FC Bayern: Mehr Krach als Leder
Der FC Bayern spielt für den Bier-Sponsor. Doch angesichts des schlechten Saisonstarts hat sich hinter den Kulissen einiges zusammengebraut. Die AZ benennt die Konfliktpunkte.
MÜNCHEN Kopf hoch! Brust raus! Okay, das ist nicht selbstverständlich in diesen Tagen beim FC Bayern, eine schwierige Übung, muss aber sein. Montagmittag am Nockherberg: Die Bayern werfen sich in Tracht für das alljährliche Mannschaftsfoto auf zünftige Art - mit Lederhosn und Weißbier von Sponsor Paulaner spielen sie auf Harmonie.
Lächeln! Auf geht's, zuprosten! Oans, zwoa, - nein mehr Punkte hat der FC Bayern noch nicht geholt in dieser Saison, doch Louis van Gaal, Neuling in Tracht, hielt die Übung ganz professionell ab, stieß mit Towarttrainer Junghans und Assistent Gerland an. Wie das bayerische Lebensgefühl, dass ja angeblich zu ihm „wie ein warmer Mantel" passe, in Form einer Lederhosn tatsächlich sitzt, konnte der Holländer am eigenen Leib erfahren.
Für Körper und Geist war das 1:2 in Mainz Gift. Bayerische Gemütlichkeit fühlt sich anders an, nach nur drei Pflichtspielen herrscht Unwohlsein und innerbetriebliche Hektik im Verein samt erster, leiser Verstimmung über des Trainers Umgangsformen. Mia san mia? Von wegen. Der aktuelle Zustand: Mehr Krach als Leder. Vieles passt noch nicht zusammen, es hat siche niges zusammengebraut.
Van Gaals Ärger mit den Stars:
Launische Individualisten schätzt der Holländer in etwa so sehr wie Gegentore. Doch mit Franck Ribéry und Luca Toni auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, dürfte der Aufgabe gleichkommen, die Champions League zu gewinnen. Am Montag war Ribéry wieder im Mannschaftstraining. Toni macht Einzeltraining. Abseits des Platzes gab es laut „kicker" bereits eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen Italiener und Coach. Und Ribéry soll verstimmt gewesen sein, weil van Gaal den Physiotherapeuten, für den Franzosen Ansprechpartner Nr. 1, untersagte, beim Essen an den Spielertischen zu sitzen.
Der Groll wegen der Vorbereitung:
Oft genug hatte der Holländer betont, dass er lieber öfter trainiere als spiele, weil er da unterbrechen könne. Das Programm, vom Management ausgearbeitet, war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Und ausgerechnet vor der Partie gegen Wolfsburg müssen die Bayern am Mittwoch wieder reisen – weil es Sponsor Paulaner so will, geht es nach Berlin zu Union. Ein PR-Spiel, das die Vorbereitung auf Wolfsburg stört. Geht es am Samstag gegen den Meister schief, wird der Rückstand auf die Spitze womöglich schon acht Punkte betragen - nach nur vier Spielen. Präsident Franz Beckenbauer macht dem Coach Druck: „Louis van Gaal muss am Samstag gegen Wolfsburg die richtige Antwort finden."
Die leidige Systemfrage:
Raute oder Doppelsechs, Spielmacher oder nicht, Ribéry mittig oder links, zwei oder drei Stürmer - van Gaal experimentiert noch. Für die Spieler ist es nicht so einfach, den Durchblick zu behalten. „Ich hoffe, dass es nicht zu viel ist", sagte van Gaal, „die Spieler müssen alle Befehle erstmal einordnen und am Ende alle an einem Strang ziehen – das ist ein schwerer Prozess für die Spieler, die ersten Monate bei mir sind immer hart." Was auch bei Philipp Lahm herauszuhören ist: „Wir machen sehr viel Taktik. Das ist eine sehr große Umstellung für jeden einzelnen. Das war hier die letzten Jahre nicht so."
Die Hektik am Ende der Transferfrist:
Eine Woche bleibt noch, um auf der Torwartposition oder in der Abwehr nachzubessern. Transfers haben nun höchste Priorität, Gespräche mit der Presse sind von Vorstandsseite bis zum Wochenende ausgesetzt. Sportdirektor Christian Nerlinger, der Abgesandte für den Trachten-Termin, auf AZ-Nachfrage: „Ich will mich jetzt nicht äußern.“ Der Jobnovize hätte sich auch nicht erträumen lassen, dass sein erster Sommer im Amt gleich so heiß wird.
Patrick Strasser