FC Bayern: Tuchels Trainings-Argumentation fragwürdig – Kommt es zu einem Bruch in der Mannschaft?

München - Vor dem Anpfiff am Sonntagabend war Thomas Tuchel guten Mutes. Werder Bremen, die gegnerische Mannschaft, schien nicht besonders furchteinflößend zu sein für den Serienmeister aus München, hatten sie doch knapp 16 Jahre an Ort und Stelle nicht gewonnen. Zuversichtlich ist der Bayern-Trainer ohnehin jedes Mal nach getaner Vorarbeit, den Übungseinheiten. "Das Training war auf hohem Niveau. Wir müssen eigentlich nur so spielen wie wir trainieren", meinte Tuchel und bekräftigte: "Wir fühlen uns bereit, gut vorbereitet."
Diesmal verkomplizierte sich alles durch die pure Anwesenheit - viel mehr war es ja nicht - seiner eigenen Mannschaft. Die Leistung der Bayern, die 0:1-Pleite gegen Werder, war auf sehr niedrigem Niveau. Kaum Bewegung, keine Ideen, keine Automatismen, keine Lösungsansätze. Ohne Antrieb, ohne den Willen, das Spiel nach dem Rückstand zu drehen.

Auftritt gegen Werder Bremen markiert weiteren Tiefpunkt der Saison des FC Bayern München
Dabei hatte man einen ordentlichen Start ins Fußballjahr mit dem 3:0 gegen Hoffenheim. Plus ungewöhnliche lange, und zwar neun Tage Zeit zur Vorbereitung aufs Werder-Spiel, die man für ein von Tuchel gewünschtes, viertägiges Trainingslager an der Algarve nutzte. Das habe der Gruppe "Energie" gegeben, freute sich der Coach, "ein guter Impuls, der uns gutgetan hat." Alles verpufft. Außer Spesen nix gewesen. Erst Faro, nun Fado. Groß ist die Sehnsucht nach besseren Zeiten.
Der schläfrige, unmotivierte Auftritt gegen das zuvor auswärtsschwächste Team der Liga markiert einen weiteren Tiefpunkt der Bayern-Saison. Schon der dritte nach dem Pokal-Aus bei Drittligist Saarbrücken (1:2) Anfang November sowie dem Frankfurt-Fiasko (1:5) in der Liga Anfang Dezember. Auch vor den beiden Pleiten hatte man zuvor vorzüglich trainiert. Natürlich - was sonst?
Tuchels Argumentation könnte Brüche beim FC Bayern hervorrufen
Mit dieser Argumentationslinie schafft Tuchel, der stets einzelne Mitglieder des Trainerstabs (vor allem Standard-Experte Anthony Barry) über den grünen Klee lobt, eine Distanz zu seiner Mannschaft, die Risse im Gesamtgefüge hervorrufen könnte, im schlimmsten Fall einen Bruch. Die Botschaft nach außen lautet: Hört her, Leute: Wir Trainer haben alles getan, die Einheiten waren super. Und wer hat's dann verbockt?
Nach dem Spiel schloss er sich zwar mit ein in die Verantwortung für die Niederlage, sagte jedoch angefressen: "Ich habe keine Lust mehr, dass ich sage, dass wir gut trainieren. Ich werde auch damit aufhören, weil es keinen Sinn ergibt, was ich da erzähle. Das glaubt ja langsam keiner mehr." Stimmt. Dieser Kurs könnte in eine Sackgasse führen. An seine Spieler gerichtet schimpfte er: "Wenn du für Bayern München spielst und am Sonntag ein Spiel hast, musst du nicht Montag, Dienstag und Mittwoch top sein, sondern man muss vor allem am Sonntag top sein."
"Langweiligen Fußball gespielt": Dreesen mit erster Warnung an Tuchel
Tuchel selbst erhielt von Bayerns Vorstandschef Jan-Christian Dreesen eine erste Warnung, als dieser in aller Deutlichkeit sagte: "Wir haben in den ersten 70 Minuten langweiligen Fußball gespielt und die Bremer, die am Anfang Respekt hatten, stark gemacht." Prädikat langweilig - so, so. Klingt nicht Bayern-like. Mit dem Vorwurf ist nur auf den ersten Blick das Team gemeint. Dreesen ergänzte, angesprochen auf die nicht immer stabilen Leistungen, die durch ordentliche Ergebnisse kaschiert wurden (2:1 in Wolfsburg, 3:0 gegen Hoffenheim), er sehe "lieber guten Fußball als erfolgreich-schlechten". Also lieber Spektakel wie unter Pep Guardiola mit teils tragischem Ende als siegreichen Pragmatismus-Fußball à la Ottmar Hitzfeld.
Nun muss Tuchel vor dem Nachholspiel am Mittwoch gegen Union Berlin (20.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) fürchten, dass es bei den aktuell sieben Punkten Rückstand auf den so enthusiastischen wie widerstandsfähigen Tabellenführer Leverkusen bleiben könnte. Oder sind es dann doch nur noch vier Punkte Abstand? Nun ja, grau ist alle Theorie und: Fußball ist keine Mathematik.