FC Bayern: Klinsmanns größte Niederlage?

Mannschaftssitzung ohne Trainer: So stellte Bayern die Weichen für den 5:0-Triumph über Sporting Lissabon in der Champions League.
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Historischer Sieg, aber vielleicht auch seine größte Niederlage: Bayern-Coach Jürgen Klinsmann.
dpa Historischer Sieg, aber vielleicht auch seine größte Niederlage: Bayern-Coach Jürgen Klinsmann.

Mannschaftssitzung ohne Trainer: So stellte Bayern die Weichen für den 5:0-Triumph über Sporting Lissabon in der Champions League.

LISSABON Zimperlich wurde nicht mit dem Trainer umgegangen. „Herr Bento, dieses Ergebnis ist eine Schande“, so griff ein portugiesischer Reporter den Sporting-Trainer in der Pressekonferenz an. Eine Frontal-Attacke nach dem 0:5 gegen den FC Bayern im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League. Für Bento ein Tag zum Vergessen.

„Das war einer dieser Tage, an dem alles passt." So begann Karl-Heinz Rummenigge gegen Mitternacht seine Rede auf dem Sponsoren-Bankett im Lissabonner Mannschaftshotel „The Ritz Carlton". Der Vorstandsvorsitzende schwärmte: „Tagsüber hatten wir hier 22 Grad, dann das 5:0, ein perfektes Ergebnis, man kann der Mannschaft nur gratulieren."

Das Viertelfinale ist zu 99,9 Prozent erreicht. Doch mit jedem Lob ging ein dickes „Aber" einher. So auch bei Rummenigge: „Ich möchte die Mannschaft nur bitten, nicht zu euphorisch zu werden vor dem Auswärtsspiel am Sonntag in Bremen." Aber, aber!

Bis kurz vor 1 Uhr hatte Jürgen Klinsmann es ausgehalten auf dem Bankett, im Trainingsanzug saß er am Chef-Tisch, rechts von ihm Paul Breitner, links von ihm Uli Hoeneß, gegenüber Franz Beckenbauer. Die Mannschaft war längst auf den Zimmern verschwunden, da sammelte Klinsmann noch Punkte am Tisch der Bosse. Auch bei den Fans. Fotos? Arm in Arm? Kein Problem, gerne doch. Kein aber.

Doch bei der Spielwertung gab’s ein Aber. Trotz 5:0! Auswärts! Im Achtelfinale der Champions League! Ein Rekordsieg! „Wir sind natürlich superzufrieden, das war ein außergewöhnliches Ergebnis, ein kleines Highlight", sagte Klinsmann, im selben Atemzug begann er sein „Aber“: „Wir haben einige Dinge verbockt in den letzten Wochen, haben in der Bundesliga Nachholbedarf. Jetzt ist Bescheidenheit angesagt."

Auch bei ihm selbst - nach dieser Woche. Das 5:0 war eher Teamwork, ein Sieg der Mannschaft, des emanzipierten Kollektivs. Ein anderes System als in den Wochen zuvor hatten die Bayern in Lissabon gespielt, „mit zwei Viererketten vor der Abwehr", wie Kapitän Mark van Bommel erklärte. „So defensiv haben wir diese Saison noch nie agiert, aber das musste sein. Wir mussten zurück zur Basis." Oha, der Trainer hat umgedacht? Weg vom High-Risk-Spiel, vom teils blinden Offensivdrang? „Wir haben das gemeinsam entschieden", sagte van Bommel. Wer: wir? Trotz mehrmaliger Nachfrage bemühte sich der Holländer nicht um Abschwächung. Er blieb beim „wir“.

Es hatte eine interne Taktik-Besprechung der Mannschaft gegeben nach dem 1:2 gegen Köln, ohne den Trainer! Das bestätigte ein Nationalspieler der AZ. Es gab Bedarf, auch die Reservisten beklagen sich über ihre Chancenlosigkeit. Präsident Beckenbauer und die Bosse hatten Klinsmann zu vorsichtigerem, traditionellerem Bayern-Spiel geraten, ihn an Sepp Herberger und Branko Zebec (!) erinnert, ihm eine Drei-Spiele-Frist gegeben. In Interviews warnten Klose und Lahm vor Sorglosigkeit, forderten eine zurückhaltendere Spielart. Lissabon war das Ergebnis. Von innen heraus hat sich die Mannschaft umgestellt, dem Trainer ein Stück Hoheit genommen, ihn teilweise entmachtet. Eine ruckartige Demokratisierung. Das Ende der Klinsmannschen Philosophie vom Hurra-Fußball. War das 5:0 Klinsmanns größte Niederlage?

Kann sein, muss nicht. Als nach einem 2:2 im Test gegen Japan vor der WM 2006 Kapitän Ballack eine risikolosere Spielweise einforderte, zeigte sich Klinsmann einsichtig. Die Mannschaft setzte sich durch. Kein aber – im Turnier ging es bis ins Halbfinale. Das Sommermärchen wurde geboren. Was auch für den Bayern-Sommer 2009 nicht ausgeschlossen ist.

Patrick Strasser

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