Kolumne

FC-Bayern-Legende Jean-Marie Pfaff über Krise beim Rekordmeister: "Auf dem Trainerposten brauchst du Kontinuität"

Jean-Marie Pfaff spricht in seiner exklusiven AZ-Kolumne über die Gründe der Krise beim FC Bayern.
Jean-Marie Pfaff |
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Verlässt den FC Bayern nach der Saison: Thomas Tuchel.
Verlässt den FC Bayern nach der Saison: Thomas Tuchel. © IMAGO/Sven Simon

München - Die Bayern sind in der Krise – und Thomas Tuchel ist spätestens ab Sommer kein Trainer mehr. Durch drei Niederlagen in den letzten drei Spielen hat der Rekordmeister wohl endgültig die Meisterschaft verspielt und muss im Achtelfinale der Champions League eine 0:1-Pleite gegen Lazio Rom drehen, um zumindest eine Titelchance in der Saison zu wahren.

Wo aber liegen die Gründe für das Auftreten der Münchner, das aktuell nicht Bayern-like ist? Man kann es sich einfach machen und behaupten, es wäre einzig und allein Tuchels Schuld. Da halte ich aber dagegen, dass es bereits unter Julian Nagelsmann ähnliche Probleme gegeben hat, die dann aber durch die Last-Minute-Meisterschaft im Sommer wieder übertüncht wurden. Auch die letzten Monate unter Hansi Flick liefen trotz oder gerade wegen der riesigen Erfolge zuvor lange nicht mehr so rund.

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FC-Bayern-Spieler gehen "nicht mehr an ihre Leistungsgrenzen"

Außerdem kann es auch keine Lösung sein, alle zehn Monate den Trainer zu wechseln, nur weil man gerade einmal eine kleine Krise durchlebt. Auf dem Trainerposten brauchst du Kontinuität. Selbst wenn es denn nach elf Jahren mal eine Saison ohne Titel gibt – den FC Bayern wird das nicht umwerfen.

Aus meiner Sicht sind einige Spieler aufgrund der großen Erfolge der letzten Jahre einfach zu satt, haben sich in München ihre Wohlfühloase eingerichtet und gehen aktuell nicht mehr an ihre Leistungsgrenzen. Andere können aber auch Fußball spielen – und in diesem Jahr hat es nur den Trainer Xabi Alonso gebraucht, um Bayer Leverkusen leistungstechnisch auf das höchste Niveau zu hieven.

Jean-Marie Pfaff: Dem FC Bayern fehlt aktuell der "Hunger"

In Leverkusen hat jeder Spieler die Vorgaben des Trainers verinnerlicht, da stimmen die Einstellung, die Automatismen im Spiel. Und: Der Hunger ist groß, um endlich den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte einzufahren.

Hunger, der den Bayern im Moment fehlt. Ich habe nicht das Gefühl, dass jeder Spieler mit allerletztem Einsatz dabei ist. Aber am Ende ist diejenige Mannschaft erfolgreich, in der alle zusammenhalten und füreinander durchs Feuer gehen, egal wie schwer die Situation auch gerade ist. Dieses Gefühl habe ich beim FC Bayern im Moment nicht. Einstellung kannst du aber nicht trainieren, die muss jeder selber mitbringen.

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Pfaff: Jeder Spieler muss jeden Tag beweisen, "dass er es wert ist, das Bayern-Trikot zu tragen"

Wenn du einen Vertrag beim FC Bayern unterschreibst, dann bist du nicht an der Spitze angekommen. Nein, dann geht es erst richtig los. In München zählt nur der Erfolg und jeder Spieler muss jeden Tag im Training und darüber hinaus unter Beweis stellen, dass er es wert ist, das rote Bayern-Trikot zu tragen.

Auch in meiner Zeit gab es solche Phasen, in denen wir kein Bein auf den Boden bekamen. Dann hat Kapitän Klaus Augenthaler die ganze Mannschaft zu sich nach Hause eingeladen und wir haben uns ohne Trainer, ohne Manager und Präsident mal so richtig die Meinung gegeigt und uns ausgesprochen. Zumeist hat das geholfen und wir kamen danach auch auf dem Platz wieder in Fahrt.

