FC Bayern – Schnippische Aussage von Noch-Coach Thomas Tuchel lässt aufhorchen: "Als Arbeitnehmer nicht alle Optionen"

Nach turbulenten Tagen beim FC Bayern führt die späte Erlösung gegen Leipzig durch Doppelpacker Harry Kane zu offener Selbstkritik bei Spielern und Bossen: "Es wirft ein schlechtes Bild auf uns alle."
von  Patrick Strasser
Traf gegen RB Leipzig doppelt: Bayern-Stürmer Harry Kane.
Traf gegen RB Leipzig doppelt: Bayern-Stürmer Harry Kane. © IMAGO/Bernd Feil

München - Nach drei Niederlagen hintereinander war die Welt des FC Bayern aus den Fugen geraten und der Trainerstuhl von Thomas Tuchel heftig ins Wanken. Das 2:1 gegen RB Leipzig wurde - um im Bild des Abends zu bleiben - eine knappe Kiste und man mag sich gar nicht vorstellen, was bei einer erneuten Niederlage in den folgenden Tagen losgewesen wäre. Die nächste Krisensitzung, eine Abkehr von der vereinbarten Scheidung, sprich die sofortige Trennung?

Tuchel über Bayern-Aus: "Als Arbeitnehmer haben Sie nicht alle Optionen"

In einem "offenen, guten Gespräch" mit dem Chefcoach sei man am Dienstag "einvernehmlich", so Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen, zum Entschluss gekommen, sich trotz des bestehenden Vertrages bis Sommer 2025 am Saisonende vorzeitig trennen. Einvernehmlich? Wer am Samstagabend bei Tuchels Aussagen im ZDF zwischen den Zeilen gut hinhörte, mag Gegenteiliges vermuten.

"Als Arbeitnehmer haben Sie nicht alle Optionen, nicht alle Trümpfe in der Hand", sagte er verschmitzt lächelnd und fügte schnippisch hinzu: "Wenn diese eine Woche ausreichend Anlass ist, diese Entscheidung zu treffen, muss ich das akzeptieren. Persönliche Befindlichkeiten werden hintangestellt." Auch die seiner Spieler, siehe etwa Joshua Kimmich.

Kane erlöst den FC Bayern mit einem Doppelpack

Rein sportlich sorgte Torjäger Harry Kane nach dem Negativ-Lauf mit seinen Liga-Treffern Nummer 26 und 27 (im 23. Saisonspiel!) für gelöste Gesichter, für den nun so erhofften Umschwung. Der Brite traf zwei Mal mit links, ohne die Treffer der stürmenden Lebensversicherung stünde man auf Rang. . . - gar nicht auszumalen! Die Dramaturgie des 2:1-Siegtreffers in der Nachspielzeit und die sofort einsetzende, allgemeine Erleichterung erlaubte den Protagonisten eine ehrliche Reflexion des angekündigten Abschieds von Tuchel.

"Es wirft ein schlechtes Bild auf uns alle. Jeder Spieler sollte ein schlechtes Gewissen haben und sich an die eigene Nase fassen, weil wir es nicht geschafft haben, das Ganze mit einem Top-Trainer weiterzuführen", sagte Manuel Neuer bei Sky und zog einen Vergleich heran: "Es ist nicht so wie in der Schule, dass immer der Lehrer schuldig ist an den schlechten Zeugnisnoten."

"Müssen uns alle Hinterfragen": Hainer mit klarer Ansage

Führen eine gewisse Reue und die Erkenntnis der Mitschuld vonseiten des Teams doch noch zu einem versöhnlichen Ausgang der Bayern-Saison? Verhilft das Team nun Tuchel, dessen Ruf als Welttrainer in den vergangenen elf Monaten in der Mühle FC Bayern mitsamt dem "extremen Tagesgeschäft" (Müller) gelitten hat, zu einer Rehabilitierung?

Müller, der noch während der Partie am Spielfeldrand mit Tuchel scherzte, sagte: "Es ist schon signifikant, dass wir in den Anfängen der Spiele, wo man den Matchplan noch eher umsetzen kann, wesentlich besser spielen. Das Tischtuch ist also nicht völlig zerschnitten, auch wenn wir Probleme hatten." Selbst die Bosse schwenkten ein in den unerwarteten Kurs der Selbstanklage. "Wenn der FC Bayern dreimal hintereinander verliert, dann müssen wir uns alle hinterfragen. Die Mannschaft, der Trainer, wir in der Führung. Das ist nicht unser Anspruch", sagte Präsident Herbert Hainer.

Fand nach dem Sieg gegen RB Leipzig klare Worte: Bayern-Präsident Herbert Hainer.

Max Eberl wird wohl am Montag neuer Sportvorstand des FC Bayern

Abgesehen davon stellte Hainer fest: "Wir haben jetzt drei Trainer innerhalb nicht allzu langer Zeit (Hansi Flick, Julian Nagelsmann und Tuchel, d.Red.) ausgetauscht, das spricht nicht unbedingt für uns." Vorstandsboss Dreesen forderte "wieder mehr Kontinuität auf dem Trainerstuhl." Dafür soll ab Sommer Mister X sorgen - sei es nun Xabi Alonso, der baldige Leverkusener Meistermacher, Stuttgarts Coach Sebastian Hoeneß oder ein international hochdekorierter Fachmann wie Zinedine Zidane.

Über den Neuen wird auch Max Eberl entscheiden. Am Montag wird dessen Berufung durch Bayerns Aufsichtsrat abgesegnet, sodass der 50-Jährige seinen Job als Sportvorstand zum 1. März, also kommenden Freitag, antreten kann. Dann bleiben ihm knapp drei Monate, um gemeinsam mit dem Trainer auf Zeit die Saison anständig zu beenden. Nach dem Erfolg gegen Leipzig sagte Tuchel gelöst: "Wer weiß, wo uns dieser Sieg noch hinführt." Und: "Im Sport ist immer alles möglich, auch ein Happy End." Für kuriose Wendungen ist der Fußballgott immer zu haben.

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