FC Bayern München: Das sagt Oliver Kahn im AZ-Interview über Ex-Kollege Bastian Schweinsteiger

Im AZ-Interview spricht Torwart-Ikone Oliver Kahn über Erinnerungen an den jungen Bastian Schweinsteiger, den Handtuchstreit und andere Reibereien. "Zwischen uns ist nie etwas hängen geblieben", sagt er.
von  Patrick Strasser
"Ein guter Junge, der hat einen guten Charakter": Oliver Kahn (links) über Bastian Schweinsteiger. Anno 2008.
"Ein guter Junge, der hat einen guten Charakter": Oliver Kahn (links) über Bastian Schweinsteiger. Anno 2008. © Rauchensteiner/Augenklick

Der jetzt 49-jährige ehemalige Nationalkeeper spielte von 1994 bis 2008 beim FC Bayern, seit 2002 war Bastian Schweinsteiger sein Mitspieler, mit dem er vier Mal deutscher Meister wurde.

AZ: Herr Kahn, rund sechs Jahre haben Sie mit Bastian Schweinsteiger beim FC Bayern zusammengespielt, nun verabschiedet er sich von seinen Fans. Sie hatten stets einen besonderen Draht zueinander. Woher kam das?
OLIVER KAHN: Ich erinnere mich noch gut, als der junge Schweini im Herbst 2002 die ersten Male bei uns Profis mittrainiert hat. Relativ früh konnte man erkennen: Da kommt einer, der nicht mal nur so dabei ist. Nein, der will zu den Profis. Der will was erreichen. Außerdem fiel mir sofort auf: Das ist ein guter Junge, der hat einen guten Charakter.

Zwischen Ihnen liegen immerhin 15 Jahre, im Fußball ein, zwei Generationen.
Das hat keine Rolle gespielt. Als älterer, erfahrener Spieler konnte ich ihn unterstützen.

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Kahn: Bastian hat nie gefremdelt

Was hat Sie verbunden?
Bastian war nicht wie Toni Kroos. Als der mit 17 zum ersten Mal bei uns mittrainierte, dachte ich mir: Wahnsinn, einen technisch besseren Spieler habe ich noch nie gesehen. Doch um sich bei Bayern durchzusetzen, brauchst du nicht nur die Technik, sondern auch eine gewisse Art, diese Frechheit. Bastian hat von Beginn an nie gefremdelt bei den Profis, hat keine lange Anlaufzeit gebraucht, sich schnell integriert und akklimatisiert.

Sein Ehrgeiz und Biss dürften Ihnen imponiert haben.
Richtig. Nach Ende der Trainingseinheiten ist er wie ich immer ein bisschen länger auf dem Platz geblieben, hat an seiner Schusstechnik gefeilt, mir die Bälle im Tor um die Ohren gehauen. Dadurch sind wir uns nähergekommen.

Sie saßen in der Kabine nebeneinander. Das Miteinander fand Schweinsteiger nicht so harmonisch: "Ich habe Oliver das erste Mal im November 2002 kennengelernt. Das erste Mal, dass er mit mir gesprochen hat, war dann so 2005."
(lacht) Ganz so extrem war’s nicht. Wenn ich jemanden kennenlerne, sage ich erst hin und wieder ein Wort, danach mal drei, später ganze Sätze.

Schlimmer muss der ewige Handtuchstreit gewesen sein. Zunächst habe Schweinsteiger immer seines vermisst. "Dann sehe ich neben mir den Olli, wie er sich seine Haare schön macht, wie er seine Handschuhe poliert und alles Mögliche – mit zwei Handtüchern!"
(schmunzelt) Zu meiner Verteidigung muss ich klarstellen: Das war nicht böswillig von mir. Ich saß immer am gleichen Platz, wusste aber nie, ob Basti an dem Tag da war oder bei den Amateuren trainiert hat – das kam ja oft vor. Also hab' ich mir das Handtuch genommen und dachte mir, er wird intelligent genug sein, sich bei den Masseuren ein anderes zu holen.

Kahn: Wichtig ist die innere Zufriedenheit

Später hat er sich beschwert, Sie hätten sich als Kabinen-Nachbar immer breit gemacht, bis er gefragt hat: "Olli, soll ich mich im Stehen anziehen?" 
Das Schöne ist, dass er das immer mit einem Augenzwinkern sagte und wir dann gelacht haben. Bastian hat so eine gewinnende Art, die ihm auch später in der Karriere geholfen hat, Konfliktsituationen zu lösen.

Wie bewerten Sie Bastians Karriere?
Die ist optimal gelaufen, was die Erfolge betrifft. Wichtig ist in meinen Augen aber auch die eigene Zufriedenheit. Bastian macht auf mich einen sehr zufriedenen Eindruck. Was ich sehr schön finde: Er hat nicht bei fünf, sechs Vereinen gespielt, sondern seine Karriere im Großen und Ganzen beim FC Bayern durchgezogen. Durch den Champions-League-Sieg 2013 wird er mit einer Ära in Verbindung gebracht, mehr kann man nicht erreichen. Leider hatte er zum Ende hin durch die ständigen Belastungen immer mit seinem Körper und Verletzungen zu kämpfen.

Kommen wir zu den wichtigen Themen: Stichwort Mode.
Na ja, seine Generation war etwas anders unterwegs. Aber auch ich als älterer, etwas konservativerer Typ hatte mal eine spätpubertäre Phase, da habe ich mich wieder angepasst. Wenn ich nur an die Kopfhörer denke, die alle heute ständig tragen. Da hätte man uns damals sofort entlassen. (lacht) 

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Kahn: Schweinsteiger sollte die Distanz suchen

Bei den Frisuren haben Bastian und Sie sich zeitweise aber wirklich nichts geschenkt.
Wir haben aber damals keine eigenen Friseure zur WM einfliegen lassen, außerdem gab es keinen Undercut. Der Undercut ist für mich der Vokuhila der Neuzeit. Zu Basti: Ich habe ihm irgendwann mal, als er wieder mit einer neuen Frisur ankam, eine Ansage gemacht: "Ich glaube, du hast zu viel Zeit. Beschäftige dich lieber mit Fußball als mit deinen Haaren!" Klar ging es auch mal zur Sache. Er war dann zwei, drei Tage beleidigt – vielleicht hatte ich überzogen. Dennoch ist zwischen uns nie etwas hängen geblieben. Außerdem hat er nie seine Karriereziele aus den Augen verloren – auch dank Uli Hoeneß, der ihm offen die Meinung gesagt hat.

Und die Musik?
Ich war vor den Spielen eher der introvertierte Typ. Damals wurde nicht wie heute ständig Rap in der Kabine aufgelegt, das wäre mir ja auf die Nerven gegangen. Den Vogel abgeschossen haben Matthias Sammer und Markus Babbel bei der EM 1996 mit ihrer Schlagermusik. Das war hammerhart.

Abschließend: Was raten Sie Bastian zum Karriereende?
Er sollte erstmal gar nichts im Fußballbereich machen, sollte die Distanz suchen, um dann zu spüren: Was will ich eigentlich? Er ist ja jetzt Vater geworden, führt mit seiner Frau Ana ein ganz anderes Leben in Chicago. Ab und zu schreiben wir uns SMS. Ich habe es aber leider nie geschafft, ihn dort zu besuchen.

Wäre Schweinsteiger nicht der perfekte Trainertyp? Vielleicht zunächst im Jugendbereich?
Das könnte ich mir gut vorstellen, aber er soll sich ausprobieren. Tatsächlich kann er Menschen für sich gewinnen, kann jüngere gut motivieren.

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