FC Bayern: Müller rechnet nach Topspiel-Pleite schonungslos mit Teamkollegen ab

Leverkusen - Der FC Bayern wird im Top-Spiel von Bayer Leverkusen in seine Einzelteile zerlegt, mit 3:0 aus der BayArena geschossen und hinkt dem Tabellenführer nun fünf Punkte hinterher. Wegen unerwarteten taktischen Umstellungen stand Thomas Tuchel nach dem Spiel direkt in der Kritik. Thomas Müller lässt nach dem Spiel einiges an Dampf ab, doch seine Kritik zielt jedoch in eine andere Richtung.
Bayer schlägt Bayern – Xabi Alonso schlägt Thomas Tuchel
Doch von vorn: Es war das absolute Spitzenspiel, das der deutsche Fußball im Moment zu bieten hat! Tabellenerster gegen Tabellenzweiter, Bayer Leverkusen gegen Bayern München, Xabi Alonso gegen Thomas Tuchel. Während Alonso von ganz Leverkusen geliebt und auch nach dem 3:0-Sieg fanatisch gefeiert wird, wird es für Tuchel (schon wieder) ungemütlich. Bereits seit seinem Amtsantritt sieht sich der 50-Jährige immer wieder Kritik ausgesetzt. Gegen Leverkusen sorgte der taktisch versierte Cheftrainer mit einer tiefgreifenden taktischen Umstellung für Verwunderung.
Vor Leverkusen-Kracher: Tuchel forderte eine "Statement-Leistung"
Erstmals seit dem 26. Spieltag der vergangenen Saison ließ Thomas Tuchel seine Mannen in einer Dreierkette auflaufen, der neu verpflichtete Rechtsverteidiger Sacha Boey agierte als linker Schienenspieler – eine Position, die der Franzose noch nie gespielt hatte. Dennoch wollte weder Thomas Tuchel noch Bayerns Lautsprecher schlechthin – Thomas Müller – den Grund der Niederlage an der Taktik festmachen.
Vor dem Spiel hatte Tuchel noch gefordert, "die Karten auf den Tisch zu legen" und "die Hosen runter" zu lassen. Man habe genug "Gewinner in unseren Reihen, große Persönlichkeiten, die ihre Energie daraus ziehen, jetzt ein Ausrufezeichen zu setzen", gab sich Tuchel kämpferisch und ergänzte: "Wir wollen eine Statement-Leistung." Davon war jedoch nichts zu sehen. Die Mannschaft wirkte nach ordentlichem Beginn in der Situation zum 0:1 schläfrig, abwesend. Nicht titelreif?
Thomas Müller macht seinem Ärger Luft: "Da fehlen uns teilweise die Eier"
Thomas Müller wollte nach dem Spiel die Schuld nicht an der taktischen Grundformation oder gar an Trainer Thomas Tuchel festmachen. "Ich bin angefressen", lauteten Müllers erste Worte am "Sky"-Mikrofon. Auch wenn sich der Ur-Bayer "bei der Analyse kurz halten" wollte, ließ er seinem Ärger freien Lauf. "Im Training zeigen wir deutlich bessere Ansätze, weil wir da mutig sind, weil wir frei Fußball spielen", lautete Müllers Grundansatz. Sind die Bayern also zu feige? Haben die Bayern die Hosen gar nicht erst an, die Thomas Tuchel forderte, herunterzulassen?
Auf jeden Fall fehlte es den Münchnern nach Müllers Sicht - Zitat: "und jetzt können wir unseren Oliver Kahn zitieren - teilweise die Eier". Mit immer lauter werdender Stimme redete sich der zweimalige Triple-Sieger in Rage und erklärte weiter: "Wir haben eine Verkopftheit in unserem Spiel. Wenn du Leverkusen anschaust: Da ist doch auch nicht jeder Schachzug geplant. Die zocken einfach, die spielen Fußball, die suchen Lösungen, da bietet sich einer an. Das machen wir auch – aber nicht im Spiel, wenn der Druck da ist. Und das erwarte ich von unserer Mannschaft – vom FC Bayern – immer. Man darf den Druck spüren, aber das muss einem Energie geben."
Auch wenn es "mal zäh" sei fordert Müller von seiner Mannschaft einfache fußballerische Weisheiten: "Dann bring' den Ball öfter in die gegnerische Hälfte, spiel' mal einen langen Ball – von mir aus einfach ins Aus. Dann gibt's Einwurf und wir könnten zustellen". Die am Samstagabend auf dem Platz gestandene Bayern-Mannschaft tat jedoch genau das Gegenteil, wie Müller schonungslos analysierte: "Wir spielen von A nach B, von B nach C und keiner hat die Freiheit, dass er einfach zu zocken beginnt."
Müller: "Wir waren heute nicht da!"
Vor allem verstand der 34-Jährige nicht, wieso all das im Training da sei. Auch deswegen nimmt er seine Teamkollegen in die Pflicht – und nicht Thomas Tuchel: "Der Trainer spricht diese Dinge ja an. Wir müssen dann auch mal als Spieler anpacken und heute waren wir nicht da!" Man habe 0:3 verloren und das trotz der Tatsache, dass "genügend Spieler von internationalem Format auf dem Platz" waren. Auch deswegen verbietet es sich laut Müller, "in Richtung Trainer zu schießen".
Wenn man Müllers Worten genau lauschte, hörte man immer wieder die Kritik an den einfachen Fertigkeiten, die es als Fußballprofi benötigt – dem einfachen Fußball-ABC. "Das hat mit einer gewissen Spielintelligenz zu tun, mit einer gewissen Selbstständigkeit auf dem Platz, Entscheidungen zu treffen, welchen Laufweg ich mache. Und in der Defensive hat es was damit zu tun, wie aggressiv gehe ich raus, erkenne ich Situationen? Da müssen wir uns dringend steigern."
Lothar Matthäus nimmt Tuchel nicht aus der Pflicht: "Er muss sich hinterfragen"
Deutschlands Rekordnationalspieler und Ex-Münchner Lothar Matthäus wollte Tuchel nach dem Spiel derweil nicht so ganz außen vorlassen. Auch wenn er die Kritik Müllers teile, zweifelt der zweimalige Weltfußballer an der taktischen Entscheidung Tuchels - gerade vor einem solch wichtigen Spiel. "Die Mannschaft hat nicht die Sicherheit. Die Entscheidungen, die Thoma/s Tuchel
Wenn man 0:3 verliere, dann "hat man natürlich auch mit der Aufstellung von Anfang an Fehler gemacht". Auch deswegen schlussfolgert Matthäus: "Da muss sich der Trainer auch selbst hinterfragen. Die Mannschaft, wie sie heute auf dem Platz stand, die hat nicht diese flüssigen, schnellen Abläufe wie Bayer Leverkusen."
Tuchel hingegen sah den Grund der Niederlage nicht in der taktischen Herangehensweise und beteuerte nach dem Spiel: "Ich würde es wieder so machen."