FC Bayern: Die Wohlfühloase

Natürlich ist der Bayern-Kader zu groß, einige Profis haben kaum noch Einsatzchancen. Dass jetzt trotzdem niemand den Klub wechselte, hat sich der Rekordmeister selbst zuzuschreiben.
von  Abendzeitung
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Illustration © Rauchensteiner/Augenklick

Natürlich ist der Bayern-Kader zu groß, einige Profis haben kaum noch Einsatzchancen. Dass jetzt trotzdem niemand den Klub wechselte, hat sich der Rekordmeister selbst zuzuschreiben.

MÜNCHEN Der FC Bayern, ein Klub, bei dem man Angst im Training haben muss, bei dem niemand etwas zu lachen hat? Franck Ribéry hat dieses Gefühl: „Die Mannschaft spielt nicht frei und ohne Selbstvertrauen. Alle sind viel zu ernst. Ich spüre vor allem bei Trainingseinheiten eine gewisse Blockade bei den Spielern. Keiner lachte oder traute sich, etwas zu sagen", hat Ribéry zu „France Football" gesagt.

Diese Meinung dürfte Ribéry, der sich derzeit in seiner Gefühls-Reha bei der Equipe tricolore befindet, relativ exklusiv haben – meint Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. „Die Spieler fühlen sich alle beim FC Bayern wohl", sagt er der AZ, in den Tagen vor dem Transferschluss sei jedenfalls „kein Spieler zu uns gekommen, der den Verein verlassen möchte".

Und so verkauften die Bayern in diesem Sommer bis auf Tim Borowski (Bremen) und Lucio (Inter Mailand) auch keinen Spieler. Und Lucio verließ München nach fünf Jahren auch nur unter Tränen.

Tatsächlich wären auch die anderen Profis, die Trainer Louis van Gaal für verzichtbar hält, bei einem Weggang aus München ähnlich traurig gewesen wie der Kapitän der brasilianischen Nationalmannschaft. Also blieben sie lieber. Viele Spiele werden Christian Lell, Andreas Ottl, Jose Sosa, Andi Görlitz oder Breno nicht machen unter van Gaal, auch Miroslav Klose und Luca Toni sind nur noch Reservisten. An einen Wechsel verschwendeten sie aber kaum einen Gedanken. Sie fühlen sich wohl bei Bayern – zu wohl?

"Toni verhält sich im Training vorbildlich"

Die Vereinsführung ließ sie bleiben. „Wir haben vertragliche Verpflichtungen, wir können keinen Spieler im juristischen Sinne zwingen, den Verein zu verlassen", meint Rummenigge. Andererseits unternahmen sie auch nicht viel, um einige davon zu überzeugen, dass eine Luftveränderung das beste sein könnte. Der VfB Stuttgart verkündete ein Interesse an Ottl, der 1. FC Köln und zuletzt noch Stoke City an Christian Lell. Doch ernsthafte Verhandlungen ergaben sich nicht. Wohl auch, weil beide schon in jungen Jahren mit überaus lukrativen Verträgen ausgestattet sind.

Also bleiben sie lieber beim FC Bayern, auf der Bank, auf der Tribüne, im Training. Auch wenn sie nun als gescheitert gelten. „Es nützt nichts, Mitleid zu haben. Dieses Geschäft ist ein sehr hartes, manchmal grausames, weil es in der Öffentlichkeit stattfindet. Das ist das Gegengewicht zum ohne Frage hohen Gehalt", meint Rummenigge in Bezug auf Michael Rensing, der zum zweiten Mal binnen sechs Monaten zum Ersatz degradiert wurde.

Dass er und die anderen Aussortierten nicht wechseln, liegt nicht nur am Geld. Die Spieler haben es gut beim FC Bayern. Alle, auch die Reservisten. Das Training findet auf einem hohen Niveau statt, das von Jürgen Klinsmann erdachte Leistungszentrum mit seinen großzügigen Ruhezonen ist auch unter van Gaal nicht zum Strafzentrum geworden und die Chance, am Ende der Saison einen Pokal in die Luft heben zu können, ist in München noch am größten.

Zumal ein Platz auf der Bayern-Bank auch nicht das Ende in der der Nationalmannschaft sein muss. Siehe einst Lukas Podolski. Siehe Miroslav Klose jetzt, dem Bundestrainer Joachim Löw gar eine Einsatzgarantie gegeben hat.

Luca Toni ist da übler dran. Er hat nicht nur beim FC Bayern seinen Stammplatz verloren, sondern auch bei der Nationalmannschaft. Also beschloss auch er, in München zu bleiben. In der Stadt, die er lieb gewonnen hat. Und auch als Ersatzspieler liegen ihm die Italiener in München zu Füßen und auch in seinem geliebten H’ugo’s wird für ihn immer ein Plätzchen frei gehalten. Toni „möchte sich durchkämpfen und verhält sich im Training vorbildlich", wie Rummenigge sagt. Den Bayern genügt das.

F. Cataldo, P. Strasser

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