FC Bayern München: Bodo Illgner zu den WM-Chancen von Manuel Neuer

Bodo Illgner (50) spielte als Torwart für Real Madrid und den 1. FC Köln. 1990 wurde er mit Deutschland Weltmeister.
AZ: Herr Illgner, der FC Bayern hat in der Liga schon 20 Punkte Vorsprung. Ist es für Sie überhaupt noch interessant, den Kampf um die Meisterschaft zu verfolgen? Oder schauen Sie eher auf Ihren Ex-Klub Köln?
BODO ILLGNER: Es interessiert mich schon, wie es an der Spitze weiter zugeht, vor allem weil Jupp Heynckes Trainer bei Bayern ist. Aber spannender ist es zu beobachten, ob Köln noch das Wunder gelingt. Und da bin ich gar nicht mal so schlechter Dinge.
Sie kennen Heynckes aus Ihrer gemeinsamen Zeit bei Real Madrid. Haben Sie ihm und den Bayern eine derartige Entwicklung zugetraut?
Ich habe schon damals, als er zurückgekommen ist, gesagt: Der Jupp wird’s schon richten. Das Spielerpotenzial ist da, die Mannschaft gut, der Verein hervorragend geführt. Anscheinend lag es tatsächlich nur an einem schlechten Verhältnis von Carlo Ancelotti zu einigen Spielern oder der Mannschaft insgesamt.
Ist Heynckes tatsächlich so einfühlsam im Umgang mit seinen Spielern?
Er hat eine riesige Erfahrung, ist ja eigentlich längst im Rentenalter. Da hat er jetzt noch mal eine gewisse Gelassenheit oben draufgesetzt. Das Triple 2013 mit Bayern hat ihm den Ritterschlag verpasst.
Illgner: "Thiago ist an einem entscheidenden Punkt"
Er genießt bei Bayern auch große Anerkennung bei den spanischsprachigen Spielern. War das 1997/1998 in Ihrer gemeinsamen Saison bei Real Madrid auch schon so?
Er war auch schon in seiner Zeit in Spanien hoch angesehen, weil er weiß, wovon er spricht, ein sehr guter Trainer ist, methodisch arbeitet, neuen Dingen gegenüber immer aufgeschlossen war. Deshalb hatte er auch damals in Spanien und auch bei den spanischen Spielern ein gutes Standing. Genau das war jetzt auch bei Bayern ganz, ganz wichtig.
James Rodríguez und Javi Martínez blühen unter ihm regelrecht auf. Was ist sein Geheimnis?
Er hat zu diesen Spielern einfach den richtigen Draht gefunden. Nicht zuletzt auch zu Arturo Vidal, den er noch aus seiner Leverkusener Zeit kennt. Da hat er wirklich ein besonderes Händchen dafür und einen sehr guten Zugang zu diesen Spielern gefunden. Da hilft es natürlich, dass er in deren Muttersprache mit ihnen kommunizieren kann.
Thiago ist nach mehreren Monaten Verletzungspause wieder zurück. Wie wichtig werden die kommenden Wochen und Monate für ihn?
Thiago ist an einem entscheidenden Punkt seiner Karriere. Er muss seinen Platz bei Bayern behaupten und hat mit der WM ein großes Turnier im Sommer vor sich. Er ist mit 26 Jahren jetzt nicht mehr das junge Talent, sondern im gestandenen Fußballeralter. Da ist es jetzt an der Zeit, dass er Farbe bekennt. Nach so einer schweren und längeren Verletzung ist es ein bisschen schwierig, wieder in Form zu kommen und auch für die WM fit zu werden.
Illgner: "Champions League letzte Titelchance für Real"
Apropos WM: Machen Sie sich Sorgen um Manuel Neuers Teilnahme?
Es tut mir wirklich sehr leid für ihn, dass er momentan nicht eingreifen kann. Eine ähnliche Situation hatten wir ja schon vor der letzten WM, als er Probleme mit der Schulter hatte. Von daher bin ich noch guter Dinge, dass er es wieder schaffen kann. Aber es wird langsam eng, er muss langsam ans Spielen kommen, auch wichtige Spiele bestreiten, seine Fitness und Form wieder finden. Gerade beim Torwartspiel kann man die Abstände auf dem Spielfeld einfach besser einschätzen, wenn man regelmäßig spielt und die kompletten Maße des Platzes wieder verinnerlicht. Da wäre es schon ratsam, wenn er ein, zwei Monate im Spielrhythmus wäre.
Wie gefällt Ihnen sein Vertreter Sven Ulreich?
Sven Ulreich hat sich in Neuers Abwesenheit wirklich gut entwickelt. Ich könnte mir schon vorstellen, dass Joachim Löw ihn als Ersatzmann mit zur WM nehmen könnte.
Wäre Marc-André ter Stegen ein würdiger Vertreter als Nummer eins?
Da hätte ich überhaupt keine Bedenken. Ter Stegen spielt eine überragende Saison, ist beim FC Barcelona die unumstrittene Nummer eins.
Was trauen Sie Ihrem Ex-Klub Real in dieser Saison noch zu?
Die Champions League ist ihre letzte Titelchance. Aber den dritten Triumph in Folge traue ich der Mannschaft auf jeden Fall zu. Der Hunger ist da, gerade weil man im Pokal und in der Liga nichts mehr erreichen kann. Auch weil sie nur noch dieses eine Eisen im Feuer haben, sind sie für mich der Topfavorit auf den Titel.