Interview

FC-Bayern-Präsident Herbert Hainer im Interview: "Wir haben aus der Vorsaison gelernt"

Im exklusiven AZ-Interview spricht Herbert Hainer über seine Zukunft als Klub-Oberhaupt, die starken Neuzugänge, Lewandowski, Kahn und Salihamidzic: "Ich wünsche mir, dass Hasan weitermacht."
von  Maximilian Koch
Sieht den FC Bayern für die anstehende Saison bestens gerüstet: Präsident Herbert Hainer.
Sieht den FC Bayern für die anstehende Saison bestens gerüstet: Präsident Herbert Hainer. © picture alliance/dpa/Getty Images Europe/ FC Bayern München

Washington - AZ-Interview mit Herbert Hainer: Der 68-Jährige ist seit 2019 der Präsident des FC Bayern.

AZ: Herr Hainer, der FC Bayern hat nun auch noch Matthijs de Ligt verpflichtet und damit diese Transferperiode gekrönt. Wie ist die Atmosphäre auf der USA-Reise?
HERBERT HAINER: Sowohl bei der Mannschaft als auch im Vorstand, Präsidium und Aufsichtsrat ist die Stimmung sehr gut, weil genau die Dinge, die wir vor Monaten besprochen haben, eins zu eins umgesetzt wurden. Dass wir diese Spieler jetzt holen, ist kein Zufall. Sie waren lange auf den Listen unserer Scouts und unserer sportlichen Verantwortlichen. Aber es ist natürlich nicht immer so, dass man alle Spieler von diesen Listen auch bekommt - daher sind wir sehr zufrieden, dass uns diese Transfers gelungen sind. Kompliment an Oliver Kahn, Hasan Salihamidzic und alle, die daran beteiligt waren. Diese Verpflichtungen sind einfach top: Ob nun Sadio Mané, ein Weltklassefußballer, aber total bescheiden, oder de Ligt, der mit 22 schon sehr selbstbewusst ist und genau weiß, um was es geht. Aber genauso können sich unsere Fans auch auf Ryan Gravenberch und Noussair Mazraoui freuen.

Herbert Hainer über de Ligt: "So einer tut jeder Mannschaft gut"

De Ligt ist körperlich eine echte Erscheinung. Hat ein solcher Anführer in der Abwehr bisher gefehlt?
Wir haben in der letzten Saison zu viele Gegentore bekommen. Das lag nicht an der Qualität der einzelnen Spieler, sondern an unserem gesamten Defensivverhalten. De Ligt hat früh gelernt, den Ton anzugeben. So einer tut jeder Mannschaft der Welt gut.

Jetzt haben Sie mit de Ligt und Lucas Hernández das teuerste Abwehrduo der Welt - werden die beiden auch das beste Defensiv-Tandem der Welt?
Titel werden in der Defensive gewonnen, jede Mannschaft braucht verlässliche Kräfte in der Abwehr. Es liegt jetzt am Trainerteam, mit diesen Top-Spielern eine stabile Defensive zu formen. Wir haben für die Zentrale ja auch noch Dayot Upamecano, Benjamin Pavard und Tanguy Nianzou.

"Man muss immer fokussiert bleiben, bis zur letzten Sekunde"

Wie ist Ihr Gefühl für die kommende Saison?
Ich bin sehr optimistisch, dass wir aus der Vorsaison gelernt haben.

Welche Fehler meinen Sie da genau?
Unser Defensivverhalten erwähnte ich ja schon. Und bei unserem Viertelfinal-K.o. in der Champions League sowie beim Ausscheiden im Pokal haben wir gelernt, dass wir in wichtigen Spielen Top-Leistung abrufen müssen, ohne Wenn und Aber. Wir sind da ja nicht ausgeschieden, weil wir die schlechtere Mannschaft haben, sondern weil wir einfach in diesen Begegnungen nicht da waren.

Herbert Hainer im Gespräch mit AZ-Reporter Maximilian Koch (l.)
Herbert Hainer im Gespräch mit AZ-Reporter Maximilian Koch (l.) © ho

So was kann man sich nicht leisten, man muss immer fokussiert bleiben, bis zur letzten Sekunde. Aber das weiß der Trainer alles. Er wird das Team in der neuen Saison sicher so einstellen, dass uns so was nicht mehr passiert. Ich bin guter Dinge. Wir haben eine sehr gute Mannschaft mit einem sehr guten Stamm: Manuel Neuer, Thomas Müller, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Kingsley Coman, Serge Gnabry, dazu der junge Jamal Musiala - das sind alles Nationalspieler, klangvolle Namen. Diese Spieler haben wir um Neuzugänge ergänzt, die wir gerne haben wollten: Wir wollten uns beispielsweise auf der rechten Verteidigerposition verstärken, wir wollten im defensiven Mittelfeld noch jemanden haben, um noch flexibler zu sein, wenn Spieler ausfallen. Das alles haben wir geschafft.

Kann man nun auch ohne Robert Lewandowski die höchsten Ziele ausrufen wie den Sieg in der Champions League?
Wir wollen in der Champions League um den Titel mitspielen. Robert kann man nicht eins zu eins ersetzen. Jetzt muss Julian Nagelsmann die Aufgabe auf mehrere Schultern verteilen, er hat ja schon vom neuen FC Bayern gesprochen. Ich sehe das als Chance für viele Spieler, für Sané, Gnabry, Coman beispielsweise. Ich glaube, dass wir in dieser neuen Konstellation weniger ausrechenbar sind.

