FC Bayern: Hoeneß "wild entschlossen" – woran ein klärendes Gespräch mit Tuchel scheitert

Der Zoff zwischen Thomas Tuchel und Uli Hoeneß sorgt derzeit beim FC Bayern für einen großen Nebenkriegsschauplatz. Dabei galt Hoeneß am Anfang als großer Befürworter des Bayern-Trainers.
von  Christina Stelzl
Ehrenpräsident Uli Hoeneß und Bayern-Coach Thomas Tuchel.
Ehrenpräsident Uli Hoeneß und Bayern-Coach Thomas Tuchel. © IMAGO / MIS

München - März 2023, Julian Nagelsmann wird beim FC Bayern entlassen und Thomas Tuchel als dessen Nachfolger präsentiert. Ehrenpräsident Uli Hoeneß galt als großer Befürworter für die Verpflichtung des 50-Jährigen. Mittlerweile hat sich an der Säbener Straße einiges geändert. Nicht nur, dass die Ära Tuchel in München bereits im Sommer nach nicht mal eineinhalb Jahren wieder endet, auch das Verhältnis zwischen dem Bayern-Coach und Hoeneß hat den ein oder anderen Riss bekommen.

Es gipfelte kürzlich in einem öffentlichen Disput, als der ehemalige Präsident des FC Bayern Tuchel in einem Interview stark kritisierte, der Coach der Münchner setzte sich daraufhin zur Wehr. Eine Chronologie einer durchaus wechselhaften Beziehung.

März 2023: Tuchel möchte auf den Klub von Uli Hoeneß aufpassen

Tuchel wurde im März 2023 als Nachfolger von Nagelsmann beim FC Bayern präsentiert. Vor allem Hoeneß setzte sich sehr für die Verpflichtung des 50-Jährigen ein. Tuchel seinerseits rief bereits vor seinem Amtsantritt Hoeneß am Tegernsee an. "Ich wollte ihm sagen, dass ich mein Bestes gebe, um auf seinen Klub aufzupassen", versicherte der ehemalige Chelsea-Trainer.

Hoeneß stand ihm stets mit Rat und Tat zur Seite, schaute beim Training an der Säbener Straße höchstpersönlich vorbei und tauschte sich mit Tuchel aus, gleiches galt für das Sommer-Trainingslager am Tegernsee.

Besser mal nur intern sprechen: Bayern-Patron Uli Hoeneß (l.) und Trainer Thomas Tuchel.
Besser mal nur intern sprechen: Bayern-Patron Uli Hoeneß (l.) und Trainer Thomas Tuchel. © David Kirchner/imago

FC Bayern: Hoeneß kann Tuchel wegen Stanisic nicht verstehen

Im Sommer dann der erste kleine Dämpfer der Liaison: Tuchel forderte sowohl öffentlich als auch in internen Beratungen vehement eine Verstärkung für das defensive Mittelfeld. Hoeneß sollen die Forderungen des 50-Jährigen nicht ganz so geschmeckt haben, ebenso wenig wie die Leihe von Josip Stanisic Hoeneß zu Bayer 04 Leverkusen, wie nun die "Sport Bild" berichtet. Dennoch war laut Hoeneß das Verhältnis damals nicht getrübt. "Das ist nur eine Masche, um uns auseinanderzudividieren. Man kann doch mal unterschiedlicher Meinung sein", sagte Hoeneß im September in einem Interview der "Sport Bild".

Eine sogenannte "Holding Six", wie es beispielsweise Wunschspieler João Palhinha vom FC Fulham gewesen wäre, bleib bekannterweise aus.

Nachdem Tuchel in der Folge aber mehrmals den dünnen Kader der Münchner und die Transferpolitik im Sommer kritisiert hatte, gab es im Oktober erstmals eine klare Ansage von Hoeneß: "Ich lasse nicht mein eigenes Team schlecht aussehen, indem ich sage, wir sind zu dünn besetzt, wir sind dies, wir sind jenes. Wenn Sie jedes Wochenende sehen, was wir auf der Bank sitzen haben, nur Nationalspieler, dann haben wir keinen dünnen Kader", sagte der Vereinspatron gegenüber RTL. Tuchels Äußerungen seien "unklug", ein "gefundenes Fressen für die Medien, speziell für die Boulevardpresse", lauteten weitere Vorwürfe von Hoeneß.

