FC Bayern München-Held Olk erinnert sich an den Triumph 1969

Vor 50 Jahren feiert der FC Bayern die erste Bundesliga-Meisterschaft. Hier erinnert sich Ex-Kapitän Olk: "Zebec hat uns rangenommen, dass wir geflucht haben wie die Rohrspatzen".
von  Florian Kinast
Meister! Die Bayern-Stars Dieter Brenninger, Rainer Ohlhauser, Helmut Schmidt, Georg Schwarzenbeck, Werner Olk, Franz Roth (mit Schale), Peter Pumm, Gerd Müller, Franz Beckenbauer und Gustl Starek (v.l.) bei der Ehrenrunde im Grünwalder Stadion nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft im Jahre 1969. Erstmals wurde die Schale 1949 verliehen.
Meister! Die Bayern-Stars Dieter Brenninger, Rainer Ohlhauser, Helmut Schmidt, Georg Schwarzenbeck, Werner Olk, Franz Roth (mit Schale), Peter Pumm, Gerd Müller, Franz Beckenbauer und Gustl Starek (v.l.) bei der Ehrenrunde im Grünwalder Stadion nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft im Jahre 1969. Erstmals wurde die Schale 1949 verliehen. © imago

München - Bierduschen gab es noch keine. Die Dusche kam von weit oben, vom Himmel über Giesing, als sich die Spieler des FC Bayern an diesem verregneten Juni-Nachmittag nach einem bedeutungslosen 2:1 gegen Hannover 96 zu ihrer Ehrenrunde aufmachten. Auf den halbleeren Rängen des Grünwalder Stadions säumten 19.000 Zuschauer die Tribünen, in der Stehhalle gegenüber der Haupttribüne intonierten sie den Evergreen von dem Tag, der so wunderschön sei wie heute.

In der Westkurve sah man keine Menschen. Nur ein Meer aus Regenschirmen. Kein Konfetti, kein Firlefanz, kein Tam-Tam. Stattdessen ein schlichtes Holzpodest, auf dem Bayern-Kapitän Werner Olk von DFB-Präsident Hermann Gösmann mit "Walter Olk" begrüßt wurde und dann die Meisterschale entgegennahm.

Die erste Schale - ein Bundesliga-Rekord für alle Ewigkeit

So war das 1969, als der FC Bayern die zweite Deutsche Meisterschaft nach 1932 feierte, die erste davon in der Bundesliga, mit acht Punkten vor Alemannia Aachen – bevor man eine Woche später mit dem Pokalsieg auch das erste Double der Klubgeschichte holte.

An diesem Samstag, 50 Jahre später, werden die 69er-Meister vor dem Spiel gegen Hannover in der Arena geehrt, man wird an eine Saison erinnern, als man mit nur 13 Spielern den Titel holte. Ein Bundesliga-Rekord für alle Ewigkeit. Und sie werden natürlich Gerd Müller gedenken, der seit Jahren mit Demenz in einem Pflegeheim lebt. "Unser Gerdchen", wie Werner Olk immer liebevoll sagt, wenn er von seinem alten Mitspieler spricht.

Olk war mit 31 Jahren der damals älteste Spieler

Olk ist heute 81, er lebt in Harlaching, unweit der Säbener Straße. Von einer "außergewöhnlichen Saison" erzählt Olk im Rückblick, von einem Wendepunkt in der Geschichte des FC Bayern. Olk war mit 31 der damals älteste Spieler. Er war eine der prägenden Figuren der Mannschaft, die 1965 aufstieg, 1966 den Pokal gewann und 1967 den Europacup. Aber als die Erfolge in der Saison danach ausblieben, auch weil es Tschik Cajkovski im Training eher gemütlich angehen ließ, brauchte es einen neuen Mann. Einen harten Hund. So sinnierte Präsident Wilhelm Neudecker auch zuhause in Bad Wiessee beim Forellenfischen am Söllbach lange über einen möglichen Nachfolger – bis er sich Branko Zebec angelte.

Zebec, ein Perfektionist, ein Stratege. "Der erste Taktiker, den wir hatten", sagt Olk, "unter Branko wurde unser Spiel abgeklärter und auch effizienter." Zebec war natürlich auch ein kalter Autokrat. Widerspruch war zwecklos, ein Schleifer, gegen den Werner Lorant mitmenschlich wie der barmherzige Samariter anmutet.

