FC Bayern: Flick ist Nagelsmanns wichtigster Start-Assistent
München - Man stelle sich vor, Jupp Heynckes hätte 2013 das erste Pflichtspiel seines Nachfolgers Pep Guardiola live im Stadion verfolgt. Oder Ottmar Hitzfeld nach seinem Vertragsende 2008 das Debüt von Jürgen Klinsmann. Was hier wie da medial los gewesen wäre! Ein No-Go, nicht nur unter Bayern-Trainern.
Hansi Flick jedoch wird am Freitagabend im Borussiapark sitzen, wenn die Münchner bei den Gladbachern (20.30 Uhr, Sat.1 live) in die neue Saison starten. Doch als neuer Bundestrainer ist er erhaben - und ganz im Gegenteil: ein gern gesehener Gast, selbst aus der Sicht von Julian Nagelsmann, dem Neuen auf der Säbener-Kommandobrücke.
Flick tickt anders als sein Vorgänger Löw
Denn Flick, seit 1. August beim DFB unter Vertrag, setzt auf Kommunikation, will den Austausch mit den einzelnen Bundesliga-Trainern wieder intensivieren, sich so oft wie möglich auf den Tribünen des Landes sehen lassen. Was Flicks Vorgänger Joachim Löw hatte schleifen lassen, auch aus Gründen der Corona-Pandemie. Doch selbst als er wieder aus seinem Freiburger Versteck heraustrat, schien sich Löw eher mit der Online-Beobachtung seiner EM-Kandidaten angefreundet zu haben. Für Flick gilt: Live ist live.
Der 56-Jährige will Präsenz zeigen, seine Arbeit als Bundestrainer öffentlicher betreiben und zeitgemäßer dokumentieren als Löw. Es gab Phasen, die Grübel- und Rückzugsphasen, da galt der Weltmeister von 2014 auch DFB-intern als nahezu verschollen. Flick tickt anders, sucht auch außerhalb der Abstellungsperioden die Nähe zu seinen Auserwählten.

Flick: "Haben keine Zeit zu verlieren"
"Wir haben keine Zeit zu verlieren. Es ist wichtig, dass wir direkt die Spieler mitnehmen, sie auch zwischen den Länderspielen immer wieder erreichen und mit ihnen im Austausch sind", kündigte der gebürtige Heidelberger an - voller Elan, den ein Neuanfang mit sich bringt. Sieben WM-Qualifikationsspiele sind es bis Weihnachten: drei beim Flick-Auftakt im September (in Liechtenstein, gegen Armenien und in Island), zwei jeweils im Oktober und November.
Bis im Herbst 2022 die Vorbereitung auf die Winter-WM in Katar (wer zweifelt trotz aktuell Gruppenrang drei an der Qualifikation des DFB-Teams?) beginnt, hat Flick lediglich sechs Länderspielfenster.
Also wird es viele Telefonate und Mails geben, Austausch via Whats-App oder anderen Kanälen. Hauptsache, die Verbindung stimmt - vor allem mit den Ex-Spielern aus München, die den Stamm von Flicks Nationalelf bilden werden: Kapitän Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Thomas Müller, Serge Gnabry, Leroy Sané und Jamal Musiala (mit Abstrichen auch Niklas Süle).
Nagelsmann hat einen Vorteil
Dass Flick seine Ex-Pappenheimer so gut kennt, könnte Nagelsmann in Sachen Belastungssteuerung entgegenkommen mit Blick auf den proppenvollen Terminkalender im Herbst. Doch Flick muss erst das Minimalziel WM-Ticket klarmachen, kann dann über Schonzeiten nachdenken. Was auch all jene Franzosen im Bayern-Kader betrifft, die im Herbst in ihrer Nationalelf belastet und gefordert werden: Coman, Pavard, Hernández, Upamecano. Tolisso dann wohl in einem anderen Dress.
Vorteil für Nagelsmann: der kurze Draht, den Flick aktuell auch zu ihm aufbaut. Dann wäre der oberste Trainer des Landes Nagelsmanns wichtigster Doppelpasspartner.
Möglicher Nachteil: Läuft es ab Saisonstart nicht wie geschmiert unter dem 34-Jährigen könnten sich die Profis auch mal unter vier Ohren oder im Chat bei Flick ausweinen, was Trainingsinhalte und -steuerung des Nachfolgers betrifft. Ein sensibler Punkt.
Am Samstag schaut sich Flick Borussia Dortmund gegen Eintracht Frankfurt an. Und in zwei Wochen, am 26. August, nominiert er seinen ersten Kader.
Dann wird man schon einen Strich ziehen können unter Nagelsmanns erste vier Pflichtspiele.