FC Bayern: Thomas Strunz über Robert Lewandowski, Carlo Ancelotti und Thomas Müller

Experte Thomas Strunz, einst beim FC Bayern, spricht in der AZ über die kritischen Aussagen von Robert Lewandowski, die Probleme von Trainer Carlo Ancelotti und Identifikationsfigur Thomas Müller.
von  Maximilian Koch
© Rauchensteiner/Augenklick

München - "Er bringt sich selbst oft in eine Verteidigungsposition", sagt Thomas Strunz über Carlo Ancelotti. Warum der TV-Experte entsprechend über den Trainer des FC Bayern denkt, und was der einstige Nationalspieler an Robert Lewandowski auszusetzen hat. Der frühere Bayern-Spieler im AZ-Interview:

AZ: Herr Strunz, zeigt Franck Ribérys Ausraster gegen Anderlecht, wie hitzig die Lage beim FC Bayern derzeit ist?
THOMAS STRUNZ: Wer Ribéry kennt, der weiß, dass er bei Auswechslungen unzufrieden ist. Er hat überreagiert, aber ich finde das – isoliert betrachtet – nicht dramatisch. Im Gesamtkontext der aktuellen Geschehnisse – mit der schlechten Vorbereitung, den Müller-Aussagen nach dem Bremen-Spiel, der Hoffenheim-Niederlage und Robert Lewandowskis Interview – ist die Aktion natürlich anders zu bewerten.

"Latente Unruhe beim FC Bayern"

Und wie?
Vieles liegt im Unklaren bei Bayern. Durch das Karriereende von Xabi Alonso und Philipp Lahm hat sich die Hierarchie geändert, die Personalie Thomas Müller beschäftigt nicht nur den Klub, man hat insgesamt den Eindruck, dass es eine latente Unruhe in der Mannschaft gibt.

Spielen Stars wie Lewandowski auf eigene Rechnung?
Diese Geschichte hat einen längeren Vorlauf. Lewandowski hat schon nach dem letzten Spiel der Vorsaison seine Mitspieler kritisiert, weil er die Torjägerkanone nicht gewonnen hat. Seine Aussagen im Spiegel zur Transferpolitik sind erneut als Abwertung seiner Kollegen zu werten. Darüber hinaus hat kein Spieler das Recht, die Vereinspolitik öffentlich zu kritisieren. Ich finde sein Verhalten sehr bedenklich. Es passiert zum wiederholten Male.

War insgesamt neun Jahre Spieler des FC Bayern: Thomas Strunz. Credit: firo/Augenklick

Ist die Position von Trainer Carlo Ancelotti geschwächt?
Was mir bei ihm auffällt, ist, dass er sich oft selbst in eine Verteidigungsposition bringt. Er betont immer wieder, dass er weiß, was er tut. Dabei ist das ja völlig klar bei seiner Erfahrung, seinen Erfolgen. Das muss er doch nicht besonders betonen. Ancelotti gibt der Situation mit seinen Aussagen gerade noch mehr Dynamik.

"Abhängigkeit von Lewandowski, Ribéry und Robben"

Der Coach hat betont, dass der aktuelle Bayern-Kader stärker ist als in der vergangenen Saison. Hat er Recht?
Im Moment spielt die Mannschaft nicht so souverän wie in der Vergangenheit. Eckpfeiler wie Jérôme Boateng oder Manuel Neuer sind in der Vorbereitung lange ausgefallen. Es ist so nicht einfach, eine neue Hierarchie zu bilden, die Neuzugänge zu integrieren. Man sieht ja bei Real Madrid, dass Mannschaften dann besonders stark sind, wenn sie über einen längeren Zeitraum zusammenwachsen.

Gibt es in dieser Saison einen neuen Meister?
Ich denke, dass die anderen Mannschaften nicht chancenlos sind. Es ist die Frage, wie Dortmund oder Leipzig mit der Dreifachbelastung umgehen. Es wird auf jeden Fall schwieriger für Bayern, weil es eine sehr große Abhängigkeit von Lewandowski, Franck Ribéry und Arjen Robben gibt. Keiner der drei darf lange ausfallen oder außer Form sein.

Fit für die Wiesn: Müller hat Geburtstag, Ribéry lacht wieder

Wie sind die Perspektiven von Thomas Müller?
Jeder Spieler braucht das Vertrauen des Trainers, um Top-Leistungen zu bringen. Ancelotti kommt über das Positionsspiel. Für Müller heißt das, dass er sich mit anderen sehr guten Spielern messen muss. Als Halbstürmer gibt es jetzt James, Thiago und Arturo Vidal, vorne ist Lewandowski gesetzt. Thomas war immer ein Spieler, der seinem Gefühl gefolgt ist. Das ist der größte Knackpunkt: Er hat seine Freiheiten auf dem Platz nicht. Das ist bitter, denn Müller ist ein Weltklassespieler, die Identifikationsfigur des Vereins.

"Man muss Salihamidzic Zeit geben"

Wie bewerten Sie die ersten Wochen von Sportdirektor Hasan Salihamidzic?
Man muss Hasan Zeit geben, sich in die Rolle einzufinden. Er hat vorher nicht in dem Bereich gearbeitet, er muss die Abläufe kennenlernen. Ihm würde es sicher helfen, wenn die Mannschaft souveräner auftreten würde. Es ist gleich eine große Herausforderung, das alles zu moderieren.

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