FC Bayern-Superfan Patrick Esche: "Es muss wieder die Bayern-Mentalität her"
Patrick Esche (37) kommt aus München, ist in Rio de Janeiro geboren und hat dort seine Kindheit verbracht. Er lebt und liebt Fußball, seitdem er denken kann. Mit 13 kam er nach Deutschland. Schon in Brasilien war er Bayern-Fan.
AZ: Zuletzt lief es nicht gut für den FC Bayern und es folgte der Absturz auf Platz acht. Dann der Arbeitssieg in Freiburg und jetzt in der Champions League in Bordeaux eine 1:2-Pleite. Wie sehen Sie die aktuelle Lage Ihres Vereins?
Patrick Esche: Die aktuelle Lage ist extrem schwer zu beurteilen. Es sind viele positive Ansätze zu sehen, das Potenzial der Mannschaft blitzt immer mal wieder auf, jedoch bringen solche Rückschläge wie gestern Unruhe in den Veränderungsprozess. Ich glaube aber, dass unterm Strich der Trend in eine gute Richtung geht, und wenn alle Spieler auch wieder zur Verfügung stehen (Ribéry, Robben, Olic etc.), man auf Dauer wieder die Dominanz ausstrahlen wird, die man sich von Bayern erwartet.
Uli Hoeneß forderte nach Freiburg eine Siegesserie. Jetzt kam mit der der 1:2 Pleite in Bordeaux ein erneuter Rückschlag. Was muss besser werden, damit der FC Bayern wieder in die Spur kommt und nach über einem Jahr mal wieder Tabellenführer wird?
Es muss wieder die Bayern-Mentalität her. Dieser unbedingte Siegeswille. Das, was die Leute immer mit „Dusel“ verwechseln, dieses „das Glück durch Willenskraft zu erzwingen“. Das fehlt seit über einem Jahr und mich erschreckt immer wieder die Ausstrahlung der Mannschaft, die Körpersprache. Letztlich glaube ich, dass diese langjährige Bayern-Sieges-Einstellung der Erfolgsfaktor war. Ich glaube, dass das spielerische Potenzial da ist, aber die Einstellung und mentale Stärke der Mannschaft das Hauptentwicklungsfeld ist.
Die leise Kritik an Louis van Gaal reißt nicht ab. Der Vorwurf der Kritiker an ihn lautet: Es ist kein richtiges System erkennbar und immer wieder wird wild gewechselt. Welche Fehler werfen Sie ihm konkret vor?
Ich persönlich würde mir auch in dieser Phase der Saison eine stabilere Achse innerhalb der Mannschaft wünschen. Ich finde es nicht falsch, dass van Gaal mehrere Systeme spielen lässt, eine Top-Mannschaft muss heutzutage in der Lage sein, mehrere Systeme zu spielen. Allerdings muss Kern dieser Systemvarianz eine feste Mittelachse sein, so wie damals Kahn, Effenberg, Elber. Es sind vielleicht Spieler da, die kontinuierlich aufgestellt werden (Butt, van Buyten, Müller), van Gaal hat aber diesen Spielern den Achsengedanken noch nicht vermitteln können.
Die gelb-rote Karte in der Champions League jetzt mal ausgenommen. Einziger Lichtblick unter van Gaal ist Eigengewächs Thomas Müller. Wie sehen Sie seine Entwicklung?
Ich finde es grandios, wie er sich entwickelt hat. Er hat einen unglaublichen Riecher, was Offensiv-Situationen angeht, und auch diese Konsequenz im Abschluss, die anderen Stürmern zur Zeit fehlt. Mir gefällt auch, dass er nach hinten extrem viel arbeitet und ein Spieler zu sein scheint, der sich auch mal gegen eine Drangphase des Gegners aufbäumt. Ich hoffe sehr, dass seine Entwicklung so weiter geht und er sich nicht verheizen lässt.
Ist diese positive Entwicklung zu schnell? Viele sehen ihn schon in der Nationalelf und auch Jogi Löw hat Müller schon in seinem Notizblock stehen. Uli Hoeneß hat nach dem Freiburg-Sieg seinem Ärger Luft gemacht, weil er findet, dass die Nationalmannschaft für Müller nach ein paar guten Spielen zu früh kommt. "Wir werden auch ohne Müller eine gute WM 2010 spielen", so Hoeneß. Hat er recht?
Seine Entwicklung bei Bayern geht meiner Meinung nach nicht zu schnell. Uli Hoeneß hat aber absolut recht damit, darauf hinzuweisen, dass es seiner langfristigen Entwicklung schaden könnte, wenn man für ihn zu früh den Druck in Richtung Nationalmannschaft aufmacht. Ich schätze Jogi Löw so ein, dass er, wenn man in einem vernünftigen Ton mit ihm spricht, dies auch absolut nachvollziehen und verstehen kann.
In Bordeaux hat man gesehen, wie schmerzlich Ribéry und Robben vermisst werden. Gibt es ohne die beiden auf Dauer wirklich nur Hausmannskost statt Festmenue?
Es ist wirklich eine große Schwächung, dass ausgerechnet diese beiden Spieler fehlen. Ich denke schon, dass gerade die Beiden ein ganz anderes Niveau bezüglich der Offensive darstellen. Insofern müssen wir uns leider noch länger auf magere Offensivkost einrichten.
Ein Problem ist der Sturm mit Ausnahme von Thomas Müller. Die Stürmer schießen keine Tore mehr. Wie enttäuscht sind Sie über die Stürmer?
