FC Bayern: Die Macho-Debatte

München - Das Wort von Oliver Kahn hat noch Gewicht. In seiner neuen Eigenschaft als Blogger hatte er die Ex-Mitspieler Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger heftig kritisiert: „Sie stehen exemplarisch als Vertreter einer Generation. Mich hat früher Kritik auch geärgert, ich habe mich aber hinterfragt. Diese Einstellung ist sehr empfehlenswert.”
Das war vor fast einer Woche. Dennoch musste Schweinsteiger, einst Kahns Kabinennachbar, auch nach dem 5:0 gegen den HSV nochmals dazu Stellung nehmen. „Ich finde das etwas lächerlich”, sagte er, „ich weiß auch nicht, was in seinem Kopf vorgeht. Wir sind halt anders als die von früher. Es sind auch andere Zeiten.” Kollege Lahm hatte bereits unter der Woche erklärt: „Was irgendein ehemaliger Spieler in irgendeinem Blog sagt, interessiert mich nicht.”
Und doch haben fast alle Führungskräfte des deutschen Fußballs seitdem Stellung bezogen in der Macho-Debatte, die Meister-Trainer Jürgen Klopp für eine künstliche hält: „Führungsspieler? Brauchst du nicht. Das ist eine Legende.”
Kahn fand Lahms Aussagen übrigens „nicht in Ordnung. Man sollte nicht so tun, als wären die heutigen Führungsmuster das Nonplusultra.”
Pro: Sie sind auf Kahns Seite
Matthias Sammer: „Ich folge Oliver Kahn inhaltlich zu 100 Prozent. Ich bin froh, dass ein sehr wichtiges Thema im Fußball in den Mittelpunkt rückt: die Persönlichkeitsentwicklung. Die Diskussion darf aber nicht personenbezogen werden, sondern sie muss sachorientiert sein. Philipp Lahm ist der Kapitän. Ich würde ihm einfach nur zurufen: ,Du musst gar nicht zu den anderen schauen. Sei so wie du, aber dir deiner Rolle bewusst.’ Ich finde, wir müssen das von ihm einfordern. Aus der Diskussion werden beide noch mal gestärkt hervorgehen. Die Phrase ,Der Star ist die Mannschaft’ hat die Entwicklung des deutschen Fußballs auf lange Zeit kaputt gemacht.“
Franz Beckenbauer: „Ich kann Oliver Kahn verstehen. Unsere Mannschaften haben international immer nur dann Titel geholt, wenn starke Persönlichkeiten auf dem Platz standen, die ihren Mitspielern auch notfalls in den Hintern getreten habe. Man braucht gerade dann Führungsspieler, wenn es nicht läuft. Wie zum Beispiel bei Bayerns Auftaktniederlage gegen Gladbach. Kahns Worte haben Schweinsteiger gekitzelt. Ich habe ihn selten so engagiert gesehen wie gegen Zürich: Selbst motiviert und die anderen antreibend. Genau dieses Verhalten ist es, was Kahn auch gemeint hat. Das ist ein Führungsspieler. Wenn du in der Kabine laut wirst, dann interessiert das keinen Menschen.“
Stefan Effenberg: „Eine flache Hierarchie ist für mich nicht akzeptabel. Jede große Mannschaft braucht auch ihre Leader.
Kontra: Sie sind auf Seite der Spieler
Joachim Löw: „Niemand von all den ehemaligen Nationalspielern, die sich jetzt in dieser Diskussion kritisch äußern, war in seinem Alter nur annähernd so weit mit seinen Führungsqualitäten wie Lahm und Schweinsteiger.“
Karl-Heinz Rummenigge: „Ich habe in den letzten 37 Jahren alle Koryphäen beim FC Bayern aus nächster Nähe begleiten dürfen. Jeder hatte seine Vorteile, aber auch seine Macken. Diese Generation, die jetzt Fußball spielt, ist eine andere als die, wofür ein Stefan Effenberg, ein Paul Breitner, ein Lothar Matthäus oder eben auch ein Oliver Kahn gestanden haben.“
Lothar Matthäus: „Der Fußball hat sich geändert. Man wird beobachtet und versucht, Probleme nicht nach außen zu tragen. Ich bin überzeugt, dass Bayern intern Führungsspieler hat, die diese Probleme ansprechen.“
Günter Netzer: „Der Fußball lässt diese Spieler-Typen nicht mehr zu. Es ist nicht mehr gewünscht, dass sich die Mannschaft einem Spieler quasi unterwirft. Die Grundidee der Trainer ist, die Mannschaften nicht mehr abhängig zu machen von einem Spieler.“
Christian Nerlinger: „Kahn muss sich vor Augen halten, mit wem er es zu tun hat: Sie sind das Aushängeschild des deutschen Fußballs und des FC Bayern.“
Uli Hoeneß: „Ein Ex-Spieler wie Oliver Kahn hat das nicht nötig, in irgendwelchen doofen Blogs seinen Senf zu allem dazuzugeben. Wenn er ein Problem hat, soll er das selber den Spielern sagen und nicht im Internet.