FC Bayern oder Dortmund? Das AZ-Duell

Das Finale in Wembley spaltet nicht nur die Republik, sondern auch die AZ. Hier duellieren sich Chefredakteur Arno Makowsky und sein Vize Georg Thanscheidt – natürlich mit Worten
Arno Makowsky, Georg Thanscheidt |
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Das Objekt der Begierde aus unterschiedlicher Perspektive: Der Champions-League Pokal vor einem Jahr in der Allianz Arena als Bayern-Choreografie und vor sechs Wochen im Westfalenstadion.
sampics Das Objekt der Begierde aus unterschiedlicher Perspektive: Der Champions-League Pokal vor einem Jahr in der Allianz Arena als Bayern-Choreografie und vor sechs Wochen im Westfalenstadion.

Spätestens ab Samstag, 20.45 Uhr, ist Deutschland wieder gespalten – in einen roten und in einen schwarz-gelben Teil: 48 Prozent der Deutschen drücken Borussia Dortmund die Daumen, 21 Prozent den Bayern. Wenn’s ums Gewinnen geht, schaut’s anders aus – 45 Prozent glauben daran, dass der FC Bayern in Wembley den Champions-League-Titel holt, nur ein Drittel traut dem BVB den Sieg zu.

Dieser Riss geht nicht nur durch die Republik, sondern auch durch die Chefredaktion dieser Zeitung. Dabei spiegelt sich hier sowohl die aktuelle Tabellensituation in der Bundesliga wie auch die jahrzehntelange Dominanz des Rekordmeisters wider: Die Nummer 1 der Abendzeitung ist Arno Makowsky (52), Münchner Eigengewächs und überzeugter Fan des FC Bayern. Der Vize-Titel geht auch in der AZ an den BVB: Der stellvertretende Chefredakteur Georg Thanscheidt (44) ist als Kind des Ruhrgebiets ein Borusse.

Beide sind natürlich überzeugt von einem Sieg des persönlichen Favoriten. Die Rivalität zwischen den beiden Vereinen und die Frage, wie man sich nur zu den Bayern bzw. zu Dortmund hingezogen fühlen kann, war gerade in den letzten Jahren Quell zahlreicher Diskussionen in der AZ. Und bekanntlich nicht nur dort.

Vor dem bundesrepublikanischen „Clásico“, dem deutsch-deutschen Endspiel in Wembley, haben wir Arno Makowsky und Georg Thanscheidt zum Fan-Duell gebeten.

„Wir sind Sieger aus Prinzip“

 

Bayern-Fan Arno Makowsky über die Wurzeln seiner Leidenschaft und die Ideologie der Elite

Arno Makowsky (52) ist seit 2008 AZ-Chefredakteur. Der gebürtige Münchner hat schon in der Grundschule sein Herz an den FC Bayern verloren. 

Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem ich Bayernfan geworden bin. Es war auf dem Schulhof der Fürstenrieder Schule in Laim, ich ging in die 2.<TH>Klasse. Da stellte mir mein Freund Axel die ultimative Münchner Frage: „Bist du Bayern oder Sechzig?“

Die Frage war damals nicht abwegig, die Löwen waren 1966 Meister geworden, die Bayern noch nicht auf Erfolg abonniert. Keine Ahnung, was mich dazu gebracht hat, die Frage mit „Bayern“ zu beantworten. Vielleicht, weil Rot meine Lieblingsfarbe ist. Ein Spiel hatte ich jedenfalls noch keines gesehen. In erster Linie war es wohl Zufall. Noch heute bin ich dem Schicksal dankbar, dass es mich so früh in die richtige Richtung gelenkt hat.

Natürlich ahnt man als Siebenjähriger nicht, welche weitreichenden Folgen eine solche Entscheidung hat. Dass man ihr ausgeliefert ist, ein Leben lang, auch als Student in Zeiten des Zweifels (am Kapitalismus im Allgemeinen und an der Vereinspolitik von Uli Hoeneß im Besonderen). Und spürt doch mit wachsender Begeisterung, welche besondere Faszination hinter diesem FC Bayern steckt. Hinter dem unbedingten Willen zum Erfolg. Hinter der Entschlossenheit, sich an Siegen zu berauschen. Nicht „Steh auf, wenn Du am Boden bist“ ist das Motto – damit richten sich Underdogs wieder auf.

Der FC Bayern verkörpert nicht die Ideologie der Underdogs, sondern der Elite. Er muss nicht wieder aufstehen, weil er nicht am Boden liegt, zumindest nicht im übertragenen Sinne (na gut, praktisch erinnere ich mich an ein, zwei Gelegenheiten). Wir sind Sieger aus Prinzip. Und damit das immer so bleibt, kaufen wir dem Gegner den besten Spieler weg. Ist doch ok, oder?
Das alles klingt nicht so besonders sympathisch, zugegeben. Und es gehört zum Schicksal jedes Bayernfans, sich als elitärer Schnösel, als blöder Erfolgsstreber beschimpfen zu lassen. Das auszuhalten, ist die beste Schule des Lebens.