Extrem enttäuscht. Gerade über Mario Gomez. Der scheint eine so große mentale Blockade zu haben, dass es echt weh tut, ihm zuzuschauen. Die einfachsten Dinge klappen nicht mehr. Die Gefahr ist groß, dass er jetzt in einen Teufelskreis kommt. Sein Selbstbewusstsein wird natürlich auch nicht dadurch besser, dass er nicht spielt beziehungsweise nur eingewechselt wird. Aber auch Klose spielt längst nicht auf seinem eigentlichen Niveau, er jedoch ackert wenigstens und war zum Beispiel gestern in Bordeaux über eine lange Phase Bayerns bester „Abwehrspieler“. Olic ist für mich eine große Überraschung, die ersten Spiele von ihm waren begeisternd, der steht für mich vor Klose und Gomez.
Thema Luca Toni: Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge bekennt sich zum italienischen Stürmerstar der Bayern und auch Trainer Louis Van Gaal sei mit ihm sehr zufrieden. In Bordeaux agierte Toni sehr unglücklich. Wenn man ihn in Bordeaux gesehen hat, wirkte er etwas hölzern und agierte sehr unglücklich.
Ich bin ein Fan von Luca Toni. Ich fand ihn gegen Bordeaux nicht so schlecht, er hat viel gearbeitet und immer wieder Bälle vorne halten können. Er hatte Riesenpech mit seinem Kopfball an den Pfosten. Hätte er getroffen, wäre es für ihn die Wende gewesen. Ich bin davon überzeugt, dass er wieder kommen wird. Luca Toni, Müller und Olic, das ist mein empfohlenes Sturm-Trio.
Ist Mario Gomez ein Fehleinkauf?
Aus meiner Sicht schon. Er ist zwar ein sehr guter Fußballspieler, was er in der Vergangenheit beim VFB Stuttgart auch bewiesen hat. Meine Wahrnehmung ist aber, dass er mental nicht dem Erwartungsdruck standhalten kann, der beim FC Bayern herrscht.
Kann man Thomas Müller eigentlich mit dem großen Gerd Müller vergleichen?
Nein, finde ich nicht. Thomas Müller ist für mich ein ganz anderer Spielertyp, er ist aus meiner Sicht kompletter, vielseitiger, kann auch mit hohem Tempo an einem Konter mitwirken, könnte theoretisch auch im Mittelfeld spielen. Er ist auch von der Konstitution her ganz anders, rennt schneller, hat einen stärkeren Körpereinsatz. Gerd Müller, einer der größten Stürmer überhaupt, war eher voll fokussiert auf einen engen Bereich um das Tor herum, und war dort extrem gefährlich.
Einer ist ganz raus und wird wohl auch nicht mehr zurückkehren in die erste Mannschaft. Sollte Michael Rensing im Winter wechseln?
Aus meiner Sicht wäre es für ihn die richtige Entscheidung, zu wechseln, da er sich noch besser entwickeln kann, wenn er regelmäßig spielt und als Stammtorhüter gebraucht wird. Das Ausland fände ich noch zu früh, er sollte zu einem guten Bundesligaverein wechseln.
Glauben Sie, dass im Winter ein neuer Torwart verpflichtet wird? Neuer oder Adler? Wer wäre für Sie die richtige Nummer 1 beim FC Bayern?
Ich glaube, dass man bei Bayern noch einen Top-Torhüter benötigt. Adler wäre sicher eine gute Wahl, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass Leverkusen ihn ziehen lässt. Schade, dass Gianluigi Buffon nicht schon früher zu den Bayern kam. Das wäre für mich der ideale Bayern-Torhüter.
Was halten Sie von Jörg Butt? In Bordeaux war er mit zwei gehaltenen Elfmetern der überragende Mann.
Bayern hat definitiv ein Torwartproblem, Butt strahlt für mich keine Sicherheit aus. Er hat gestern zwar zwei Elfmeter gehalten, einen aber absolut unnötig verschuldet. Bei Standards und wenn er einen Rückpass bekommt, habe ich immer ein ungutes Gefühl. Da muss einer stehen, der der Mannschaft absolut den Rücken stärkt.
Wer wird der Bayernspieler der Saison und warum?
Entweder Franck Ribéry oder Arjen Robben. Bei Robben hängt viel von seiner körperlichen Stabilität ab. Beide haben aber das Zeug dazu, die Mannschaft entscheidend nach vorne zu bringen und die Zuschauer zu begeistern. Um mich festzulegen: Robben wird Bayernspieler der Saison.
Wer ist Ihr Lieblingsspieler bei Bayern?
Momentan Thomas Müller.
Wer war es früher?
Giovane Elber.
Was ist heuer für die Bayern in der Champions League drin?
Die Bayern erreichen das Achtel- bis Viertelfinale.
Und wo landen die Bayern in der Liga?
Ich gehe fest davon aus, dass Bayern unter den ersten Drei landet. Die Meisterschaft zu gewinnen wird mit der diesjährigen Form von HSV und Leverkusen extrem schwer.
Eine Frage, die sich viele aktuell stellen: Ist Louis van Gaal der richtige Trainer für den FC Bayern?
Denke ich schon, ich glaube an ihn und an seine Philosophie.
Ihre Wunschschlagzeile in der AZ über Ihren Verein?
“4:0! Bayern überrollen Manu im Champions League Finale!“
Ihr Tipp für das Spiel am Samstag gegen Frankfurt?
3:1 für meine Bayern.
Interview: Reinhard Franke