FC Bayern: Hoeneß wollte an Tuchel zunächst festhalten

Tuchel erklärte daraufhin, dass es ein Treffen gegeben habe und betonte, dass er zu Hoeneß ein "sehr offenes, direktes, ehrliches und wertschätzendes Top-Verhältnis" habe. "Ich weiß auch, was er gemeint hat, ich spreche ja sehr oft an der Säbener Straße direkt mit ihm. Das zählt für mich mehr, als was daraus gemacht wurde. Das darf jeder beurteilen, ich gieße da kein Öl ins Feuer."

Als der FC Bayern zu Beginn der Rückrunde in eine Krise rutschte und die Ergebnisse ausblieben, war es vor allem Hoeneß, der zunächst Tuchel festhalten wollte. Der Klub-Patron wollte verhindern, dass der Trainerstuhl beim FC Bayern zum "Schleudersitz" werde. Im Februar kam es dann aber dennoch zur beschlossenen Trennung ab Sommer – an der auch Hoeneß ein gewichtiges Wort mitgeredet haben durfte.

Hoeneß kritisiert Tuchel scharf – Bayern-Coach reagiert

Als sich alles ein wenig beim deutschen Rekordmeister beruhigt hatte und der volle Fokus auf das Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid am Dienstag (21 Uhr, Amazon Video und im AZ-Liveticker) lag, haute Hoeneß vergangene Woche nochmal einen raus. Tuchel habe laut des 72-Jährigen "eine andere Einstellung. Er meint nicht, dass er einen (Alphonso) Davies, (Aleksandar) Pavlovic oder (Jamal) Musiala verbessern kann. Wenn es nicht klappt, sollte man einen anderen kaufen", sagte Hoeneß bei einer Podiumsdiskussion FAZ. Er selbst hingegen vertrete die Meinung, bei jüngeren Spielern sollte man "hart an ihnen arbeiten und ihnen Selbstvertrauen geben".

Das konnte Tuchel dieses Mal nicht auf sich sitzen lassen. "Da habe ich sehr wenig Verständnis für. Ich find's absolut haltlos", betonte der Bayern-Coach bei Sky: "Das ist so weit an der Realität vorbei, dass ich eigentlich gar nicht darauf reagiert hätte, wenn es nicht von Uli Hoeneß gekommen wäre." Die Hoeneß-Aussagen würden sein "tiefstes Verständnis" als Trainer ankratzen. Tuchel nannte unter anderem Pavlovic, der in dieser Saison unter dem Bayern-Coach im defensiven Mittelfeld seinen Durchbruch geschafft hat. Er sei daher "ein bisschen" in seiner "Trainer-Ehre" verletzt, ergänzte der Übungsleiter der Münchner.

FC Bayern: Vorerst kein klärendes Gespräch zwischen Tuchel und Hoeneß

Auch wenn bezweifelt werden darf, dass Pavlovic bei einem teuren Defensiv-Neuzugang im Sommer genauso viel Spielzeit bekommen hätte, hätte man wohl beim FC Bayern auf diesen Krach vor dem Real-Kracher liebend gerne verzichtet.

Hoeneß, der mit Tuchel "privat überhaupt kein Problem" habe, steht weiter zu seiner Aussage. Im "kicker" betonte er, "wild entschlossen zu sein, meine Meinung wieder deutlicher zu machen".

Tuchel blockte am Montag Nachfragen kategorisch ab. "Da sage ich nix mehr zu, das Thema ist abgehakt", sagte der Bayern-Coach. Ein klärendes, vielleicht abschließendes Gespräch einer durchwachsenen Beziehung wird es laut Tuchel vorerst nicht geben.

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