FC Bayern: Wundergläubig

Barcelona - Wann dieser Moment wohl kommt? Wann schlägt die Depression und resignierte Grundstimmung nach einem demütigenden 0:3, wie es der FC Bayern am Mittwochabend in Barcelona erlebt hat, in Trotz um? In ein Gefühl der Hoffnung, der Jetzt-Erst-Recht-Motivation? Nun, fünf Tage liegen zwischen dem Hin- und Rückspiel am Dienstag in der Allianz Arena. Fünf Tage bis zur Auferstehung, bis zum Wunder?
Es sind wohl eher fünf Tage, die zwischen dem sportlichen Tod und der tatsächlichen Beisetzung aller Träume des FC Bayern in der diesjährigen Champions-League-Saison liegen. Zur Untermauerung der Ein-Wunder-Gibt-Es-Nimmer-Wieder-These ein paar Fakten: Erst ein einziges Mal gelang es in der Vereinshistorie, nach einer Niederlage mit zwei oder mehr Toren aus einem Hinspiel noch eine (K.o.-)Runde weiterzukommen – vor zwei Wochen im Viertelfinale gegen den FC Porto. 6:1 nach 1:3.
Aber ein 0:3? Gegen dieses Barça? Machen Messi & Co. im Rückspiel auch nur ein Tor, bräuchten die Bayern schon mindestens: 5. Noch mal: FÜNF! Man kann ja auch darauf wetten, dass Elvis lebt. Oder die Erde doch eine Scheibe ist.
Da kommt Thomas Müller ins Spiel, die Abteilung Trotz-Attacke des FC Bayern. „Natürlich wäre das eine Fußball-Sensation, da müssen wir ehrlich sein. Aber wir werden bis zur letzten Sekunde alles geben. Wir sind der FC Bayern, wir haben den Kopf oben.“ Dass Müller im Nebenjob – er wird ja auch immer vorzeitig ausgewechselt – Teampsychologe ist, zeigt die Aussage von Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge bei seiner Bankettrede im Saal Catalunya des „Gran Hotel Princesa Sofia“: „Es hilft kein Lamentieren. Wir haben noch ein Spiel. Wir heißen Bayern München!“
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Trotziger Applaus der VIPs und Sponsoren, die Spieler blickten stumm, die Köpfe nach unten gerichtet, auf ihre Teller. Alle wissen: Das war’s wohl. „Wenn du 3:0 verlierst, sind natürlich die Chancen nicht mehr sehr groß“, meinte Rummenigge, „wir haben die Verpflichtung, am Dienstag noch einmal alles zu geben.“ Das schon, ja. Sonst noch jemand hier, der an Wunder glaubt? Ah, Manuel Neuer, den hat Müller wohl angesteckt: „Barcelona ist nicht Porto, aber sag’ niemals nie. Wir müssen versuchen, an uns zu glauben.“ Versuchen, ja. Wenn’s hilft: 2003/04 schaffte Deportivo La Coruna, als einzige Mannschaft in Europa, nach einer Drei-Tore-Pleite (1:4 beim AC Mailand), die Angelegenheit im Viertelfinal-Rückspiel zu drehen: durch ein 4:0.
Mit einem mulmigen Gefühl war Bayern nach dem 0:2 in Leverkusen in die katalanische Metropole gereist. Sportvorstand Matthias Sammer hatte die Meister-Mannschaft („Außerordentliches geleistet! Weltklasse!“) schon mal präventiv verteidigt. Offenbar in der rechten Annahme, was da kommen würde. 77 Minuten – bis zum ersten von zwei Geniestreichen von Barças Wunderstürmer Lionel Messi – hatte man ein 0:0 gehalten, ist dann „auseinandergefallen“, wie Jérôme Boateng ehrlich zugab. Der Verteidiger, von Messi vor dem 0:2 schwindlig gedribbelt und tags darauf im Internet wegen seines Umfallers verspottet, meinte: „Sehr erstaunlich, dass wir so untergehen.“
Ist der Zauber des Pep Guardiola am Ende der zweiten Saison verflogen? 2013 war der Spanier als Wundertrainer – im Sinne von wundersam genial und Trophäen-garantierend – geholt worden, nun steht er bei 13 Pflichtspielniederlagen, darunter drei in Halbfinals der Champions League. Ein Double im Debüt-Jahr, nun „nur“ die Meisterschaft, kein Henkelpott – und daran wird Guardiola gemessen. Der 44-Jährige wird in ein drittes Jahr, seine letzte Saison laut Vertrag, gehen dürfen. Das ist sicher.
Obwohl: Bei Pep weiß man nie, siehe seine Taktik- und Systemwechsel während der Spiele. Dass er bei Bayern vorzeitig hinschmeißt, glaubt man in seinem Umfeld jedoch nicht. Es wird und muss sich jetzt zeigen, wie gefestigt das Gebilde FC Bayern ist.