Falsche Neuner, echter Müller

Bayern-Star Thomas Müller ist auffälligster Spieler in Astana – und beweist, dass die aktuelle System-Diskussion um fehlende Mittelstürmer schlicht zu kurz greift
Filippo Cataldo |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

ASTANA Da standen sie nun um kurz vor zwei Uhr nachts nach dem 3:0 gegen Kasachstan auf dem Rasen und lachten sich eins. Wem denn jetzt das 1:0 zugeschrieben werden würde, wurden Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller gefragt. Während Schweinsteiger noch überlegte, war Müller längst im Radio-Modus und quasselte fidel vor sich hin. „Deutschland, Deutschland“, hatte er schon gesagt, ehe die Frage beendet war, dann meinte er: „Fifty-fifty, das hat sich der Bastian verdient“, ehe er es sich wieder anders überlegte: „Ich hab ihm gleich gesagt, das kann er sich abschneiden, dass es ihm zugeschrieben wird. 20 Prozent des Tors gehen auf seine Kappe.“ Schweinsteiger, der sich selbst die Volleyvorlage zum Schuss gegeben hatte und dem der Treffer, den Müller noch mit der Brust abgefälscht hatte, entgegnete launig: „Der Thomas berührt ihn noch so, dass er reingeht. Thomas steht halt immer da, wo der Ball hinkommt.“

Besser hätte man die etwas seltsame Debatte der letzten Tage über „falsche Neuner“ und eine „spanische Taktik“, weil Bundestrainer Joachim Löw in Kasachstan keinen klassischen Mittelstürmer, sondern den kleinen und wendigen Mario Götze ins Sturmzentrum stellte, nicht beenden können. Egal, wer auf dem Platz steht: Am Ende ging, geht und wird es beim Fußball eben immer darum gehen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und den Ball reinzumachen. Und welcher Spieler weiß das besser als der kickende Fährtensucher und Raumdeuter Thomas Müller?

Das 1:0 wurde schließlich ganz offiziell Schweinsteiger zugeschrieben, Müller machte in der 74. Minute aber noch sein zweites Länderspieltor 2013 und seinen zwölften Treffer im 40. Spiel im Adler-Trikot. Mögen die Experten über den Tod des klassischen Mittelstürmers unken, mögen die torgefährlichen Edeltechniker Mario Götze, Mesut Özil, Julian Draxler und auch der in Astana gesperrte Marco Reus als Zukunft des deutschen Offensivspiels gelten, der auffälligste Spieler in Kasachstan war neben dem sehr aktiven Taktgeber Schweinsteiger eben dieser angenehm altmodische Fußballer Müller, der seine Rolle bei Bayern genauso wie in der Nationalmannschaft als raumfüllende interpretiert: Nominell als Rechtsaußen aufgestellt, lief Müller in Astana mal die linke Außenbahn hoch, dann beackerte er das Zentrum, dann wieder machte er einen Zweikampf auf der rechten Seite. Und als Schweinsteiger dabei war, ein sehr schönes Tor zu erzielen, schob er eben seine schmale Brust in die Flugbahn des Balles. Man weiß ja nie. Nebenbei bereitete Müller in ebenso typischer Fummel-Manier auch das 2:0 Götzes vor. Falsche Neuner? Echter Müller!

Auch Löw schien dem Taktik-Geplänkel der letzten Tage ein wenig überdrüssig. „Die Diskussionen schwappen ein bisschen über. Spieler, die vorne im Zentrum spielen, müssen torgefährlich sein. Wir wollen die Nummer 9 nicht abschaffen, sondern variabler sein“, sagte der Bundestrainer. Die Variante mit Götze im Auge des Sturms sei eine „zusätzliche Option“, die in Kasachstan „manchmal ganz gut geklappt“ hätte. „Wir haben ja Klose und Gomez, wenn die in Topform sind, dann brauchen wir solche Spieler vorne“, so Löw, der lieber darauf verwies, dass der ungewohnte Kunstrasen in Astana für einige seiner Spieler „schon eine Umstellung“ gewesen sei und die Kasachen wie „beim Feldhandball mit 10 Mann um den 16er herumgestanden“ seien. Da wäre es mit jedem System schwer geworden.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.