Lewy-Wechsel nach Barcelona: "Es ist eine Win-win-win-Situation"

Bleibt Lewandowski trotz des provozierten Wechsels eine Bayern-Legende, oder hat er sein Denkmal beschädigt?
Robert ist ein Weltklassespieler, einer der besten Spieler der vergangenen Jahre. Er hat uns geholfen, alles zu gewinnen - wobei es immer zwei Seiten gibt, denn ohne unsere hervorragende Mannschaft hätte auch er seine Ziele nicht erreicht. Er ist hier unter anderem zwei Mal Weltfußballer geworden. Am Ende ist es eine Win-win-win-Situation geworden: Barcelona ist froh, Lewandowski zu haben, er ist froh, für Barcelona zu spielen, und wir sind froh, dass es einen guten Abschluss gefunden hat und wir eine beträchtliche Ablöse bekommen haben, um in die Zukunft zu investieren.

Wie erleben Sie Sadio Mané in den ersten Wochen?
Das ist ein exzellenter Fußballer und ein super Bursche, unheimlich nett, zuvorkommend, höflich, gut erzogen und mit Witz ausgestattet. Ich bin überzeugt, dass er das Zeug zum Publikumsliebling hat.

Könnte Ryan Gravenberch die Überraschung werden?
Ein paar unserer Spieler haben mir nach den ersten Trainingseinheiten gesagt: Wow, der Kerl hat keine Scheu, und der gibt vom ersten Tag an wirklich alles. Viele europäische Top-Klubs wollten ihn, wir sind froh, dass er bei uns ist.

Bayern-Präsident Herbert Hainer erwartet Erfolge

Hat Julian Nagelsmann in seiner zweiten Saison mehr Druck als in der ersten?
Wir sind natürlich nicht glücklich, dass wir im DFB-Pokal in der 2. Runde und im Champions-League-Viertelfinale ausgeschieden sind. Das ist nicht unser Anspruch. Wir investieren viel in die Mannschaft und erwarten Erfolge. Jeder, der zum FC Bayern kommt, weiß, dass wir hier höchste Ziele anstreben, auch Julian ist sich dessen bewusst. Druck ist hier normal, den haben wir alle.

Haben Sie es durchweg positiv aufgenommen, dass sich Nagelsmann in der vergangenen Saison oft zu Themen fernab des Sportlichen geäußert hat?
Als Trainer des FC Bayern gibst du im Champions-League-Rhythmus alle drei Tage eine Pressekonferenz. Da liegt es ja auf der Hand, dass er zu allen möglichen Themen gefragt wird und Stellung beziehen musste. Ich finde, es ist ja gerade seine Stärke, dass er ein sehr kommunikativer Typ ist.

Bestnote für Salihamidzic: "Ich wünsche mir, dass Hasan weitermacht"

Welche Note würden Sie Sportvorstand Hasan Salihamidzic in der aktuellen Transferperiode geben?
Eine 1, weil er mit seinem Team bislang alle Ziele erreicht hat, die wir gemeinsam formuliert hatten. Dann gibt es auch die Bestnote.

Wird der Vertrag von Salihamidzic über 2023 hinaus verlängert?
Wir haben gesagt, dass wir erstmal die Transferperiode beenden und uns dann in Ruhe hinsetzen, um über die Zukunft zu reden.

Was würden Sie sich persönlich wünschen?
Ich wünsche mir, dass Hasan weitermacht. Er arbeitet auf jeden Fall mit Leib und Seele für den FC Bayern, und das gefällt mir sehr. Mich freut es zudem ungemein, dass er nun auch positive Kritiken bekommt, nachdem man jahrelang bei ihm nicht unbedingt von einem fairen Umgang sprechen konnte.

Herbert Hainer: "Oliver Kahn hat bisher viele innovative Ideen eingebracht"

Wie sieht es bei Ihnen aus: Wollen Sie im Herbst für eine weitere Kandidatur als Bayern-Präsident kandidieren?
Ich bin heute Morgen beim Weißen Haus vorbeispaziert und habe mir gedacht: Präsident von Amerika, das ist sicher kein einfacher Job. Da ist es doch viel schöner, Präsident des FC Bayern zu sein. (lächelt) Aber jetzt im Ernst: Für mich ist es eine große Ehre und Freude. Aber wir haben noch Zeit, und wie sagte Franz Beckenbauer so schön: Schaun mer mal.

Bis wann wollen Sie entscheiden, ob Sie kandidieren?
Auch in meinem Fall sehe ich es wie bei Hasan: Jetzt bringen wir erst einmal die Transferperiode zu Ende, danach widmen wir uns den nächsten Themen.

Uli Hoeneß hat von Oliver Kahn gefordert, dass er etwas offensiver, forscher auftreten sollte, wie früher als Torwarttitan. Wie sehen Sie das?
Oliver hat ja selbst neulich gesagt, dass er sich vorgenommen hat, in der Öffentlichkeit präsenter zu werden als in seinem ersten Jahr. Das setzt er konsequent um. Er hat beim FC Bayern bisher viele innovative Ideen eingebracht, die bereits mehr und mehr zum Tragen kommen und diesen Verein noch zukunftsfähiger machen. Wer Oliver Kahn kennt, weiß: Er hat als Spieler alles für den FC Bayern gegeben, und das hat sich in seiner neuen Rolle nicht geändert. Er will mit diesem Klub weitere Kapitel der Erfolgsgeschichte schreiben. Ich bin felsenfest überzeugt, dass die Zukunft beim FC Bayern kommen kann: Sie hat bereits angefangen - und sie sieht sehr gut aus.

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