FC Bayern München: Trainer-Legende Jupp Heynckes würdigt Bastian Schweinsteiger im AZ-Interview

Triple-Trainer Jupp Heynckes würdigt in der AZ die Karriere von Bastian Schweinsteiger und traut ihm eine Rolle in der Bayern-Führung zu. "Er ist prädestiniert", sagt er.
Interview: Maximilian Koch |
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Teil des Triples 2013: Bastian Schweinsteiger (links) und Jupp Heynckes feiern nach dem Sieg gegen den VfB Stuttgart den Triumph im DFB-Pokal.
Kay Nietfeld/dpa Teil des Triples 2013: Bastian Schweinsteiger (links) und Jupp Heynckes feiern nach dem Sieg gegen den VfB Stuttgart den Triumph im DFB-Pokal.

Der 73-Jährige führte den FC Bayern 2013 zum Triple. Nach seinem Trainer-Comeback in der vergangenen Saison verabschiedete er sich in den Ruhestand.

AZ: Herr Heynckes, heute bestreitet Bastian Schweinsteiger sein Abschiedsspiel in der Münchner Arena. War es für Sie klar, dass Sie sich diesen besonderen Abend nicht entgehen lassen?
JUPP HEYNCKES: Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, zu seinem Abschiedsspiel zu kommen. Ich freue mich auf das Spiel und darauf, ihm persönlich zu begegnen. Ich habe mit Bastian in den vergangenen Jahren immer wieder Kontakt gehabt, über WhatsApp geschrieben und telefoniert. Der Kontakt ist nie abgerissen.

Was verbinden Sie mit dem Menschen und Spieler Schweinsteiger, den Sie lange beim FC Bayern trainiert haben?
Er hat jetzt ja auch im privaten Bereich sein Glück gefunden. Mit seiner Frau Ana und seinem Sohn hat er eine kleine, wunderbare Familie beisammen. Für das spätere Leben ist das sehr wichtig. Für mich ist Bastian ein Ausnahmefußballer, eine echte Persönlichkeit, ein Vorbild für die Jugend. Er hat das Spiel des FC Bayern und der Nationalmannschaft über Jahre geprägt und beeinflusst. Wir haben große Erfolge zusammen gefeiert, das verbindet uns. Er war immer ein ganz besonderer Spieler für mich.

Bilder: Schweinsteiger zurück an der Säbener Straße

Heynckes: Schweinsteiger war immer um Konsens bemüht

Welche Qualitäten haben Schweinsteiger so besonders für Sie gemacht?
Das Spezielle an Schweinsteiger ist, dass er so viele Qualitäten vereint: Er ist ein Leader, er hat Visionen, er hat großes taktisches Verständnis, das fußballerische Talent, er kann fighten und er hat die Psyche, um in Stresssituationen stabil zu bleiben. Deshalb ist er einer der besten Mittelfeldspieler in der Geschichte des deutschen Fußballs. Im Bayern-Team hatte er eine ganz starke Position. Er hat an Veränderungen mitgewirkt und damals schon wie ein Trainer gedacht. Er war immer um Konsens bemüht. Wenn ein Spieler mal unzufrieden war, ist er hingegangen und hat gesagt: "Hey, wir sind 20 Topspieler, alle wollen spielen. Am Ende zählt der Erfolg der Mannschaft." Deshalb war er für mich ein ganz wertvoller Spieler, der mir meine Arbeit erleichtert hat.

Können Sie sich Schweinsteiger denn auch als Trainer vorstellen? Ich hoffe nicht, dass er Trainer wird. (lacht) Ich würde ihm von einer Trainerkarriere abraten, weil sich die Spielergeneration geändert hat. Die jüngere Generation ist nicht mehr so wie die Triple-Mannschaft. Der Zeitgeist ist ein ganz anderer. Spieler wie Schweinsteiger haben noch von den Älteren gelernt, von einem Oliver Kahn etwa, einem Thomas Linke oder Mehmet Scholl. Sie mussten sich wirklich integrieren, Teamwork und Professionalität erlernen. Bastian war zu Beginn seiner Karriere ein Lehrling, der von den Älteren gelernt hat und dann eine tolle Entwicklung genommen hat.

Welchen Platz nimmt Schweinsteiger in der Geschichte des deutschen Fußballs ein?
Es gab viele große Mittelfeldspieler. Bastian ist in einem Atemzug mit diesen Spielern zu nennen, mit Wolfgang Overath, Günter Netzer und Lothar Matthäus. Den größten Erfolg haben Sie gemeinsam 2013 gefeiert mit dem Triple.

Markus Söder verleiht Bastian Schweinsteiger den Bayerischen Verdienstorden

Heynckes: Bastian konnte auch feiern

Wäre dieser Triumph ohne Schweinsteiger überhaupt möglich gewesen?
Bastian war in dieser Mannschaft einer der führenden Spieler, wie auch Philipp Lahm, Manuel Neuer, Thomas Müller, Franck Ribéry und Arjen Robben. Es gab damals viele Führungsspieler, das war unsere große Stärke. Der Erfolg war nur möglich, weil wir Top-Charaktere in der Mannschaft hatten. Das waren gestandene Männer, auch ein Dante oder Mario Mandzukic, die sehr wichtig waren.


