FC Bayern und Co.: Ein Jahr Geisterspiele

München/Bremen - Kaum ein Verein der Bundesliga setzt so sehr auf die Emotionalisierung der eigenen Profis durch die Fans wie Werder Bremen. Bei Heimspielen im Weserstadion versucht Werder, dies gezielt zu nutzen. Fährt der Mannschaftsbus auf dem Weg in die Arena an der Ostkurve vorbei, ermahnt Trainer Florian Kohfeldt den Fahrer: "Langsam, ganz langsam, wenn da Zuschauer sind. Da habe ich schon Emotionen erlebt, die helfen einem."
Bundesliga ohne Fans: Ein Jahr Geisterspiele
Aktuell sind da keine Zuschauer. Es ist Pandemie. Die Bundesliga erlebt ihre erste vollständige Corona-Saison. Nahezu völlig ohne Fans.
Für Kohfeldt ist es "viel mehr wie zur Arbeit gehen", Das sagte der 38-Jährige der "Süddeutschen Zeitung" und betitelte das große Ganze jetzt in Corona-Zeiten als "emotionale Diaspora, da ist nichts!" Konkret: "Du fährst mit dem Bus rein und denkst, das ist wie in einem schlechten Western. Da rollt noch das Laub über den Parkplatz. Kein Mensch zu sehen. Es ist ernüchternd."
Höchstens der Bus der Gegner parkt dort. Am Samstag (Anpfiff 15.30 Uhr, live bei Sky und im AZ-Liveticker) ist dies der des Abo-Meisters FC Bayern. In normalen Zeiten herrscht beim Nord-Süd-Gipfel emotionaler Ausnahmezustand an der Weser. Der ehemalige Manager Willi Lemke sprach in den Hochzeiten der Fehde mit Bayern-Patron Uli Hoeneß von "Klassenkampf". Nun ist es Sport pur, der weitergehen muss, weil es ein großes Business ist.
"Um ehrlich zu sein, gibt es viel wichtigere Prioritäten als Sport!"
Vor genau einem Jahr stoppte der Betrieb Bundesliga sich selbst. Es war der 13. März 2020. Ein Freitag, natürlich. Ein ganz schwarzer Tag.
Als der Druck aus Gesellschaft, Medien und von einigen Spielern wie Thiago vom FC Bayern ("Das ist verrückt. Bitte hört auf herumzualbern und stellt euch der Realität. Um ehrlich zu sein, gibt es viel wichtigere Prioritäten als Sport!") zu groß wurde und mit Luca Kilian vom SC Paderborn der erste Bundesliga-Profi positiv auf Corona getestet wurde, stellte die DFL den Spielbetrieb wenige Stunden vor Anpfiff der ersten Partien in der Bundesliga und Zweiten Liga vorerst ein.

"Darüber hinaus empfiehlt das Gremium der am kommenden Montag tagenden Mitgliederversammlung der Profiklubs, die Aussetzung des Spielbetriebs bis 2. April fortzusetzen", hieß es. Das Rheinderby zwischen Mönchengladbach und dem 1. FC Köln, eine Nachholpartie, hatte am 11. März bereits vor leeren Zuschauerrängen stattgefunden.
Erst am 16. Mai konnte die Liga den (Geisterspiel-)Betrieb wieder aufnehmen. Am 16. Juni konnten die Bayern mit einem 1:0 bei Werder Bremen die achte Meisterschaft hintereinander klarmachen - eine freudlosere als sonst, so ganz ohne Stadionpublikum.
Flick: Intensität und Lautstärke der Bremer Kommentare ist bemerkenswert
An diesem Samstag, dem 13. März 2021, steigt die 110. Auflage zwischen Bremen und Bayern. Es ist das Rekord-Duell der Liga. Man blickt auf Werder und die Frage: Wird's wieder laut im leeren Stadion? Wird's gar unanständig oder unflätig wie zuletzt?
Der Hintergrund: Während des letzten Bremer Heimspiels gegen Eintracht Frankfurt (2:1) vor zwei Wochen waren beide Lager verbal aneinandergeraten. Eintracht-Coach Adi Hütter beschwerte sich hinterher: "Hier ist es immer speziell. Das hat mit einem Niveau nichts zu tun."
Es war davon die Rede, dass die Betreuer der Gastgeber mit ziemlich rauem Ton permanent auf die Schiedsrichter und Gegner eingewirkt hätten. Wogegen sich Kohfeldt energisch wehrte. Allerdings fiel auch Bayern-Coach Hansi Flick beim 1:1 im Hinspiel in der Allianz Arena auf, dass Intensität und Lautstärke der Bremer Kommentare bemerkenswert sind.
DFL hofft auf Teilöffnung der Stadien mit 40 Prozent Auslastung
Gebrüll von Bank oder Tribüne geht unter, sind die Fans einmal zurück. Aber wann? Die DFL erhofft sich von den nächsten Bund-Länder-Beratungen am 22. März Klarheit und betreibt Lobbyarbeit für ihr Konzept einer 20-köpfigen Expertengruppe zur Teilöffnung der Stadien mit einer Auslastung von bis zu 40 Prozent.
Mit Schnelltests oder Impfnachweis, digitaler Kontakt-Nachverfolgung, personalisierten Eintrittskarten, Maskenpflicht und Alkoholverbot. Andererseits: Aktuell steigt die Zahl der Infizierten und damit die Inzidenz. Ein Teufelskreis.