FC Bayern in Personalnot: Trainer Tuchel muss gegen Borussia Dortmund ins Risiko gehen

Nach der Pokal-Blamage stehen der FC Bayern und sein Trainer gegen den BVB noch mehr unter Druck als sonst. Mit welchen externen und internen Problemen Tuchel und sein Team zu kämpfen haben.
von  Patrick Strasser
Thomas Tuchel hat drei personelle Fragezeichen vor dem Spiel des FC Bayern in Dortmund. Er bangt um Dayot Upamecano, Noussair Mazraoui und Leon Goretzka.
Thomas Tuchel hat drei personelle Fragezeichen vor dem Spiel des FC Bayern in Dortmund. Er bangt um Dayot Upamecano, Noussair Mazraoui und Leon Goretzka. © picture alliance/dpa

München - Am Freitagvormittag wurden die Fassaden-Fenster der Bürogebäude des FC Bayern an der Säbener Straße geputzt. Für mehr Durchblick. Auch auf die Welt da draußen, das kann hier und da hilfreich sein. Drinnen, im fensterlosen Pressekonferenzraum, saß Thomas Tuchel. Der 50-Jährige fixiert seine Gesprächspartner bei TV-Interviews oder in Pressekonferenzen intensiv, lauscht der Frage ganz genau und antwortet sehr häufig bereits während der Formulierung. Impulsgesteuert. Leise, aber vernehmbar.

So auch diesmal. "Nee, keiner resigniert", entwich es dem Bayern-Trainer als er das Wort Resignation im Zusammenhang mit möglichen Folgeschäden des Pokal-Desasters in Saarbrücken vernahm. "Überhaupt nicht! Es gibt keinen Grund dazu", bekräftigte Tuchel und gab Einblicke in die Seelenwelt der Mannschaft und des Trainerstabs. "Wir waren alle sehr enttäuscht, aber sehr ruhig. Niemand hat rumgeschrien, niemand den anderen beschuldigt", erklärte Tuchel, der weiß: "Natürlich spricht eine Niederlage im Pokal gegen das Grundgesetz des FC Bayern."

"Keine Weiterentwicklung": Seitenhieb von Thomas Tuchel gegen die Kritiker des FC Bayern

Beim Stichwort bekamen die Fugen im Mauerwerk des Gebäudes kleine Schock-Risse. Ja, die legendäre Pressebeschimpfungskonferenz aus dem Herbst 2018, als der damalige Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge zu einer beispiellosen Medienkritik ansetzte und dabei Artikel eins des Grundgesetzes zitierte: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Hinweis: Setze ein für Menschen: Bayern-Profis.

Und damit zu Didi Hamann und Lothar Matthäus, dem Duo infernale der TV-Experten-Gilde. Als deren aktuelle Kritik, die fehlende spielerische Weiterentwicklung von Tuchels Team, angesprochen wurde, fuhr Tuchel dem Fragesteller in die Parade: "Ich sehe bei den beiden auch keine Weiterentwicklung." Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Dabei wäre Lüften, auch wenn's unangenehm zieht, weil andere Meinungen hereinwehen, hin und wieder sinnvoll.

"Es ist mal wieder Zeit": Der BVB zeigt sich vor dem Hit gegen den FC Bayern angriffslustig

Ein Sturm wird aufziehen, wenn die Bayern am Samstag (18.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) den Klassiker bei Borussia Dortmund verlieren. Rein rhetorisch machte Seemann Tuchel schon mal das Tau fest, indem er betonte: "Wir haben eine tolle Serie in der Bundesliga. Ich glaube, dass wir genug Qualität, Form und Spirit haben, um zu gewinnen – gegen alle Widerstände."

Was er meint? Es gibt hausgemachte oder pechvogelartige Widerstände, interne wie externe. Der Gegner setzt die Segel. "Es ist mal wieder Zeit", sagte BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl vollmundig, "wir wollen jede Gelegenheit nutzen, die Bayern in den direkten Duellen zu schlagen. Besonders zu Hause." Man sei, wie die Münchner auch, in der Liga ungeschlagen. Das BVB-Pfund, so Kehl: "Wir haben eine tolle Serie, sind sehr stabil zu Hause, haben an Widerstandsfähigkeit gewonnen."

Personalnot in der Abwehr: Tuchel muss in der Startaufstellung ins Risiko gehen

Um letzteres ringt Bayern schon länger. Bei seiner erstmaligen Rückkehr in einem Bundesliga-Spiel an die frühere Arbeitsstätte (2015-2017) dürfte Tuchel ein eisiger Empfang erwarten – von der Fantribüne, der wuchtigen, gelben Wand und BVB-Boss Hans-Joachim Watzke, der 2020 gegenüber Tuchel mit den Worten "Wir werden sicherlich keine großen Freunde mehr im Leben" einen eisernen Vorhang hochzog.

Gegner, Kritiker, dann auch noch Verletzungspech und Aufstellungssorgen. Können Dayot Upamecano, Noussair Mazraoui und Leon Goretzka auflaufen? Für das Trio wird es ein Wettlauf gegen die Zeit, Entscheidung am Spieltag. Zwei müssen von Beginn an ran, da die Fixpunkte Matthijs de Ligt (Teilriss des Innenbandes im Kniegelenk) und Joshua Kimmich (Rotsperre) fehlen. Eine Risikoabwägung – auch was Folgeverletzungen betrifft. Knifflig.

Wie ist das Verhältnis zwischen Thomas Tuchel und den Spielern des FC Bayern?

Wie der Umgang untereinander. Von ersten Rissen zwischen Trainer und Spielern sei zu hören, berichtete am Freitag "Sport1". Tuchel, nachdem er sich zunächst nicht dazu äußern wollte, versicherte dann, es sei "alles gut im Innenverhältnis".

Man müsse gerade jetzt "zusammenzubleiben, intern die Ruhe bewahren und uns auf unsere Stärken besinnen, die wir zweifelsfrei haben", so der Trainer. Außerdem lese er nie etwas. Als schließe sich das per se aus fragte er: "Wieso sollte ich Berichte lesen, wenn ich selbst dabei bin?" Weil Lesen bildet.

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