FC Bayern: Nix mehr Müller, oder was?

Bayerns dienstältester Kicker sitzt immer öfter nur auf der Bank – weil vorne jetzt dieser Zauberfuß aus Brasilien einen Zuckerpass nach dem anderen spielt. Doch Thomas Müller bleibt ruhig - noch.
von  Patrick Strasser
Thomas Müller sitzt vor dem Spiel lachend auf der Bank.
Thomas Müller sitzt vor dem Spiel lachend auf der Bank. © Armando Franca/AP/dpa

München - Müller spielt immer – hieß es einst. Heute muss es heißen: Spielt immer weniger eine Rolle. Der Ausspruch seines Förderers Louis van Gaal wird Thomas Müller (30) ein Leben, na ja zumindest eine Karriere lang, begleiten. Damit wurde die Fallhöhe markiert für Tage wie diese. Wenn der offensive Freigeist außen vor ist. Weil Trainer Niko Kovac so frei ist.

In den letzten vier Pflichtspielen des FC Bayern saß Müller bei Anpfiff auf der Bank, kam auf insgesamt lediglich 39 Minuten Einsatzzeit. Am Samstag droht ein Rekord.

Thomas Müller stand zuletzt Mitte September in der Startelf des FC Bayern

Fünf Mal hintereinander hat es noch kein Trainer gewagt, auf den Mann, der den X-Faktor ins Spiel bringt, zu verzichten. Kein van Gaal, kein Jupp Heynckes (der sowieso nicht!), kein Pep Guardiola (der immerhin 2014 an vier Bundesliga-Spieltagen in Folge), auch kein Carlo Ancelotti.

Zuletzt stand Müller Mitte September beim 1:1 in Leipzig in der Startelf, lieferte im Spitzenspiel eine perfekte Vorlage für den Führungstreffer von Robert Lewandowski, tauchte danach jedoch in den Untiefen seines für Experten und ihn selbst unerklärlichen Raumdeuter-Spiels ab. Inklusive Vermisstenmeldung. Müller ist der Typ Spieler, der es schafft, auf dem Platz durch seine Laufintensität und motivatorischen Fähigkeiten ständig präsent und gleichzeitig unauffindbar zu sein.

Ist für Thomas Müller kein Platz auf dem Feld?

Ein fußballerisches Doppelleben. Mit dem Start der Champions-League-Gruppenphase gegen Belgrad am 18. September war Müller raus. Coutinho, der neue Heilsbringer aus Brasilien, ausgeliehen für eine Saison vom FC Barcelona, ist als Spielmacher gesetzt. Für ihn änderte Kovac sein System. Für beide, das bestätigte bereits der Kroate, für Coutinho und Müller ist kein Platz auf dem Feld.

Und diesen Samstag? Gegen gebeutelte Hoffenheimer, die nicht mehr diese Nagelsmann-Ausstrahlung haben und keinen Nagelsmann-Fußball mehr spielen, sondern von Cheftrainer-Neuling Alfred Schreuder gecoacht werden, könnte doch Müllers Stunde schlagen.

Ja, könnte. "Nein, ich kann dazu nichts sagen“, antwortete Kovac auf die Frage, ob Müller in der Allianz Arena ran dürfe. Dann erklärte der Bayern-Trainer: "Es ist so: Es geht darum, dass wir am Wochenende gewinnen, und wir werden wie an jedem Spieltag versuchen, für uns die beste Lösung zu finden – ob das mal so ist oder so.“

Klingt nicht gut für ihn. Alles nix mehr Müller – oder was? 494 Pflichtspiele hat Müller, bayerische Institution und Fanliebling, bestritten. Macht Rang neun in der Vereinshistorie. Und 186 Tore erzielt, damit liegt er lediglich hinter Lewandowski (205), Karl-Heinz Rummenigge (217) und Gerd Müller (506). In dieser Saison jedoch kommt er auf nur 420 von 900 Spielminuten, stand also nicht mal mehr in der Hälfte der Zeit auf dem Rasen.

Kovac: "Es ist nicht so, dass wir würfeln und sagen: Haste Glück, haste Pech“

Über die komplette Distanz machte er genau eine Partie: beim 3:1 in der ersten Runde im Pokal bei Energie Cottbus. Ebenfalls unter Wert und deutlich unter seinem Anspruch: ein einziger Treffer. Beim 3:0 gegen Belgrad glückte ihm ein wunderschöner Volleyschuss nach Thiago-Lupfer. Ein mittelprächtiger Trost.

"Wir machen uns tagtäglich Gedanken. Es ist nicht so, dass wir würfeln und sagen okay: Haste Glück, haste Pech“, rechtfertigte Kovac seine Aufstellungsentscheidungen ohne auf Müller, neben Lewandowski Vize-Kapitän, im Detail einzugehen.

Der Vertrag des dienstältesten Münchners (seit 2000 bei Bayern, Profidebüt im August 2008) läuft bis 2021, über eine Verlängerung wurde noch nicht gesprochen. Seine Bedeutung in Zahlen: 21 Titel hat er mit seinem Herzensverein gewonnen, ist mit 106 Einsätzen Bayerns Rekordspieler in der Champions League. Für seinen aktuell größten Verdienst gibt es keine Trophäen, keine Statistiken: Müller bleibt ruhig, er motzt nicht. Und das müllert wirklich!

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