FC Bayern: Patrik Andersson: Wie ich mich in der Bundesliga unsterblich machte
Der Siegtreffer von Patrik Andersson zur Meisterschaft des FC Bayern 2001 ist legendär. Im AZ-Interview erinnert sich der Schwede.
München - Es ist einer der berühmtesten Momente in der Geschichte der Bundesliga: Mai 2001, Bundesliga-Finale. FC Bayern München gegen den Hamburger SV. Bis zur Nachspielzeit steht es 0:0. Der HSV trifft, dann schlägt die Stunde von Patrik Andersson. Der Schwede lässt die Zeit in der AZ Revue passieren.
AZ: Herr Andersson, wenn Sie heute an diese vier Minuten im Mai 2001 denken, an Ihr Tor gegen den Hamburger SV, das den FC Bayern doch noch zum Meister machte – und Schalke zum Meister der Herzen: War das ein Fußballwunder?
PATRIK ANDERSSON: Ja, es war ein kleines Wunder. Der Moment wird immer in meinem Kopf bleiben, mein ganzes Leben. Ich war dieses Jahr in der Bayern-Erlebniswelt, dort gibt es eine Ausstellung zu meinem Tor.
Als ich das alles gesehen habe, waren die Sekunden von Hamburg wieder sehr präsent. Was damals passiert ist, ist genau das, was Bayern immer ausgezeichnet hat: Nie aufgeben, immer daran glauben.
Andersson: "Effenberg und Kahn haben uns aufgerichtet"
Lassen Sie uns nochmal zurückblicken auf diese dramatischen Minuten. Bis zur Nachspielzeit war Bayern Meister, es stand 0:0, ein Punkt hätte zum Titel gereicht. Doch dann traf Hamburgs Sergej Barbarez.
Wir haben das Spiel zuvor voll kontrolliert, und dann fällt dieses Tor. Vielleicht haben wir nicht genug auf Sieg gespielt, diesen Vorwurf kann man uns machen. Aber als Barbarez dann getroffen hat, haben wir nicht aufgehört zu spielen, wir haben nicht aufgegeben. Ich habe an Barcelona 1999 gedacht.
An das verlorene Champions-League-Finale der Bayern gegen Manchester United? Sie waren doch damals noch Gladbacher.
Das stimmt, aber dieses Spiel in Barcelona hat mir gezeigt, dass im Fußball alles möglich ist. Stefan Effenberg und Oliver Kahn haben uns nach dem Tor aufgerichtet. Diese Charaktere machen letztlich den Unterschied aus. Und wir hatten zum Glück einige davon in der Mannschaft.
Der entscheidende Freistoß
Als die Schalker schon feierten, gab es eine letzte Chance für Bayern: einen indirekten Freistoß im Hamburger Strafraum. Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie geschossen haben?
Ich hatte in Gladbach öfter Freistöße geschossen, bei Bayern noch gar nicht. Michael Tarnat und Mehmet Scholl standen nicht auf dem Platz, Effe hatte zuvor ein paar Freistöße vergeben. So fiel die Wahl auf mich, weil ich einen harten Schuss hatte. Effe hat entschieden. Er hat mir gesagt, ich soll schießen und ihn reinmachen.
Und dann flutscht Ihr Freistoß durch diese winzige Lücke.
Das sind die Kleinigkeiten, die im Fußball entscheiden. Der Hamburger Spieler (Andreas Fischer, d.Red.) war gerade erst eingewechselt worden, vielleicht war er deshalb noch nicht richtig da und hat mir diese Lücke gegeben. Ein bisschen Glück musst du natürlich haben, wenn 20 Spieler vor dir im Strafraum stehen.
"Pure Ekstase" nach dem Tor
Können Sie sich an die Sekunden nach dem Treffer erinnern?
Es war die pure Ekstase. So einen Moment gibt es nie wieder in deinem Leben. Alles platzt, alles explodiert in dieser Sekunde. Ich habe die Mitspieler auf der Bank gesehen, die völlig durchgedreht sind. Ich habe einfach nur geschrien, die Arme nach oben gerissen und bin gerannt.

Frenetischer Jubel beim FC Bayern: Die Spieler um Torschütze Patrik Andersson (Mi.) freuen sich in Hamburg über die Last-Minute-Meisterschaft. (Foto: imago/Eisele)
Es war das wichtigste Tor Ihrer Karriere.
Ja, sicher. Ich habe mich damit unsterblich gemacht in München. Ein paar Tore habe ich danach noch geschossen, aber ein Freistoßtor nie wieder.
Hatten Sie Mitleid mit dem FC Schalke?
Es war natürlich ein bitterer Moment für sie, aber wir wollten eben alle Gewinner sein. Mitleid hatte ich nicht.
Bayern-Dusel? "Du verdienst das Glück"
Anschließend wurde vom Bayern-Dusel geredet.
Das ist eben Bayern. Du verdienst das Glück, es kommt nicht einfach so zu dir.
Vier Tage später wurde Ihre Mannschaft in Mailand Champions-League-Sieger. Wäre dieser Triumph ohne Hamburg möglich gewesen?
Diese Meisterschaft hat uns sehr viel Kraft gegeben. Ich weiß nicht, wie das Endspiel gegen Valencia ausgegangen wäre, wenn wir in Hamburg den Titel verspielt hätten. In Mailand war es der Abend von Oliver Kahn. Er hat überragend gehalten, auch Bälle, die eigentlich schon im Tor waren.
Ihr Abend war es nicht. Sie haben gleich zu Beginn einen Strafstoß verschuldet – und sind dann im Elfmeterschießen an Valencia-Keeper Canizares gescheitert.
Deshalb musste ich mich bei Olli bedanken.
Champions-League-Finale? "Wird mal wieder Zeit"
Wie war die Feier in Mailand?
Direkt nach dem Ende des Spiels, als Olli den letzten Elfmeter von Pellegrino gehalten hatte, konnte ich nicht feiern. Ich habe mich geärgert über meinen verschossenen Elfmeter, ich bin Perfektionist. Aber im Laufe des Abends hat sich das gelegt. Es war eine schöne Feier bis in den frühen Morgen. Einfach unglaubliche Tage damals.
Wie stehen die Titelchancen der aktuellen Mannschaft in der Champions League?
Unter Jupp Heynckes haben sich die Bayern klar verbessert. Wenn alle Spieler fit sind, können sie die Champions League gewinnen. Paris Saint-Germain gehört auch zu den Favoriten – trotz der Niederlage in München, ebenso Manchester City.
In der Champions League zählt vor allem Erfahrung – und die hat Bayern. 2013 standen sie zuletzt im Finale und haben gewonnen. Es wird mal wieder Zeit.
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