FC Bayern: Berti Vogts über Julian Nagelsmann, Joachim Löw und WM 2018

AZ: Herr Vogts, die Nationalelf trifft am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) auf Aserbaidschan. Ein besonderes Spiel für Sie?
BERTI VOGTS: Nicht wirklich. Ich habe als Nationaltrainer in Aserbaidschan (2008-2014; d. Red.) gearbeitet, aber nicht mehr viel Kontakt. Ich hatte aber eine sehr schöne Zeit in Aserbaidschan. Inzwischen hat die Liga dort aufgeholt, die Teams trainieren jeden Tag.
Aserbaidschan ist nun sogar Dritter in der Quali-Tabelle.
Wenn Nordirland schon Zweiter ist, muss man sich fragen, wie stark diese Gruppe ist. Aber wenn Aserbaidschan Dritter bleibt, ist das ein Riesenerfolg. Das wird dem Fußball Auftrieb geben, denn der ist dort nicht Sportart Nummer eins. Das ist Ringen, wo sie Weltmeistertitel und Olympiasiege geholt haben. Die zweite große Sportart ist Schach, viele Schachweltmeister kommen aus Aserbaidschan.
Vogts: Für Löw zählt nur die WM 2018
Was erwarten Sie nach dem 4:1 im Hinspiel nun?
Für Aserbaidschan ist es eine Ehre, gegen Deutschland zu spielen. Ich war oft mit dem Team im Trainingslager in Deutschland. Da sind die Augen immer größer geworden. Es geht gegen den Weltmeister. Die Spieler werden mit großem Respekt antreten.

Das DFB-Team wird wohl der zehnte Sieg im zehnten WM-Qualifikationsspiel gelingen.
Das ist nicht wichtig. Die Weltmeisterschaft beginnt erst mit dem Eröffnungsspiel in Russland. Joachim Löw und die Mannschaft wissen das genau.
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Welchen Eindruck haben Sie vom DFB-Team? Auch der Confed Cup wurde ja gewonnen.
Davor wurde immer gesagt: Da braucht man nicht teilnehmen. Deshalb bin ich überrascht, wie hoch das beurteilt wurde, als Deutschland das Turnier gewonnen hat. Es war ein schönes Erlebnis in Russland für die jungen Spieler, das sollte man aber jetzt abhaken. Oliver Bierhoff und Joachim Löw wissen genau, dass in einem Jahr dort ein anderer Wind wehen wird.
"Kein Trainer hat so viele Topspieler wie Löw"
Der Bundestrainer glaubt, den besten Kader aller Zeit zur Verfügung zu haben. Sie auch?
In der Bundesliga wird sehr viel Geld in Nachwuchsarbeit investiert. Das Ergebnis ist, dass Löw jetzt wirklich einen tollen Kader hat, mit 30, 35 Mann. Kein Trainer der Welt hat so viele Topspieler zur Verfügung.
Franz Beckenbauer hat Ihnen die Nationalelf 1990 mit den Worten übergeben: "Wir sind auf Jahre unschlagbar."
Ich weiß ja, wann und wie er das gesagt hat – deshalb war ich ihm wirklich nicht böse. Damit muss man leben. Und wenn einer so etwas sagen darf, dann ist das Franz Beckenbauer. Ich achte und schätze ihn unheimlich. Und ich bin sehr traurig und enttäuscht darüber, wie man in Deutschland mit ihm umgeht. Er hat alles für den deutschen Fußball getan. Nur eins nicht: Er hat sich nicht selbst bereichert.
Servus, Jupp! Die Bayern-Trainer der letzten 20 Jahre
Ein anderer alter Freund kehrt nun als Trainer zum FC Bayern zurück: Jupp Heynckes.
Ich finde es überragend, dass die Bayern-Führung sich für ihn entschieden hat. Für Bayern ist das in der jetzigen Situation die beste Möglichkeit, um den Kader in aller Ruhe für das nächste Jahr vorzubereiten.
Sind Sie überrascht, dass Heynckes noch einmal aus dem Ruhestand zurückkehrt?
Wenn man mal beim FC Bayern war, hängt man an dem Klub, erst recht, wenn man so viel Erfolg hatte wie Jupp. Der Klub braucht ihn und Jupp Heynckes ist gerade jetzt der ideale Mann. Es muss jetzt Ruhe einkehren, wenn man in diesem Jahr noch einen Titel gewinnen will – und das wird man mit Jupp Heynckes schaffen.
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"Heynckes ist Pragmatiker, kein Laptoptrainer"
Weil er die Bayern wieder in die richtige Richtung steuert?
Da braucht man keine Angst zu haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Fehler, die die Spieler zuletzt gemacht haben, unter Jupp nicht mehr machen werden. Er ist kein Theoretiker oder ein sogenannter Laptoptrainer, sondern ein Praktiker. Jupp weiß genau, was in den 90 Minuten wichtig ist.
Und was passiert im Sommer? Könnte Löw die Aufgabe beim FC Bayern reizen?
Er hat eine sehr schwere Aufgabe vor sich und will den WM-Titel verteidigen. Darauf muss er sich jetzt voll und ganz konzentrieren. Ihn vor der WM in einen Zusammenhang zu bringen, dass Jupp jetzt möglicherweise alles für Joachim vorbereitet, ist nicht fair.

Kann er den Titel verteidigen?
Ich traue das ihm und der Mannschaft zu. Aber es wird sehr, sehr schwer. Deutschland wird vom ersten Spiel an gejagt und ist der Topfavorit, gegen den die anderen Teams über sich hinauswachsen wollen. Diese Gefahr sehe ich. Ich hoffe, dass man sich rechtzeitig darauf einstellt.
Haben Sie keine Sorge, dass Löw als Bundestrainer aufhört, wenn die Titelverteidigung gelingt?
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er weitermacht und auch noch den EM-Titel holen möchte. Er ist noch ein junger Kerl und topfit. Und er wird keine bessere Mannschaft trainieren können als die deutsche Nationalmannschaft.
"Zwei, drei Jahre mit Heynckes"
Auch Julian Nagelsmann, 30, wird als möglicher neuer Bayern-Coach gehandelt.
Ich glaube, dass Nagelsmann noch nicht die Qualität eines Jupp Heynckes hat. Man könnte auch ruhig noch zwei, drei Jahre mit Heynckes als Trainer arbeiten. Es wäre noch zu früh für Nagelsmann, wenn er im Sommer zum FC Bayern wechseln würde. Und ich glaube auch nicht, dass Bayern München diesen Plan verfolgt.
Sondern?
Der FC Bayern wäre nicht der FC Bayern, wenn er nicht schon etwas anderes in der Hinterhand hätte.