Der Champions-League-Sieg in Wembley gegen Borussia Dortmund. Foto: firo/Augenklick

Welche Erinnerungen haben Sie an die Triple-Party?
Bastian konnte auch feiern. (lacht) 2013 hat man das gesehen, bei vielen anderen Spielern genauso. In Berlin hatte sich die Mannschaft damals nach dem Pokalfinale um eine passende Location für die Triple-Party gekümmert. Sie wollten dem Alten, mir, nochmal einen schönen Abschied bereiten. Also bin ich mitgekommen in diese Berliner Diskothek, es war eng, stickig und richtig laut. Und trotzdem war es eine traumhafte Nacht mit meinen Spielern.

2014 hat Schweinsteiger seine Karriere gekrönt – mit dem WM-Titel und einer faszinierenden Leistung im Finale.
Bastian hat eine Ära in der Nationalelf geprägt. 2014 war er einer der entscheidenden Spieler, im Endspiel sogar der wichtigste Spieler auf dem Platz. Da musste gekämpft werden und Bastian ist vorne weggegangen. Er hat das Signal gegeben, Weltmeister zu werden. Das hat ihn immer ausgezeichnet: Er ist in engen Spielen vorne weggegangen. Im WM-Finale war er der Mann, der bis zum Umfallen gekämpft hat. Er war für alle anderen Spieler ein Vorbild auf dem Platz.

Heynckes: James kann fighten wie Schweinsteiger

Sollte sich der FC Bayern darum bemühen, Schweinsteiger bald ins Management des Klubs zu holen?
Ich weiß nicht, was Bastian für eine Lebensplanung hat. Aber von seinem Renommee her, seinem Image, seinem Charakter und seiner Historie im Fußball ist er prädestiniert, eine Führungsposition beim FC Bayern einzunehmen. Natürlich müsste er noch dazulernen. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge haben auch Jahre gebraucht, um ganz oben anzukommen. Aber das ist im Bereich des Möglichen, Bastian ist dazu in der Lage. Die Frage ist nur, ob er den steinigen Weg mit dieser extremen Belastung gehen will, sich das Wissen anschaffen will – oder ob er nicht doch ein ruhigeres Leben präferiert. Bastian müsste sicher 50, 60 Stunden die Woche arbeiten. Und das nach zehn, zwölf anstrengenden Jahren als Spieler bei Bayern. Das muss er sich überlegen. Es ist für die Fans natürlich eine romantische Vorstellung, Philipp Lahm und Schweinsteiger später in der Bayern-Führung zu sehen. Aber beide müssen auch bereit dafür sein. So eine Position musst du mit Herzblut und absoluter Hingabe ausfüllen. Das haben Uli und Kal-Heinz über Jahrzehnte gemacht.

Gibt es im aktuellen Bayern-Kader Spieler, die Sie an Schweinsteiger erinnern?
Leon Goretzka ist ein sehr guter Spieler, aber er muss sich erstmal entwickeln und auf Bayern-Niveau kommen. Das war auch bei Bastian so. Der hat als junger Spieler viel Blödsinn gemacht. Corentin Tolisso ist ein super Junge mit einem tollen Charakter. Über Javi Martínez müssen wir ja gar nicht reden. Auch James ist einer, der wie Bastian fighten kann. Das muss man als Trainer aus ihm herauskitzeln. James ist eine hochsensible Seele, ein hochbegabter Fußballer. Ein Straßenfußballer, der in Kolumbien aufgewachsen ist. Zé Roberto hat mal zu mir gesagt: "Entweder du schaffst es in diesen Ländern zum Profifußballer, oder du wirst kriminell und landest in einer Gang." Du kommst da nur raus, wenn du ein außergewöhnlicher Spieler mit großem Kampfgeist bist. Das sieht man heute bei James.

Was trauen Sie denn dem Bayern-Team des neuen Trainers Niko Kovac in dieser Saison zu?
Der FC Bayern ist für die Zukunft sehr gut aufgestellt. Der Klub hat ein riesiges Spielerpotenzial, es sind einige junge Spieler dazugekommen. Hasan Salihamidzic arbeitet sehr fleißig daran, dass der Umbruch gelingt. In dieser Saison wird Bayern wieder deutscher Meister werden und eine gute Rolle in Europa spielen. Wir haben vergangene Saison gesehen, was in der Champions League möglich gewesen wäre. Ich traue dem FC Bayern eine erfolgreiche Saison zu. Niko Kovac muss seinen eigenen Weg gehen, seinen Stil und seine Philosophie einbringen. Dann bin ich mir sicher, dass er den FC Bayern zum Erfolg führen wird. Für junge Trainer ist der FC Bayern das Sprungbrett für eine erfolgreiche Karriere.

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