Fan-Flucht in der Allianz Arena: Gibt's beim FC Bayern nur noch "Erfolgsfans"?

Im wichtigen Heimspiel gegen RB Leipzig (1:3) hatten viele Fans des FC Bayern vorzeitig die Allianz Arena verlassen. Die Aktion warf die Frage auf, ob und wie sich die Anhängerschaft des deutschen Rekordmeisters verändert hat. Das sagen die Fanclubs.
von  Guido Verstegen
Blieben beim enttäuschenden 1:3 des FC Bayern gegen RB Leipzig bis zum bitteren Ende: Die Fans des deutschen Rekordmeisters in der Südkurve. Aus dem Publikum auf der Haupt- und Gegentribüne verabschiedeten sich viele Anhänger lange vor Abpfiff der Partie.
Blieben beim enttäuschenden 1:3 des FC Bayern gegen RB Leipzig bis zum bitteren Ende: Die Fans des deutschen Rekordmeisters in der Südkurve. Aus dem Publikum auf der Haupt- und Gegentribüne verabschiedeten sich viele Anhänger lange vor Abpfiff der Partie. © imago images/MIS

München - 360.726 Mitglieder in 4.513 offiziellen Fanclubs weltweit (Stand 2. Mai): Kein anderer deutscher Fußball-Verein kann auf so viele registrierte Anhänger bauen wie der FC Bayern – ein riesiges Potenzial.

Dass beim Titelrennen gegen Borussia Dortmund so eminent wichtigen Heimspiel gegen RB Leipzig beim Stande von 1:2 in der 76. Minute  die heimischen Zuschauern in Massen die Allianz Arena verließen, sorgte in Fanclub-Kreisen für große Verärgerung. "Für den frühen Abgang von Fans, insbesondere zu einem Zeitpunkt, als es im Spiel noch um alles ging, haben wir naturgemäß wenig Verständnis", erklärte Alexander Salzweger, Sprecher von "Club Nr. 12", auf AZ-Anfrage.

Inwiefern hat sich die Anhängerschaft des FC Bayern verändert? 

Die akute Fanflucht im Titelrennen stößt eine alte Debatte neu an: Hat sich der deutsche Rekordmeister dieses Publikum in den letzten Jahren selbst herangezüchtet, wie Salzweger es  behauptet? In seinen Augen feuern viele Zuschauer das Team nicht an: "Die Haupttribüne war auch gegen Leipzig eine Katastrophe!"

Hat sich die Anhängerschaft des FC Bayern verändert? Und wenn ja – wie konnte es dazu kommen?  "Ich glaube, das ist nur dem Erfolg geschuldet", sagte Bernd Hofmann im Gespräch mit der AZ.

Bernd Hofmann, Präsident des weltweit größten Bayern-Fanclubs in Nabburg. Knapp 5.000 Einwohner hat der Ort in der Oberpfalz, rund 6.000 Mitglieder der Fanclub. Am Samstag wird er die Mannschaft vor Ort im Auswärtsspiel beim 1. FC Köln unterstützen.
Bernd Hofmann, Präsident des weltweit größten Bayern-Fanclubs in Nabburg. Knapp 5.000 Einwohner hat der Ort in der Oberpfalz, rund 6.000 Mitglieder der Fanclub. Am Samstag wird er die Mannschaft vor Ort im Auswärtsspiel beim 1. FC Köln unterstützen. © privat

Für den Präsidenten des Fanclubs Nabburg/Oberpfalz – das ist der mit annähernd 6.000 Mitgliedern größte FCB-Fanclub weltweit – steht fest: "Es ist natürlich einfacher, einem Verein beizutreten, der immer oder sehr oft gewinnt, als einen Verein zu suchen, bei dem man Leidenschaft braucht und ihm in guten wie in schlechten Zeiten die Treue hält. Ich habe in den über 50 Jahren meiner Zugehörigkeit noch nie vorher das Stadion verlassen und werde dies auch nie tun."

"Soll ruhig ein anderer Klub die Schale holen, damit das Mia san mia wiederkommt"  

Der 73-Jährige berichtet von "Möchtegern-Fans", die nur kämen, um die Mannschaft siegen zu sehen, dafür habe er absolut kein Verständnis: "Ganz ehrlich, zehn Jahre in Folge hat der FC Bayern die Meisterschaft gefeiert, jetzt soll ruhig auch mal ein anderer Klub die Schale holen, damit das Mia san mia wiederkommt." 

