FC Bayern ohne Lebensversicherungen: Was in der Mannschaft wirklich fehlt

Der FC Bayern stolpert im Titelrennen, verliert mit 1:3 gegen Leipzig und gibt dabei erneut eine Führung aus der Hand. "Wir brechen dann weg wie in vielen anderen Spielen – zufällig passiert das nicht!"
von  Patrick Strasser
Vollkommen bedient: Die Bayern um de Ligt, Kimmich und Müller (v.l.) nach dem 1:3-Debakel gegen RB Leipzig.
Vollkommen bedient: Die Bayern um de Ligt, Kimmich und Müller (v.l.) nach dem 1:3-Debakel gegen RB Leipzig. © sampics/Augenklick

München - Die guten, teils sehr guten alten Zeiten waren am Samstagabend alle im Stadion. Arjen Robben und Franck Ribéry, die Helden des Triples 2013, herzten und umarmten sich. Bundestrainer Hansi Flick saß auf der Vip-Tribüne der Allianz Arena neben Urgestein und Fanliebling Hermann Gerland. 2020 holten sie gemeinsam das Triple plus drei Bonus-Titel. Doch die Erfolge sind verblasst, die Realität bedrückend. Aschfahl und versteinert rutschten weitere Granden der Vereinsgeschichte am Ende des 1:3 gegen RB Leipzig in ihre roten Sessel.

FC Bayern hat gerade eine Baustelle zu viel

Hier Oliver Kahn, der Vorstandschef und Sportvorstand Hasan Salihamidzic, Champions-League-Sieger von 2001. Dort Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die Macher von einst. Wer aus dem Bosse-Quartett wirklich Vergangenheit und wer die Zukunft des Vereins sein wird, lässt sich nicht klar sagen. Aber das ist nur eine der vielen Baustellen aktuell, auf der bei der Aufsichtsratssitzung am 30. Mai Hand angelegt werden soll.

Joshua Kimmich: "Ein Spiegelbild der Saison"

Ebenso dringend wie eine Reform der Entscheidungsträger scheint eine Überarbeitung der Mannschaft, die nach der 1:0-Führung von Serge Gnabry den Sieg und die Meisterschaft ohne ersichtlichen Grund völlig fahrlässig wegschenkte. Ein wiederkehrendes Muster. Joshua Kimmich nannte es "ein Spiegelbild der Saison. Wir brechen dann weg wie in vielen anderen Spielen in der Rückrunde – zufällig passiert das nicht." Konkret passierte es acht Mal: Gegen Stuttgart (2:2 nach zweimaliger Führung), in Dortmund (2:2 nach 2:0) und in Leipzig (1:1) vergeigte man einen Vorsprung in der Hinrunde.

Nicht nur in der Hinrunde wird gepatzt

Die Rückrunden-Patzer: gegen Frankfurt (1:1), in Leverkusen (1:2/zugleich das letzte Spiel unter Trainer Julian Nagelsmann), dann gegen Hoffenheim (1:1), in Mainz (1:3) und nun gegen Leipzig (1:3). Macht unterm Strich nur fünf erzielte Punkte von 24, die nach Führung möglich waren. Dazu kommt, ebenfalls unter Thomas Tuchel, das Pokal-Aus im Viertelfinale gegen Freiburg als man ebenfalls den ersten Treffer erzielte.

Fans verlassen noch während Spiel in Strömen die Arena

Warum der Faden reißt, dann "gar nichts mehr da ist" (Kimmich)? Spieler, Tuchel ("Unerklärlich! Nur die ersten 30 Minuten waren okay") und die Bosse übertrafen sich in unterschiedlichen Formulierungen, die Ratlosigkeit und Ohnmacht ausdrückten. Mia san ein Rätsel, mia san ratlos. An was liegt der immer wiederkehrende Einbruch aus heiterem Himmel, der tausende Fans noch während des Spiels – sehr zum Unmut der Ultras – aus der Allianz Arena Richtung U-Bahn und Parkhaus flüchten ließ?

Eine AZ-Analyse:

Keine Achse mehr: Torhüter und Kapitän Manuel Neuer ist seit Dezember mit Schien- und Wadenbeinbruch im Krankenstand, während Top-Torjäger Robert Lewandowski den FC Barcelona zum Meistertitel in Spanien ballerte. Damit fehlen die zwei Lebensversicherungen, vorne und hinten. David Alaba, früher Bayerns Abwehrboss, hält seit 2021 bei Real Madrid die Defensive (weitestgehend) zusammen. Die einstige Achse samt der Struktur ist weggebrochen. Auch weil Thomas Müller im Spätherbst seiner Karriere, speziell unter Tuchel, nicht mehr gesetzt ist.

Ohne Führung ist die beste Mannschaft verloren

Keine Führungsspieler mehr: Die sind verletzt, weg oder in ihrer Wirkung beschränkt. Ein Joshua Kimmich, ein Leon Goretzka werden den Ansprüchen von echten Leadern nicht gerecht – auch Kingsley Coman, Mitglied des Mannschaftsrates, nicht. Mit Abstrichen erfüllt die noch Matthijs de Ligt, der 23-Jährige spielt sein erstes Jahr in München. Aus Führungsspielern sind Führungenverlierer geworden. Kahn hat "das Gefühl, alles bricht zusammen, wenn mal ein Gegentor fällt oder wenn die Situation schwierig wird, wenn Widerstand entsteht."

Kein Hunger mehr: Doch zu satt nach zehn Meisterschaften in Serie? Beim Kontertor nach eigener Ecke zum 1:1 habe man "zu soft" verteidigt, kritisierte Tuchel. "Vielleicht", sagte Salihamidzic, "brauchen sie auch mal eine Saison, in der sie erleben, wie es ist, keinen Titel zu bekommen." Kann helfen, muss aber nicht. . .

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