FC Bayern: Tore wie nie - trotzdem Dritter
An der Offensive liegt’s nicht: Die Bayern treffen so oft wie seit 23 Jahren nicht mehr, müssen hinten aber künftig stabiler werden. Mit Heynckes sollte das gelingen, glaubt Sportdirektor Nerlinger.
München - Franck Ribéry war stinksauer. 4:1 stand es am Ende eines rauschenden Fußballfests gegen Schalke 04, und der Franzose regte sich auf, als hätte gerade jemand den entscheidenden Elfer vergeigt. Sein Groll galt dem Kollegen Arjen Robben, der zwar zwei Tore erzielt, aber es mal wieder versäumt hatte, den Ball auch mal an seine Mitspieler abzuspielen. Ein Luxus-Problem – wie schön. 71 Tore kamen in dieser verkorksten Bayern-Saison zustande – selbst Meister Dortmund (64) kommt da nicht mit.
Seit 23 Jahren konnte der FC Bayern nach einem 32. Spieltag nicht mehr so viele Treffer auf der Haben-Seite verzeichnen. Der nächste Gegner St. Pauli hat mit 33 Treffern nicht einmal halb so viele auf dem Konto. Doch nicht nur in der Liga treffen die Bayern: Im DFB-Pokal gelangen in fünf Spielen 16 Treffer, in der Champions League in acht Spielen 19 Tore. Summa summarum: 106 Tore in 45 Spielen. Ein Schnitt von 2,35 Erfolgserlebnissen pro Spiel.
Eine feine Quote, die in den großen Ligen Europas nur von den Ausnahmeteams FC Barcelona (89 Treffer in 34 Spielen) und Real Madrid (81) übertroffen wird. Die europäischen Tabellenführer ManchU (71 Treffer in 35 Spielen), AC Mailand (61/35) und OSC Lille (59/33) bleiben hinter Bayern zurück. Fast logisch, dass der Rekordmeister auch den Top-Torjäger stellt: Mario Gomez traf in 30 Spielen 24 Mal – zweimal mehr als der Freiburger Papiss Demba Cissé. In der Scorer-Wertung der Bundesliga finden sich unter den ersten vier drei Münchner: Ganz oben steht Gomez (28 Punkte), gefolgt von Thomas Müller (24), Cissé (23) und Franck Ribéry (21). Mit 16 Assists ist der Franzose zudem der beste Vorbereiter der Liga.
„Mit unseren Ausnahmestürmern sind wir immer für ein Tor gut”, meint Sportdirektor Christian Nerlinger. Auch er weiß, dass die Probleme des FC Bayern heuer ein paar Meter weiter hinten lagen: 38 Gegentore haben sich bereits angesammelt – nur sechs weniger als bei Abstiegskandidat Eintracht Frankfurt und glatt doppelt so viel wie Meister Dortmund. „Im Vergleich mit dem BVB hat man in dieser Saison gut gesehen, wo unsere Defizite lagen”, meint Nerlinger, „aber das lag nicht nur an der Qualität der Spieler.” Sondern wohl auch am bedingungslos offensiven Stil des gescheiterten Trainers Louis van Gaal. Nerlinger sagt es so: „Es ist jetzt schon sichtbar, dass wir stabiler stehen, seit Andries Jonker einige Veränderungen vorgenommen hat. Und das wird mit Jupp Heynckes noch stärker ausgeprägt sein. Seine Philosophie gründet auf einer stabilen Defensive.”
Wirft der FC Bayern in der kommenden Saison also den wunderbar spektakulären Hurra-Fußball der Van-Gaal-Zeit über Bord und kehrt zum kontrollierten 1:0 Hitzfeldscher Prägung zurück? Nerlinger winkt ab: „Das heißt ja nicht, dass wir künftig einen Catenaccio-Fußball spielen werden.” Dass der Großteil der kommenden Neuzugänge wohl eher hinter der Mittelllinie arbeiten wird, ist absehbar, wird aber im Fall der Umworbenen Jerome Boateng und Gregory van der Wiel vom Sportdirektor nicht bestätigt. „Wir müssen zunächst die Champions-League-Qualifikation erreichen”, meinte Nerlinger, „danach ist noch genügend Zeit für Neuverpflichtungen.”
Am Ende der torreichen Saison 1987/88 landete Bayern übrigens trotz 83 Treffern nur auf Platz zwei, hinter Bremen. Werder hatte weniger als halb so viele Tore kassiert. Bayerns Trainer hieß: Jupp Heynckes.