FC Bayern spielt ganz Rehden leer

Der Regionalligaklub empfängt am Montagabend den Titelverteidiger – und will sich von den Einnahmen sanieren. Auf Sieg setzt niemand.
Thomas Becker, Frank Hellmann |
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Wilhelm Grelle, ehrenamtlicher Bürgermeister der Ortschaft Rehden
dpa Wilhelm Grelle, ehrenamtlicher Bürgermeister der Ortschaft Rehden

Rehden – Als Predrag Uzelac Mitte Juni vom Spiel seines Lebens erfuhr, trug er Badelatschen. Der Coach des BSV Rehden machte Urlaub in der Heimat, in Sibenik an der kroatischen Küste. Der Jubelschrei, den er ausstoß, als er mitbekam, dass er mit seinem Klub in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen den FC Bayern und Sky), soll noch an den zig Kilometer entfernten Krka Wasserfällen zu hören gewesen sein. „Der absolute Hammer“, jubelt Uzelac, „mehr geht momentan ja nicht im Weltfußball. Alle wollten die Bayern haben – nun kommen sie. Mal sehen, wie hoch wir gewinnen."

Galgenhumor bewies auch Milos Mandic, der Keeper des Regionalligisten, der einen besonderen Abend vor sich hat: „Ziel ist es, so wenig Gegentore wie möglich zu bekommen. Und wenn ich keinen reinlasse, sind wir eine Runde weiter, oder?" Coach Uzelac nahm gleich die Luft raus: „Wir brauchen nicht zu viel zu träumen. Die Jungs werden das erste Mal vor Kameras stehen. Ganz Deutschland guckt zu. Zusätzlichen Druck brauchen wir überhaupt nicht.“

Der Mann, der abseits vom Rasen die Geschicke des Bayern-Gegners lenkt, heißt Friedrich Schilling, ist Anwalt und im Nebenjob Vorsitzender des BSV Rehden, Spartenleiter Fußball. „Ich werde Pep bestimmt die Hand schütteln“, sagt er, klingt aber nicht so, als stehe dies auf seiner To-do-Liste ganz oben. Denn das Ereignis, das den Dorfverein aus dem 1850-Seelen-Dorf im niedersächsischen Landkreis Diepholz in den Fokus bringt, bedeutet Fluch und Segen zugleich. „Was meine Leute zuletzt geleistet haben, ist mit Worten nicht zu beschreiben. Das ist oft bis nachts halb drei gegangen“, erzählt Schilling.

Dass sich der Werder-Fan für das 55 Kilometer entfernte Stadion in Osnabrück und gegen das mehr als doppelte so große Weserstadion entschied, hat pragmatische Gründe: „Wir hätten dort nie 30.000 Sitzplätze für Montagabend verkauft.“ Der Erwerb der Pokaltickets in Osnabrück war an die Bedingung geknüpft, eine Karte für ein Regionalligaspiel zu kaufen.

So wird das Dorf am Montagabend leer sein. „Ich kenne eigentlich keinen, der nicht hinfährt“, sagt Bürgermeister Wilhelm Grelle, „das werden einige Busse voll.“ Traurig ist Grelle nur, dass das Spiel der Spiele nicht auf den heimischen Waldsportstätten ausgetragen wird. Eine Stahlrohrtribüne für 15 000 Fans und eine mobile Flutlichtanlage wären notwendig gewesen. „Das Risiko war dem DFB zu groß“, sagt Grelle. Die Auflagen waren nicht zu erfüllen. Anders als vor zehn Jahren, als der TSV 1860 anreiste und 6000 Zuschauer ein 1:5 sahen. So bleibt den Bayern-Profis eins erspart: der Gülle-Duft, der typisch ist für Landstriche mit intensiver Massentierhaltung.

Lange ist es noch nicht her, da war dieser Klub in der Kreisliga und auf einem Sportplatz unter altem Baumbestand und schummrigem Flutlicht beheimatet. Der Aufstieg begann 1995, als ein gewisser Marc Schilling das Tor der ersten Mannschaft hütete. In diesem Moment stieg Vater Friedrich ein, eine schillernde, weil geschäftige Persönlichkeit in dieser bodenständigen Region. Heute hilft der Sohn als Jurist, Verträge mit ausländischen Kickern auszuhandeln, die sich neben Ex-Werder-Talenten wie Kevin Artmann oder Francis Banecki in die Provinz locken lassen, wenn sie in Schillings Firmen eine Anstellung finden. Nur ein Einheimischer ist am Ball: Christin Hegerfeld, dessen Bruder Marco beim Pokalspiel 2003 Kapitän war.

385.000 Euro werden die Amateure einnehmen. „Einen Teil werden wir in unsere Anlage investieren“, verspricht Schilling, „damit wir beim nächsten Mal in Rehden spielen können.“

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