Es ist ja ein ausgesprochenes Missverständnis zu glauben, die Anhänger des FC Bayern würden es sich besonders leicht machen, weil ihr Verein immer gewinnt. Zum Beispiel findet es meine Tochter (wie die meisten Frauen ohne Ahnung vom Fußball, aber mit Herz für Randgruppen) „total langweilig und blöd“, dass ich auf Seiten der Sieger stehe. In Wahrheit werden wir Bayernfans überall angefeindet, vor allem im Rest der Republik. Zum Beispiel im Westen, wo die jahrelang zu kurz Gekommenen jetzt aufmucken. Wir müssen hart für unsere Überzeugung kämpfen. Und, ja, es fällt uns nicht besonders schwer.

Wobei mir persönlich das offizielle Vereinsmotto „Mia san mia“ zu protzig-provinziell ist. Viel besser gefällt mir Franz Beckenbauers listiges „Schaun mer mal“. Das ist selbstbewusst und verkauft eine Portion Giesinger Grantelei als lässige Fähigkeit zur Selbstkritik. Davon abgesehen verweist der Spruch des Kaisers auf einen Leitsatz Münchner Lebensart: Ein bisserl was geht immer.
Ob es beim BVB auch so etwas gibt: Selbstbewusstsein gepaart mit ein paar Selbstzweifeln? Keine Ahnung. Ist mir auch wurscht. So viel Arroganz muss einem Bayernfan ja erlaubt sein.

„Darum singen und tanzen wir“ 

 

BVB-Fan Georg Thanscheidt über Klatschpappen-Unfug und die Dortmunder Fankultur

Georg Thanscheidt (44) ist seit fünf Jahren Vize-Chefredakteur

 

Es gibt wenig Dinge, die einen Fan von Borussia Dortmund fassungslos machen. Aber Klatschpappen gehören definitiv dazu. Die erste Begegnung mit diesem Objekt der Fan-Unkultur hatte ich im August 2012. Da spielte Borussia Dortmund um den Supercup. Da der BVB zu diesem Zeitpunkt sowohl amtierender Meister wie Pokalsieger war, hätte man diesen Gaudi-Cup eigentlich auch intern ausspielen können. Da das aber ein wenig langweilig geworden wäre, hat man halt den FC Bayern dazu gebeten.

Gespielt wurde in der Allianz Arena – und da sah ich sie das erste Mal: Diese Dinger, von denen niemand weiß, ob sie nun Klatschpappen oder Pappklatschen heißen. Meine Vorderleute im Dortmund-Block waren genau so fassungslos wie ich: „Guck mal, haben die keine Arme? Oh Mann, das geht ja gar nicht.“ Ich hätte es nicht gedacht. Aber man kann sich auch für einen Bayern-Fan schämen.

Angeblich werden diese Lärm-Fächer regelmäßig von den Roten verteilt. Für mich sind sie der Papier gewordene Misstrauensantrag des FCB gegen die eigene Anhängerschaft. Und sie stehen stellvertretend für das, was die beiden Vereine, die sich morgen im Wembley-Stadion gegenüberstehen, unterscheidet: die Fan-Kultur.

Ich will hier gar nicht zum wiederholten Male herausstellen, dass die BVB-Anhänger die besseren, weil agileren Fans sind. Wer das immer noch nicht weiß, kann sich morgen Abend am Bildschirm oder im jeweiligen Stadion davon überzeugen. Und, nein: Die Dortmunder Begeisterungsfähigkeit hängt nicht daran, dass die armen Bergleute in Revier „ja sonst nix anderes haben“. Wenn es danach ginge: Die Fußballbegeisterung im Allgäu oder in der Oberpfalz müsste gigantisch sein.

Ich will hier aber nicht das Hohe Lied von „Echter Liebe“ singen – das ist in meinen Ohren so falsch und platt wie Bayerns „Mia san mia“. Ich will versuchen zu erklären, was die BVB-Fankultur stark und in der Bundesliga einzigartig macht. Auch weil ich den Eindruck habe, dass das hier in München nicht verstanden wird.

Jürgen Klopp versucht, den Verein als „Arbeiterverein“ zu positionieren. Das ist Romantik pur – und gerade deswegen nicht Realität. „Arbeitervereine“ gibt es auch im Ruhrgebiet nicht mehr. Aber es gibt Vereine, in denen Arbeit, das stetige Bemühen, die Anstrengung im Team eine große, eine tragende Rolle spielen. Und es gibt Regionen, in denen dieses Verständnis von Sport auf einen tradierten Werte-Kanon trifft, in dem harte, auch körperliche Arbeit anerkannt wird und in dem Herkunft und Äußerlichkeiten dann unwichtig werden, wenn es um den Erfolg des Teams geht.
Borussia Dortmund ist so ein Verein. Das Ruhrgebiet ist so eine Region. Und weil es zudem meine Heimat ist, bin ich BVB-Fan.

Das ist natürlich ebenso hoffnungslos romantisch. Denn natürlich weiß ich, dass viele Spieler meines „Arbeitervereins“ gerade auf dem Weg sind, Millionäre zu werden. Manche sogar bei den Bayern.

Aber der Arbeits-Ethos, der Malocher-Mythos ist das, was uns BVB-Fans antreibt, uns zusammenhält. Deswegen singen wir, tanzen wir, hüpfen Arm in Arm auf und ab auf den Tribünen. Und applaudieren eigenhändig. Auch morgen.

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