenker. Der FC Bayern ist auf der Suche nach einem Leadertypen fürs defensive Mittelfeld. Holen die Münchner nun den Römer de Rossi?
Das Spiel lief für ihn. Weil es die Mannschaft ohne ihn drehte. Nachdem Mark van Bommel die Bayern durch seine Gelb-Rote-Karte im Spiel gegen Bochum geschwächt hatte, zeigten sie Reaktion – ohne ihn. Ohne den von Trainer Ottmar Hitzfeld als „leader“ mit dem Attribut „aggressiv“ bezeichneten Holländer ging ein Ruck durch die Mannschaft. Weiterer Ärger blieb ihm dadurch erspart – das Resultat spricht gegen ihn.
„Wir waren 0:1 im Rückstand und nur noch zu zehnt – da mussten wir mit Herz spielen“, sagte der Brasilianer Lucio. Er war der Antreiber. Er munterte die Mannschaft nach dem Rückschlag auf. Er stürmte und köpfte das 1:1. Er war es, der mit seiner Flanke das Handspiel des Bochumers Pfertzel verursachte.
Lucio – der Adrenalin-Leader? Taugt der sonst eher stille und im Mannschaftskreis introvertierte 29-Jährige also doch zum Kapitän und damit zum möglichen Nachfolger für Oliver Kahn, der seine Karriere im Mai beendet? „Es ist mir nicht wichtig, Kapitän zu sein“, sagte er gestern und fügte brav hinzu: „Wichtig ist, dass in der Mannschaft der Teamgeist stimmt.“
Ein Boss muss aber nicht nur auf dem Platz den Ton angeben, auch außerhalb. Daran hapert es bei Bayern in dieser Saison. Lucio kritisierte gestern Gelb-Rot-Sünder van Bommel: „Mark bekommt zu viele Karten. Er hat ein wenig zu aggressiv gespielt – aber das kann jedem passieren.“ Nahm ihn aber auch in Schutz: „Er hilft der Mannschaft mit seinen Zweikämpfen.“
"Dann muss einer böse werden"
Nicht aber mit seinen Platzverweisen. Weil er aufgrund seiner Spielweise (van Bommel: „Manchmal hat man solche Spiele, aber dann muss man etwas anderes probieren. Dann muss einer böse werden, wachrütteln“) ein Sicherheitsrisiko darstellt. Also kommt auch der 30-Jährige nur bedingt als Kahn-Nachfolger in Frage, zumal der Verein noch keine Tendenz zeigt, van Bommels Vertrag über das Saisonende 2009 hinaus zu verlängern.
Die Bayern als FC Bissig – doch wo ist der Boss? Auch Franck Ribéry und Luca Toni sind es nicht. Sie führen die Mannschaft durch ihre Ideen und Tore zu Siegen, sind aber keine Persönlichkeiten à la Breitner, Matthäus oder Effenberg. Die Bayern sind auf der Suche nach einem Leadertypen fürs defensive Mittelfeld. „Diese Position ist mit die wichtigste einer Mannschaft im modernen Fußball“, sagte Lothar Matthäus der AZ, „ich weiß, dass bei Bayern darüber gesprochen wurde, für diese Position einen Spieler zu verpflichten.“ Auf dem Wunschzettel ganz oben: Daniele de Rossi vom AS Rom.
Patrick Strasser