FC Bayern: Und jetzt holt Euch den Pott!

München im Rausch der Roten: Die Leopoldstraße ist gesperrt, im Schumann’s gibt’s Standing Ovations – so nah war das Triple noch nie
MÜNCHEN Eine Bar steht auf. Als Bastian Schweinsteiger eine Viertelstunde nach Mitternacht ins „Schumann’s” am Odeonsplatz mit ein paar Kumpels schlendert, brandet sofort Applaus auf. Die Gäste der In-Location, in der Promi-Zulauf sonst eher höflich-distanziert hingenommen wird, erheben sich sogar.
Ein kurzes Stadion-Feeling weit über 90 Minuten nach Abpfiff. Bis an den Hofgarten reichte die Bayern-Kurve, der Jubel erstreckte sich weit nach Schwabing. Aus den Kneipen strömten die Fans auf die Leopoldstraße, die rund eine Stunde für den Autoverkehr gesperrt werden musste.
4:0 gegen den FC Barcelona! Mia san Fiesta! Das Finale der Champions League am 25. Mai in London kann geplant werden. Es müsste mit dem spanischen Teufel zugehen, sollten die Bayern am kommenden Mittwoch beim Rückspiel im Camp Nou (20.45 Uhr, ZDF und Sky live) den Vorsprung noch verspielen. Abteilung Weltwunder. Die Statistik gibt den Bayern die Aura der Unverwundbarkeit: In 171 Fällen seit Erfindung des Europacups gab es in einer K.o.-Runde ein 4:0 im Hinspiel. Anzahl der Mannschaften, die diese Klatsche im Rückspiel vor den eigenen Fans noch drehen konnten: null. Da will man nicht der Premieren-Depp sein.
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Es gab Wasser für Schweinsteiger & Co. In der Kabine wie im Schumann’s. Champagner, oder her: die Bierflaschen leeren die Fans. Der rote Rausch springt vom Spielfeld auf die Ränge – in den Köpfen der Spieler staut sich die Sehnsucht nach der großen Party. Die Bescheidenheit, die Demut, gepredigt von Trainer Jupp Heynckes, ist der Schlüssel. Sollen doch die Gegner narrisch werden, die Fans ausflippen. Sie selbst bleiben cool, spielten zur Reha am Mittwoch eine Runde Beachvolleyball, für Donnerstag hat Heynckes der Mannschaft (hitze-) frei gegeben. Der Countdown zum Olymp läuft: Nur zwei Siege noch zum Triple. Meister sind sie schon, fehlt noch der Sieg im Pokalfinale gegen Stuttgart (1. Juni) und eine Woche zuvor zur Krönung in Wembley. Im Rückspiel bei Barça reicht ja ein 0:3, ein 1:5. Unfassbar! So nah war das Triple noch nie.
„Im ganzen Stadion gab es keinen, der von so einem Ergebnis geträumt hat”, sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, „4:0 gegen die beste Mannschaft der Welt - das ist etwas, wovon man nicht nur nachts träumen kann.” Viele der Fans blickten sich irritiert um. Spinn’ ich? Es war ein Wolfgang-Ambros-Moment, als wären diese Zeilen für diesen Abend komponiert:
Zwickt's mi, i man i tram!
Des derf net wohr sein, wo samma daham?
Zwickt's mi, ganz wurscht wohin!
I kann's net glaub'n, ob i ang'soff'n bin?
Ober i glaub, da hülft ka Zwicken, könnt' ma net vielleicht irgendwer ane pick'n?
Danke, jetzt is' ma klor, es ist wohr, es ist wohr.
Es war der Sieg aller Siege, eine Demonstration des Bayern-Könnens auf ganzer Linie. Leidenschaft! Wille! Power! Geht's besser, wurde Dante gefragt? Er überlegte, sagte – „Schwer.” Ein Mann, ein Wort.
2010 scheiterte man im Finale von Madrid an Inter Mailand (0:2), letztes Jahr an den eigenen Nerven (Elfmeterschießen gegen Chelsea). Nun sind sie reif – für die Insel, für den Pott. Schnappt ihn Euch!
134 Tore in allen Wettbewerben in dieser Saison, eine Gesamttordifferenz von plus 108. Nur drei von 47 Spielen verloren. Kaum zu glauben. Fünfeinhalb Wochen muss sie die rote Welle noch tragen, bis zum 1. Juni.