Der frühere Bayern-Profi und Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hatte unmittelbar nach der Entlassung von Trainer Julian Nagelsmann scharfe Kritik an den Verantwortlichen in der Führungsetage geübt: "Das Mia-san-mia-Gefühl ist weg, Wärme, Herzlichkeit und Miteinander fehlen, die Atmosphäre im Klub ist eine andere. Ich weiß, dass viele im Verein so denken. Alle Aussagen zu Nagelsmann waren nichts als Lippenbekenntnisse."

Die Diskussion nahm rasch Fahrt auf, sie mündete in einen verbalen Schlagabtausch zwischen Kahn und Matthäus respektive in einen unterhaltsamen TV-Disput.

Maik Strasse: "So etwas will ich nicht noch einmal erleben"

"Ich bin da leidenschaftslos", betonte Bernd Hofmann. "Die müssen jetzt möglichst schnell einen guten Stürmer holen, sollten sich aber nicht verrückt machen lassen." Die Mannschaft stehe nun in der Pflicht: "Und auch wenn ich nicht glaube, dass sich das Dortmund noch nehmen lässt, die Chance ist ja noch da." Wichtig sei, dass man die Verantwortlichen in Ruhe weiterarbeiten lasse.

Maik Strasse, Vorsitzender des Bayern-Fanclubs Bavaria Lausitz in  Cottbus.
Maik Strasse, Vorsitzender des Bayern-Fanclubs Bavaria Lausitz in Cottbus. © privat

"Ich bin jetzt 40 Jahre Fan des FC Bayern, aber so etwas will ich nicht noch einmal erleben", urteilt Maik Strasse über die aktuelle Saison des FC Bayern. Für den Vorsitzenden des Bayern-Fanclubs Bavaria Lausitz in Cottbus hängen die "größten Fehler der Führungsspitze" unmittelbar mit den Trainer-Personalien Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel zusammen.

Nagelsmann sei viel zu unerfahren gewesen, um die mit Weltstars gespickte Bayern-Mannschaft in den Griff zu bekommen, Tuchel aber auch nicht der Richtige, so der 56-Jährige: "Der hat bei all seinen anderen Vereinen immer nur Ärger gehabt. Er mag als Trainer top sein, aber menschlich?"

Fanclub-Vorsitzender: Nagelsmann wurde beim FC Bayern ohne Gründe entlassen

Der vorzeitige Abmarsch vieler Zuschauer im Heimspiel gegen Leipzig ärgert auch Strasse: "Aber da war eben auch viel Enttäuschung dabei wegen der Unruhe in Mannschaft und Vorstand. Irgendwann knallt's dann. Ich bin aber nicht böse, wenn wir jetzt leer ausgehen. Danach kann man dann mal Tacheles reden."

Die Führung des FC Bayern habe in den letzten Monaten "nicht souverän" gehandelt, findet Norbert Walther, Vorsitzender des Münchner Bayern-Fanclubs Sektion Westend. Der 69-Jährige ist denn auch bitter enttäuscht von der Führungsspitze, die Trainer Nagelsmann "ohne fundierte Gründe" entlassen habe. 

Norbert Walther: "Egal, wie viel FC-Bayern-Profis verdienen – es sind nur Menschen" 

Dass im Spiel gegen Leipzig so viele Zuschauer lange vor dem Abpfiff aus der Allianz Arena strömten, verleitete ihn zu einer Gegenfrage: "Sind das die Fans?" Denn aus der Südkurve sei sicher niemand gegangen, "aber beim Publikum auf der Haupt- und Gegentribüne wechseln die Zuschauer sehr viel". Die Nachfrage ist angesichts der unüberschaubaren Anhängerhaft groß, die Tickets wahnsinnig begehrt. Immer wieder werde in Fankreisen spekuliert, ob die Karten zu den Spielen nicht sogar verlost würden, so Walther. 

Natürlich könne man als Anhänger des FC Bayern jetzt sauer sein, weil es aktuell nicht so laufe: "Aber wir sind eben auch total verwöhnt. Es kann doch auch mal vorkommen, dass die Leistungen schwanken. Und egal, was die Bayern-Profis an Millionen verdienen – auf dem Platz sind es auch nur Menschen." 

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