Und wenn es am Ende dieser Saison keinen Titel für die Bayern gibt, dann sollte zumindest der Hunger nach Erfolg bei den Spielern im kommenden Jahr wieder ansteigen.

Euer Jean-Marie


Der 70-Jährige war belgischer Nationaltorwart (64 Einsätze) und stand beim FC Bayern zwischen 1982 und 1988 156 Mal zwischen den Pfosten. Pfaff war Vizeeuropameister 1980, WM-Vierter 1986, drei Mal deutscher Meister, zwei Mal Pokalsieger. 1987 war er Welttorhüter. Für die AZ ist er als Kolumnist tätig.

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  • Südstern7 am 24.02.2024 14:21 Uhr / Bewertung:

    Bei Pfaff und auch bei Sepp Maier spürt man die Verbundenheit und Liebe zum FC Bayern. Sie kritisieren auf den Punkt ohne Menschen zu beleidigen, zu verunglimpfen oder zu verletzen. Daran könnten sich einige andere eingekaufte Fernsehexperten gerne eine Scheibe abschneiden.

    Im konkreten Fall spricht Pfaff über fehlenden Hunger der Mannschaft. Was heißt das? Das heißt für den Verein, für die Mannschaft leben. Nicht nur eine Gegenleistung für die Bezahlung abliefern. Nebeneinkünfte und Freizeitbeschäftigungen hinten anstellen, sich die Tage vor dem Spiel mit dem Gegner, den Gegenspielern und Mitspielern beschäftigen. Sich die ganze Woche nur für die kommenden 90 Minuten leben.

    Die letzten Jahre hat den Spielern den Eindruck vermittelt, dass sie mit halber Kraft Meister werden. Visionen haben sie keine. Wenn es läuft, dann läuft. Und wenn nicht - tja, dann ist das eben so. Hunger haben die Spieler in Leverkusen und Stuttgart. Dort herrscht Aufbruchstimmung, in München Verwaltungsmodus.

  • JerryH am 25.02.2024 07:24 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Südstern7

    Trotzdem verstehe ich die Spieler nicht.
    Jeder von den verdient mindestens 1 Million im Monat.
    Dann liest man dass diese sogenannten Spieler keinen Hunger mehr auf dem Platz haben.
    Ich würde eher nach Leistung zahlen was ja im Dummland 3.0 bestimmt auf den Gründen weil ,weil nicht geht !
    Ich glaube da sollten sich insgesamt mal in der Liga bei den Vereinen selbst diese Leute Gedanken darüber machen.
    Es grenzt doch teilweise an Arbeitsverweigerung.Mehr sog i ned.

  • Südstern7 am 25.02.2024 15:56 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von JerryH

    Erstens handelt es sich dabei nicht um Maschinen sondern um junge Menschen, eingebettet in Familien und ein Umfeld. Zweitens bestehen die Verdienstzahlen ja auch inklusive der Prämien und Erfolgszuwendungen. Bei anderen Vereinen wird ja im Übrigen auch nicht am Monatsende mit Lebensmittelkarten abgerechnet und trotzdem finden sich immer Mannschaften am Tabellenende mit enttäuschenden Leistungen. Auch hier kann man, selbstverständlich in einem anderen Verhältnis, das Gehalts-Leistungsgefälle anprangern. Ein Bochumer Bundesligaspieler ist auch Millionär - und trotzdem verlieren sie 2:5, nachdem sie 8 Tage vorher die Bayern geschlagen haben.

    Es geht weniger ums Geld sondern darum wie die Gruppendynamik in einem Kader ist. Und in Leverkusen ist Teambuilding eher zu erreichen, weil alle Spieler noch nicht alles erreicht haben. Da hat es ein Trainerteam viel einfacher dafür zu sorgen, dass die Millionäre "Gras fressen".

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