Beckenbauer: "Bei Branko Zebec endete unsere Jugend"

"Der Branko hat uns rangenommen, dass wir geflucht haben wie die Rohrspatzen", erzählt Olk: "Als wir in der Sportschule Grünwald im Trainingslager waren, sind wir am dritten Tag nicht mehr aus dem Bett gekommen, so einen Muskelkater hatten wir." Sie mussten aber aus dem Bett, zeitig, manchmal ging es schon sieben Uhr morgens los. Zirkeltraining, 15 Stationen. Franz Beckenbauer sagte später einmal: "Bei Branko Zebec endete unsere Jugend." Die lässige Unbekümmertheit der frühen Jahre wich einem nüchternen Pragmatismus.

Vom 3. Spieltag an standen die Bayern an der Tabellenspitze – und rückten davon auch nicht mehr ab. Den Titel sicherten sie sich am 32. Spieltag, mit einem 5:1 gegen Offenbach. Nach dem letzten Spiel ging es in die Innenstadt. Nicht wie heute auf den Rathausbalkon, stattdessen auf den Parkplatz an der Blumenstraße, heute Standort der Schrannenhalle. Vor einem Tribünenprovisorium am Hochbunker versammelten sich einige hundert Fans, dann zog die Mannschaft zum Galadinner in den Rittersaal des Stadtmuseums. Auf dem Speisezettel: Geflügelsalat "Diable", Schweinslendchen vom Rost mit Paprika, Auberginen, Kaiserschoten und Curryreis, danach Erdbeeren in Grand Marnier mit Schlagrahm.

Die Bayern waren überspielt

Eine Woche später holten die Bayern dann auch den Pokal. Im Finale in Frankfurt gegen Schalke, 2:1, zweimal Müller. Ein Beleg der neuen Sachlichkeit, dass den Bayern in jener Saison im Pokal von der ersten Runde bis zum Titel in sechs Spielen ganze acht Tore reichten. Sieben davon schoss Müller. In der Liga erzielte er 30 der gerade einmal 61 Treffer.

Und wie ging es weiter? Die folgende Saison wurde geprägt vom Triumph der jungen, frechen Fohlen-Elf vom Niederrhein, der Beginn der Dauerrivalität in den Siebzigern zwischen München und Mönchengladbach.

Die Bayern hingegen waren überspielt, Zebec hatte das Pensum überzogen, dazu schickte Präsident Neudecker die Mannschaft des Geldes wegen kreuz und quer zu Freundschaftsspielen, über die Dörfer und um die Welt. Höhepunkt: Zwischen dem 3. und 4. Spieltag flogen die Bayern mal eben nach Casablanca, weil Marokkos König Hassan II. einen Pokal ausspielte.

1970: Verletzungsbedingtes Karriereende für Olk

Im März 1970 löste Udo Lattek Branko Zebec ab und begründete endgültig die große Ära der Bayern mit einem Pokalsieg, drei Meisterschaften und drei Landesmeister-Cups.

Werner Olk beendete Ende 1970 seine Karriere. Verletzungsbedingt nach einem Bandscheibenvorfall. "Ich sah beim Gehen aus wie der schiefe Turm von Pisa", sagt er. Später wurde er Trainer, war in zwei Phasen insgesamt sechs Jahre Assistent bei Bayern. Unter Dettmar Cramer, Lattek, Heynckes.

Einmal die Woche trifft sich Olk immer mit ehemaligen Bayern-Spielern im Gasthof von Wiesn-Wirt Toni Roiderer in Straßlach, dann sprechen sie von den alten Zeiten und den neuen – und natürlich von Gerd Müller, der in seinem Heim lebt und in seiner eigenen Welt. Und der, wie Peter Kupferschmidt, Verteidiger bei den 69er-Meistern, diese Woche in einem Telefonat erzählte, auch Mitspieler wie ihn nicht mehr erkennt, wenn sie mal vorbeischauen auf einen Besuch. Die Bayern werden ihn vermissen am Samstag, bei der Ehrung in der Arena, vergessen werden sie ihn nie. Ihr Gerdchen.

Servus, Niko! Die Bayern-Trainer der letzten 20 JahreLesen Sie auch: Uli Hoeneß beim FC Bayern - 40 Jahre Self-Made-Macher

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.