FC Bayern: Sonderrolle von João Cancelo – ein Guardiola-Insider als Tuchels Informant

Am Dienstagabend kommt es zum Kracher in der Champions League: Der FC Bayern ist bei Manchester City zu Gast. Alle Augen sind auf João Cancelo gerichtet, der von den Skyblues nach München ausgeliehen ist. Doch nicht nur er, auch Bayern-Trainer Tuchel kennen City-Coach Guardiolas System und Philosophie. Vorteil FCB?
von  Patrick Strasser
Von Manchester City an Bayern ausgeliehen: João Cancelo.
Von Manchester City an Bayern ausgeliehen: João Cancelo. © imago/Mladen Lackovic

München/Manchester - Natürlich wussten Manchester City und Chefcoach Pep Guardiola, dass es passieren könnte. Sie waren sich der Gefahr bewusst, nahmen diese aber in Kauf. Wird schon nicht so kommen, dachte man sich beim englischen Meister, als man João Cancelo Ende Januar gehen ließ und an den FC Bayern für ein halbes Jahr auslieh. Ein Aufeinandertreffen in der K.o.-Phase der Champions League? Wäre ganz schön viel Lospech! Erstens kam es anders – und zweitens als City dachte.

João Cancelo: Vom Stammplatz auf die Bank

Warum sie den hochdekorierten Nationalspieler doch haben gehen lassen? Erstens war's ein gutes Geschäft, weil sich die Skyblues das üppige Gehalt des 28-Jährigen fortan einsparten. Die Münchner übernahmen das Salär komplett, mussten dafür keine Leihgebühr überweisen.

Außerdem konnte der Katalane Guardiola der Legende nach nicht mehr mit dem – so wurde kolportiert – teils wankelmütigen Portugiesen Cancelo. Während der Außenverteidiger zuvor bis auf wenige Ausnahmen nahezu alle Spiele der Saison für City absolviert hatte – und das fast immer von Beginn an – war Mitte Januar plötzlich Schluss mit Vertrauen und Stammplatz.

Cancelo kennt Manchester City und Guardiola in- und auswendig

Drei Partien saß Cancelo draußen, durfte keine Minute mehr spielen und erhielt ganz schnell die Freigabe, als Bayern anklopfte. An der Säbener Straße wunderte man sich – aber gut: einem (nahezu) geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. 

Nun ist Cancelo zurück in Manchester. Als Bayern-Profi. Als Gegner. Als höchst unbequemer Gegner, da er alles weiß über City und Guardiola, schließlich steht er seit August 2019 bei den Skyblues unter Vertrag. 154 Pflichtspiele, neun Tore, 22 Vorlagen. Einen besseren Informanten hätte sich Bayern-Trainer Thomas Tuchel vor dem Viertelfinal-Duell der Münchner mit Manchester City nicht ausmalen können.

Kennen sich gut aus Zeiten bei Manchester City: Pep Guardiola (l.) und João Cancelo.
Kennen sich gut aus Zeiten bei Manchester City: Pep Guardiola (l.) und João Cancelo. © IMAGO / Sportimage

Anders als City: Chelsea will Informanten-Situation vermeiden

Nicht ohne Grund verweigert sich der FC Chelsea aktuell komplett, seinen Co-Trainer Anthony Barry nach München gehen zu lassen. Auf ausdrücklichen Wunsch von Tuchel soll der 38-Jährige dessen Trainerteam komplettieren, man kennt und schätzt sich aus gemeinsamen Tagen in London.

Doch bei Chelsea hat man im Auge, dass es im Halbfinale möglicherweise zu einem Duell mit den Bayern kommen könnte – sollten sich beide durchsetzen (Chelsea müsste die Hürde Real Madrid überspringen). Und da käme ein Überläufer höchst ungelegen. Abgesehen davon ist es natürlich auch ein Poker ums liebe Geld, um eine Ablösezahlung. 

Hilft Tuchel Cancelos Insider-Wissen?

Offenbar hatte City diese Bedenken bei Cancelos Leihe nicht. Hilft Tuchel nun das Insiderwissen, das aktuellste Pep-Knowhow? Steigen damit Bayerns Chancen auf den Halbfinal-Einzug? "João kennt die Muster von City, aber ich würde sagen, dass ich die auch ganz gut kenne", sagte Tuchel am Vorabend des Spiels in Manchester mit einem Lächeln. Und ja, stimmt – wer kennt Guardiolas System und Philosophie besser als Tuchel, der den Meister als Lehrling einst verehrte?

Nun hat Tuchel das Mosaiksteinchen Cancelo in seinem Köcher, den ballsicheren und offensivstarken Außenverteidiger, wie einst Philipp Lahm rechts und links einsetzbar. "Es ist nicht so einfach für ihn in einer neuen Kultur", sagte Tuchel und verteidigte damit die schwankenden Leistungen des Portugiesen, der zu Beginn im Februar alle begeisterte, aber schon kurze Zeit später in ein Leistungsloch fiel.

Thomas Tuchel bei der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Kracher.
Thomas Tuchel bei der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Kracher. © IMAGO / PA Images

Tuchel über Cancelo: "Ich hoffe, er kann seine Emotionen balancieren"

Plötzlich saß der Top-Transfer auf der Bank, mit sich und der Welt hadernd. Im Achtelfinale der Königsklasse gegen Paris St.Germain (1:0/2:0) kam Cancelo insgesamt lediglich 49 Minuten zum Einsatz – zu wenig für einen Mann seiner Klasse. "Ich hoffe, er kann seine Emotionen balancieren und ist weder übermotiviert noch zu schüchtern", meinte Tuchel auf einen möglichen Einsatz von Cancelo an seiner alten Wirkungsstätte angesprochen.

Ob Tuchel über das Saisonende hinaus mit ihm planen kann? Zieht Bayern die mit City fixierte Kauf-Option in Höhe von 70 Millionen Euro? Eher nicht. Außer Cancelo trägt mit zwei Top-Leistungen entscheidend zum Weiterkommen bei und spielt indirekt einen Teil seiner möglichen Ablösesumme rein. Dann, und nur dann würden die Bayern die Verhandlungen mit City aufnehmen, um die Summe zu drücken. Für den Moment sagt Tuchel: "Ich bin einfach glücklich, dass er bei uns ist, musste oft genug gegen ihn spielen. Ich kenne seine Qualität."

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