Kommentar

FC Bayern: Schlagabtausch mit Karl Lauterbach - Der nette Herr Flick hat sich vergaloppiert

AZ-Sportreporter Bernhard Lackner über den Schlagabtausch zwischen Bayern-Coach Hansi Flick und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.
von  Bernhard Lackner

Jetzt ist Hansi Flick also auch endgültig als Verantwortlicher beim FC Bayern angekommen. Titel hatte er seit seiner Amtsübernahme im November 2019 ohnehin schon zur Genüge gesammelt, auf allzu polarisierende Auftritte hatte er dabei - ganz im Gegensatz zur Chefetage - gänzlich verzichtet. Bis zum vergangenen Sonntag.

Rund vier Minuten dauerte der Monolog von Hansi Flick, der auch während seiner Brandrede in Richtung Karl Lauterbach trotz scharfer Worte nicht aus der Rolle des abgeklärten, weitsichtigen Diplomaten fiel. Dumm nur, dass der Bayern-Coach dabei doch ziemlich übers Ziel hinausgeschossen ist.

Die Katar-Reise des FC Bayern war nachvollziehbar

Tatsächlich steckte in Flicks Worten zunächst auch viel Wahres. Ist es aus Bayern-Sicht nachvollziehbar, die historische Chance auf die Klub-WM und den sechsten Titel innerhalb eines Jahres - samt ordentlichem Preisgeld und internationalem Prestige - wahrzunehmen? Ja natürlich.

Auch aus Pandemiebekämpfungs-Sicht war die Reise ins Emirat aufgrund eines detaillierten Hygienekonzepts vertretbar. Die Flüge ins Emirat und zurück erfolgten in Chartermaschinen, die Zeit vor Ort verbrachten die Spieler größtenteils isoliert in ihren Hotelzimmern. Dennoch infizierte Spieler wie Thomas Müller wurden durch engmaschige Testungen schnell ausgesiebt und vom Team isoliert - weitere Corona-Fälle gab es bei den Bayern nicht.

Bei eben jenen Verweisen hätte es der sonst so reflektierte Flick nicht nur belassen können, sondern müssen. Nun mag man von Karl Lauterbach halten, was man will. Einen derart profilierten Gesundheitsexperten, dessen warnende Prognosen sich seit Ausbruch der Pandemie bedauerlicherweise sehr oft als richtig erwiesen haben, als "sogenannten Experten" abzukanzeln, ist im derzeit enorm aufgeheizten gesellschaftlichen Klima aber respekt- und verantwortungslos.

Öffentliche Morddrohungen und Gewaltaufrufe gegen Lauterbach

Seit Monaten sehen sich politische Entscheidungsträger wie Wissenschaftler enormen Anfeindungen ausgesetzt. Lauterbach selbst machte am Sonntag einmal mehr auf übelste Beleidigungen, öffentliche Morddrohungen und Aufrufe zur Gewalt gegen seine Person aufmerksam, auch in den Kommentarbereichen unter der Berichterstattung der AZ wurde der Gesundheitsexperten angegangen.

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Wer sich als Trainer des FC Bayern - Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge hatte das Thema Vorbildfunktion zuletzt in einem anderen, nicht weniger polarisierenden Kontext auf die Agenda gesetzt - derart unreflektiert und abschätzig äußert, handelt fahrlässig und gefährlich.

Attacke gegen Lauterbach: Flick widerspricht sich selbst

Als sei das noch nicht genug, führte Flick auch noch seine eigene Forderung ad absurdum. "Wenn ich nicht in der Verantwortung stehe und mir am Ende das Ergebnis anschaue, kann ich das immer leicht bewerten", meinte Flick, um sich nur wenig später in die Corona-Debatte einzumischen. Konkret empfahl Flick den "sogenannten Experten" und der Politik, sich mal zusammenzusetzen und ein konkretes Konzept zu entwickeln, "dass man irgendwann Licht im Tunnel sieht. Das ist aktuell zu wenig für die Bevölkerung."

Ein Beispiel beim Umgang in Sachen Meinungsäußerung zu fachfremden Themen könnte sich Flick im Übrigen bei seinen Trainerkollegen nehmen. So stellte Jürgen Klopp schon zu Beginn der Pandemie klar, dass man sich von ihm keine Einschätzungen zum neuartigen Virus erwarten brauche. "Menschen wie ich, ohne das nötige Wissen, sollten nichts sagen. Meine Meinung ist wirklich unwichtig", meinte der Liverpool-Coach, ähnlich äußerte sich Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann: "Sie fragen doch auch keinen Virologen, wie man gegen Wolfsburg spielt."

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